Washington. Im Konflikt mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un baut US-Präsident Donald Trump nicht mehr auf China. Die Lage wird immer brisanter.

Im „Krieg der Worte“ um Nordkorea hat US-Präsident Donald Trump eine spektakuläre Kehrtwende vollzogen. Er zählt offenbar nicht mehr auf China als Vermittlungsmacht in einem der gefährlichsten Konflikte der Welt.

„Ich bin sehr enttäuscht von China“, schrieb Trump am Wochenende nach dem zweiten erfolgreichen Test einer nordkoreanischen Interkontinentalrakete an seine 35 Millionen Twitter-Anhänger.

Peking nehme „jährlich Hunderte Milliarden Dollar im Handel mit den USA ein“, tue aber in der Causa Nordkorea nichts für Amerika – außer zu reden. „Wir werden das nicht länger zulassen“, schrieb Trump und nährte so die Befürchtung eines baldigen militärischen Alleingangs der USA gegen Diktator Kim Jong-un.

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USA und Südkorea hielten Militärmanöver ab

In einer ersten Reaktion auf den am Freitag gemeldeten Test einer Rakete vom Typ Hwasong-14, die laut US-Rüstungsexperten 10.000 Kilometer weit fliegen und damit Millionenstädte wie Los Angeles, Denver oder Chicago treffen könnte, hielten die USA und Südkorea gemeinsame Militärmanöver ab. Dabei wurden Kurzstreckenraketen vor der Ostküste Südkoreas abgefeuert. Außerdem ließ das US-Militär erneut von der Pazifikinsel Guam Überschall-Langstreckenbomber vom Typ B-1B aufsteigen, die am Sonntag über der koreanischen Halbinsel kreisten; begleitet von japanischen und südkoreanischen Kampfjägern.

US-Luftwaffengeneral Terrence O’Shaughnessy sagte: „Wenn wir gerufen werden, sind wir bereit, schnell, tödlich und mit überwältigender Schlagkraft zu reagieren.“ Mit den alliierten Partnern Japan und Südkorea seien mehrere „militärische Antwortoptionen“ durchgespielt worden.

Dagegen steht unverändert die Überzeugung von US-Verteidigungsminister James Mattis, dass ein Militäreinsatz auf der koreanischen Halbinsel zu einer Katastrophe globalen Ausmaßes führen kann: „Das würde vermutlich zum schlimmsten Krieg im Leben der meisten Zeitgenossen führen.“

Eskalation könnte kurz bevor stehen

Dennoch mehren sich die Alarmzeichen für eine Eskalation. Südkorea rüstet auf. Das Nachbarland erwartet von den USA kurzfristig eine Billigung für die Anschaffung wirkungsvollerer Präzisions-Raketen, die nordkoreanische Ziele erreichen können. Außerdem will die Regierung Moon gegen den erklärten Willen Chinas nun doch vier weitere US-Raketenabwehrsysteme vom Typ Thaad stationieren, um sich gegen Angriffe aus dem Norden zu schützen.

Darüber hinaus verschärften die USA die Rhetorik gegen China und Russland. Außenminister Rex Tillerson sagte, dass Moskau und Peking durch wirtschaftliche und technologische Unterstützung maßgeblich für die wachsende Bedrohung durch Nordkorea verantwortlich seien.

Trump wendet sich von China ab

Noch vor Kurzem hatte Donald Trump Chinas Staatspräsidenten Xi als „großartigen Kerl“ bezeichnet, mit dem er eine „tolle Chemie“ habe und gemeinsam an einer friedlichen Beilegung der Krise um Nordkorea arbeite. Trumps Erwartung, dass China als mit Abstand wichtigster Handelspartner Nordkoreas das bitterarme Land durch Sanktionen zur Aufgabe des Atomprogramms bringen werde, haben sich jedoch nicht erfüllt.

„Der Handel zwischen China und Nordkorea wuchs im ersten Quartal um fast 40 Prozent“, erklärte Trump bereits nach dem ersten Test einer nordkoreanischen Interkontinentalrakete (ICBM) am 4. Juli. „So viel dazu, dass China mit uns zusammenarbeitet – aber wir mussten es versuchen.“

Nach Auffassung von prominenten US-Experten hat die Regierung Trump das diplomatische Potential mit China aber längst noch nicht ausgeschöpft. So rät Ex-Außenminister Henry Kissinger nach einem Bericht der „New York Times“ dazu, mit Peking darüber zu sprechen, welche Folgen ein Zusammenbruch des Regimes von Kim Jong-un für die Region hätte. Kissinger rät dringend dazu, dass die USA in diesem Fall den weitgehenden Abzug ihrer rund 30.000 Soldaten aus Südkorea zusichern, „um die Befürchtung Chinas zu dämpfen, dass mit dem Wegfall des Pufferstaates Nordkorea das US-Militär direkt an seiner Grenze stehen würde“.

Nordkorea droht mit „Schlag auf das Herz Amerikas“

Die Tatsache, dass in Washington offen über die Option eines Regime-Wechsels in Pjöngjang geredet wird, zuletzt auch durch den Chef des Auslandsgeheimdienstes CIA, Mike Pompeo, hat die Tonlage Nordkoreas weiter radikalisiert. Jeder Versuch, Nordkoreas „höchste Würde“ (sprich Kim Jong-un) anzutasten, werde mit „einem mitleidlosen Schlag auf das Herz Amerikas“ beantwortet, erklärte das Außenministerium.

Dort hat man nicht vergessen, dass Trump seit Amtsantritt zwiespältige Signale ausgesendet hat. Neben Verunglimpfungen (er nannte Kim Jong-un einen „gefährlichen Verrückten“) bezeichnete Trump den jungen Diktator auch als „ziemlich kluges Köpfchen“, mit dem er sich, wenn die Voraussetzungen stimmten, zu Verhandlungen an einen Tisch setzen würde. Als Vorleistung besteht Washington allerdings darauf, dass Kim sein Nuklearprogramm einstellt. „Das wird niemals geschehen“, kontert Pjöngjang.

So absurd sind die Drohungen von Kim Jong-un

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    Kann Trump Nordkorea-Krise bewältigen?

    Ist damit der Weg in eine militärische Eskalation vorgezeichnet? China-Experten in Washington sagen, dass Trump „nicht den Abzug“ betätigen wird, weil die „Kollateralschäden“ immens würden. Christopher Hill, in der Regierung Bush für Verhandlungen mit Nordkorea zuständig gewesen, geht sogar davon aus, dass Pjöngjang längst der Überzeugung ist, dass Amerika sich am Ende mit der Atommacht Nordkorea arrangieren wird.

    Andere Stimmen schließen dagegen nicht aus, dass ein impulsiv agierender Präsident, der mit dem Iran einen weiteren internationalen Brandherd zu beobachten hat und innenpolitisch nach vielen Niederlagen massiv unter Druck steht, einen militärischen Erstschlag wagen könnte. Ein Szenario, bei dem Fachleute unmittelbar nordkoreanische Angriffe auf das zwölf Millionen Einwohner zählende Seoul im Nachbarland Südkorea erwarten.

    Joseph Dunford, Generalstabschef der US-Streitkräfte, sagte dazu: „Das würde Opferzahlen erzeugen, wie wir sie die letzten 60, 70 Jahre nicht mehr gesehen haben.“ Geht Trump das Risiko ein? Der frühere Vize-Außenminister der Regierung Bush, Nicholas Burns, hat Zweifel, ob Donald Trump die „intellektuelle, globale und historische Tiefe“ besitzt, um die Nordkorea-Krise zu bewältigen.