Berlin. Beim Pariser Gipfel beraten EU-Staaten über die Bekämpfung der Fluchtursachen. Es soll künftig mehr Einsätze gegen Schlepper geben.

Für Flüchtlinge aus Mali, Nigeria oder Gambia ist Agadez so etwas wie der Ort der letzten Hoffnung. Sie kommen mit Rucksack, Plastiktasche oder Koffer in die Stadt im Norden des westafrikanischen Staats Niger, zahlen ein paar Tausend US-Dollar an einen Schleuser und warten auf einen Lkw oder Bus, der sie Tausende Kilometer durch die Sahara fährt. Viele haben den Traum von der Passage über das Mittelmeer. Niger ist die große Flüchtlingsdrehscheibe von Afrika nach Europa.

Doch in letzter Zeit kommen immer weniger Migranten in Libyen an. Hilfsorganisationen wie Pro Asyl klagen, dass Polizei und Militär im Niger Jagd auf Menschenschmuggler an den Grenzen zu Libyen oder Algerien machen. Die Schlepper hätten schon mehrfach Geflüchtete in der Wüste ausgesetzt, die dann verdurstet seien. Schuld seien ausgerechnet die Migrationspartnerschaften zwischen der EU und afrikanischen Staaten wie Niger oder Mali. Diese erhielten dreistellige Millionenbeträge von der Gemeinschaft, um härter gegen Schlepper und Flüchtlinge vorzugehen.

Es soll eine Brücke zwischen Europa und Afrika gebaut werden

Um zu verhindern, dass sich große Flüchtlingsströme im Schatten der Illegalität Richtung Norden bewegen, soll am Montag in Paris ein Europa-Afrika-Gipfel neue Wege aufzeigen. Die Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Niger, Tschad und Libyen sowie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nehmen daran teil. Ziel: Den Schleppern soll das Handwerk gelegt, die Grenzen stärker kontrolliert und die Entwicklungshilfe hochgefahren werden. Nachdem die EU bei der Verteilung der Flüchtlinge lange Zeit ein qualvolles Gezerre hingelegt hat, planen die Staaten Kerneuropas nun den großen Wurf zur Bekämpfung der Fluchtursachen.

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    Es geht darum, eine Brücke zwischen Europa und Afrika zu bauen, um die Lebensverhältnisse vor Ort zu verbessern. Zu diesem Zweck hat die EU bereits sogenannte Migrationspartnerschaften gegründet. Seit Juni 2016 arbeitet sie eng mit Niger, Nigeria, Senegal, Mali und Äthiopien zusammen. Die Gemeinschaft versucht, Schleppernetzwerke aufzudecken oder Arbeitsplätze in den betreffenden Regionen zu schaffen. Im vergangenen Juni wurden für diese Partnerschaften über den EU-Afrika-Treuhandfonds 2,8 Milliarden Euro für 118 Projekte bereitgestellt.

    Merkel hat sich bisher zurückgehalten

    Der französische Präsident Emmanuel Macron versteht sich als Schrittmacher bei der Eindämmung des Flüchtlingsansturms. Er hatte kürzlich gefordert, in sicheren afrikanischen Herkunftsstaaten wie Tschad Registrierzentren für Flüchtlinge zu errichten. Seine Devise: Wirtschaftsmigranten sollen erst gar nicht nach Europa kommen, sondern nur Menschen mit Asylanspruch.

    Der französische Präsident Emmanuel Macron.
    Der französische Präsident Emmanuel Macron. © REUTERS | STOYAN NENOV

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich in dieser Frage bislang eher zurückgehalten. Im ZDF-Sommerinterview unterstreicht sie, es sei nicht Ziel der Migrationspartnerschaften, Asylentscheidungen vor Ort zu treffen und Beamte des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) etwa in Trasitländer in Afrika zu schicken. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann spricht sich hingegen für Flüchtlingslager in afrikanischen Ländern aus. „Wir müssen schon vor Libyen sichere Orte in den stabileren Ländern wie Mali, Niger und Ägypten schaffen“, so Oppermann.

    Zuletzt deutlich weniger Flüchtlinge in Italien

    Frankreich und Deutschland kooperieren bereits beim Aufbau einer afrikanischen Eingreiftruppe in den fünf Sahel-Staaten Mali, Niger, Tschad, Mauretanien und Burkina Faso. Sie sollen den Vormarsch islamistischer Extremisten stoppen. Die EU hat bereits 50 Millionen Euro zugesagt. Mitte September soll eine Konferenz in Berlin die Details für den Einsatz regeln.

    In Italien ist die Zahl der Flüchtlinge neuerdings drastisch zurückgegangen. Im August registrierten die Behörden knapp 2300 Neuankömmlinge, ein Zehntel im Vergleich zum Vorjahresmonat. Bereits im Juli waren es mit rund 11.500 nur halb so viele wie im Vorjahr. Grund hierfür ist der rabiate Einsatz der libyschen Küstenwache, die immer häufiger Flüchtlingsboote aufgreift und ans Ufer zurückbringt.

    Die Küstenwache wird von Italien und der EU im Kampf gegen Schleuser ausgebildet. Rom leistet zudem finanzielle und logistische Hilfe, etwa mit Schiffen. Darüber hinaus hat Libyen die Küstengewässer von zwölf auf 90 Seemeilen ausgeweitet, was die Arbeit der Seenotretter erschwert. Pro Asyl warnt die Teilnehmer des Pariser Gipfels, in Afrika und vor der libyschen Mittelmeerküste einen „doppelten militärischen Abschirmring gegen Flüchtlinge“ zu installieren.

    „Die Bedingungen in libyschen Lagern sind katastrophal“

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). © imago/photothek | Michael Gottschalk/photothek.net

    Flüchtlingsorganisationen kritisieren die Lebensbedingungen in libyschen Lagern als katastrophal. Misshandlungen seien an der Tagesordnung. Merkel will diese Hinweise prüfen. Es gehe darum, „humane und humanitär abgesicherte Wege zu finden, Menschen auch einen Aufenthalt in Libyen zu ermöglichen, der sie nicht in Gefahr bringt“. Deshalb habe sie kürzlich dem UN-Flüchtlingskommissar und der Internationalen Organisation für Migration mehr Geld für ihre Arbeit in dem nordafrikanischen Land zugesagt.

    Auf den großen Durchbruch in der Flüchtlingsfrage hofft Merkel im November - nach der Bundestagswahl. Dann soll ein EU-Afrika-Gipfel die Hilfen für den Krisen-Kontinent vertiefen. Vor allem die Schaffung von Arbeitsplätzen für Jugendliche steht auf dem Programm. „Das ist eine große, langfristige – oder mindestens – mittelfristige Aufgabe“, sagt die Kanzlerin.