Dortmund. Die SPD will im Bundestagswahlkampf die Trendwende schaffen. Auf ihrem Parteitag präsentierten sich die Sozialdemokraten geschlossen.

  • SPD-Kanzlerkandidat Schulz hat in seiner Parteitagsrede Kanzlerin Merkel scharf attackiert
  • Schulz machte deutlich, dass die „Ehe für alle“ für ihn Bedingung für eine Koalition ist
  • Altkanzler Schröder machte der Partei trotz schlechter Umfragewerte Mut für den Wahlkampf

Die SPD hat ihr Regierungsprogramm für die Bundestagswahl einhellig verabschiedet. Die Delegierten des Bundesparteitags in Dortmund nahmen das Programm am Sonntag in Dortmund ohne Gegenstimme an – es gab eine Enthaltung. „Wir sind kampfbereit“, sagte Generalsekretär Hubertus Heil nach der Abstimmung. Die SPD habe das beste Programm für Deutschland.

Die Sozialdemokraten ziehen unter anderem mit der Forderung nach Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen und höheren Steuern für Spitzenverdiener in den Wahlkampf. Kitas sollen gebührenfrei werden und die Ehe für Schwule und Lesben geöffnet. Um das umstrittene Thema Vermögensteuer wird sich eine Kommission kümmern.

SPD will keine Abschiebungen nach Afghanistan

Überraschend sprach sich die SPD für einen vorübergehenden kompletten Stopp von Abschiebungen nach Afghanistan aus. Eine Mehrheit der Delegierten votierte dafür, folgende Passage ins Wahlprogramm aufzunehmen: „Da die Sicherheitslage in Afghanistan kein sicheres Leben zulässt, werden wir bis auf Weiteres keine Abschiebungen nach Afghanistan durchführen.“

Die Antragskommission beim Parteitag hatte eine allgemeinere Formulierung vorgeschlagen – ein Nein zu Abschiebungen in Kriegsgebiete, aber ohne ausdrückliche Nennung Afghanistans. Diese Linie setzte sich jedoch nicht durch.

Schulz attackiert Kanzlerin Merkel

Vor der Abstimmung über das Programm schwor der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz seine Partei auf den Wahlkampf ein. Er warf der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel in scharfen Worten vor, sich vor Inhalten zu drücken und damit die Wähler einzulullen. Kanzleramt und CDU-Parteizentrale würden sich systematisch der Debatte um die Zukunft des Landes entziehen. Die Union fördere sogar bewusst und mit Vorsatz, dass weniger Menschen wählen gingen, weil eine sinkende Wahlbeteiligung zulasten der anderen Parteien gehe.

„Dann nennt man das in Berliner Kreisen vielleicht asymmetrische Demobilisierung. Ich nenne das einen Anschlag auf die Demokratie“, sagte Schulz am Sonntag beim SPD-Programmparteitag in Dortmund.

„Ehe für alle“ Bedingung für Koalition

Zudem machte Schulz die Ehe für Schwule und Lesben zur Bedingung für jede Koalition nach der Bundestagswahl. „Ich werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem die Ehe für alle nicht verankert ist“, sagte Schulz.

Familie sei nicht nur „Vater-Mutter-Kind“, sondern da, wo Menschen Verantwortung füreinander übernähmen. Dazu gehörten auch homosexuelle Paare. Eine Woche zuvor hatten bereits die Grünen die Ehe für alle zur roten Linie für Koalitionen erklärt. Linke und FDP sind auch dafür, die Ehe zu öffnen, die Union bisher nicht.

Schulz: „Herr Erdogan, geben Sie diese Leute frei“

In seiner Rede forderte Schulz den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan eindringlich auf, die nach dem gescheiterten Putschversuch inhaftierten Journalisten freizulassen. „Herr Erdogan, geben Sie diese Leute frei“, sagte er in seiner Parteitagsrede in Dortmund. Unter den inhaftierten Journalisten ist der deutsch-türkische „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel, dem Terrorpropaganda vorgeworfen wird.

Insgesamt sitzen in der Türkei neun Deutsche in Haft, denen Straftaten in Zusammenhang mit dem Putschversuch vorgeworfen werden. „Geh’ zurück auf den Weg zur Demokratie, auf dem Du mal warst“, sagte Schulz an die Adresse Erdogans.

Schulz nennt AfD „NPD light“

Außerdem griff Schulz die AfD scharf an und bezeichnete sie als „NPD light“. Derzeit lasse sich in einem „Online-Stammtisch“ der AfD in Sachsen-Anhalt im Internet nachlesen, wie die Partei diskutiere, sagte Schulz. In dem Chat der AfD werde schwadroniert von „Deutschland den Deutschen“, von einer „Machtübernahme“ und „volksfeindlichen Medien“.

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    „Wenn es eines Beweise bedurfte, dass die AfD in Wirklichkeit eine NPD light ist, dann ist er mit diesem Internetportal erbracht“, sagte Schulz. „Nee, Leute, diese Partei gehört nicht zu Deutschland.“ Die SPD müsse alle Kräfte mobilisieren und dafür sorgen, dass die AfD nicht dem nächsten Bundestag angehöre. Das müsse und das könne verhindert werden.

    Vor wenigen Tagen waren Protokolle einer internen Chat-Gruppe der AfD in Sachsen-Anhalt öffentlich geworden. Darin hatte unter anderem der AfD-Landesvorsitzende André Poggenburg geschrieben: „Deutschland den Deutschen“. Der Ausspruch ist als Parole der rechtsextremen NPD bekannt.

    Altkanzler Schröder sieht Parallelen zum Wahljahr 2005

    Vor Schulz hatte Altkanzler Gerhard Schröder auf dem Bundesparteitag eine Rede gehalten. Er rief die SPD auf, trotz schlechter Umfragewerte hart um den Sieg bei der Bundestagswahl zu kämpfen. Es gebe die ein oder anderen in der SPD, die den Kopf hängenließen, weil die Ergebnisse der letzten Landtagswahlen tief in den Knochen säßen. „Denen sage ich: Nichts ist entschieden“, sagte Schröder in seiner Rede beim Parteitag. Nicht Journalisten oder Umfrageinstitute entschieden Wahlen, sondern immer noch die Wähler. Ein Drittel von ihnen entscheide sich erst am Wahltag oder kurz davor.

    Altkanzler Gerhard Schröder rief seine Parteigenossen auf, trotz schlechter Umfragewerte nicht aufzugeben.
    Altkanzler Gerhard Schröder rief seine Parteigenossen auf, trotz schlechter Umfragewerte nicht aufzugeben. © REUTERS | WOLFGANG RATTAY

    Schröder erinnerte an das Wahljahr 2005. Damals habe die SPD 23 Punkte im Rückstand gelegen, am Ende sei sie nach einer Aufholjagd aber mit 34,2 Prozent nur knapp hinter der Union mit 35,2 Prozent gelandet. „Wir haben gekämpft und wir haben aufgeholt. Und was damals ging, liebe Genossinnen und Genossen, das geht heute auch.“

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      Wenn die SPD nicht die Köpfe hängenlasse, um jede Stimme kämpfe, könne es gelingen, die SPD zur stärksten Kraft zu machen. „Dafür muss man kämpfen“, betonte der 73-Jährige. Man müsse die demokratisch legitimierte Macht aber auch wirklich wollen. Auf dem Weg in dieses Amt dürfe es keine Selbstzweifel geben, „nicht beim Kandidaten, aber auch nicht bei Euch, nicht bei der deutschen Sozialdemokratie“, rief Schröder unter dem Applaus der rund 600 Delegierten. „Wir haben bewiesen, dass wir es können, und zwar besser als die anderen“, fügte er hinzu.

      Schröder fordert, Trump selbstbewusst entgegenzutreten

      Zugleich unterstrich der frühere Kanzler, es sei jetzt möglich, die deutsch-französischen Beziehungen neu zu beleben. Ein Duo aus Martin Schulz und Emmanuel Macron sei dazu am besten geeignet.

      Zudem rief Schröder dazu auf, dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump selbstbewusst entgegenzutreten. Da passiere ihm zu wenig. Das Zwei-Prozent-Ziel bei den Rüstungsausgaben etwa sei niemals beschlossen worden. „Und darauf müssen wir bestehen.“ Zudem nutzten die USA ihre globale Macht, um auf dem Weltmarkt die Ersten zu sein. Unternehmen wie Volkswagen und die Deutsche Bank hätten schwere Fehler gemacht. Das Vorgehen der USA habe jedoch auch das Ziel: „Hier sollen Konkurrenten auf dem Weltmarkt kleingehalten werden.“ Dies dürfe man im Interesse der Arbeitnehmer in Deutschland nicht zulassen. (rtr/dpa)