Berlin. Der TV-Journalist Constantin Schreiber hat Moscheen besucht. In einigen wurde Weihnachten als „die größte aller Gefahren“ gepredigt.

„Es ist eine Schwelle, die die wenigsten Deutschen überschreiten.“ So beginnt das Buch von Constantin Schreiber. Und der Leser weiß sogleich: Er hat es getan. Der Journalist ist über eine Schwelle gegangen, er hat acht Monate lang Freitagspredigten in deutschen Moscheen besucht.

Der Impuls für das Buch war ein Moscheebesuch am 29. April 2016 in Berlin, hier setzt der Autor – 13 Predigten später – am 30. Dezember auch den Schlusspunkt. Der 37 Jahre alte „Tagesschau“-Journalist, der Arabisch spricht, hat mit Imamen geredet und ihre Predigten von Wissenschaftlern untersuchen lassen. Er empfand die Predigten durchweg als konservativ und wenig integrativ. Seine Auswahl war nicht repräsentativ – den Anspruch hatte er auch nicht –, aber zumindest ließ Schreiber von vornherein alle Gotteshäuser aus, die als salafistisch verschrien waren.

Der Autor sieht Moscheen als „politische Räume“ an

Es war keine Mutprobe. Im Gegenteil. In keiner einzigen Moschee wurde er gefragt, was er dort wolle. Der Journalist hatte erwartet, dass die Gläubigen ihn als Fremdkörper ansehen, ihm skeptisch begegnen oder ihn sogar rauswerfen würden. Aber das Gefühl, dass Moscheen unangenehme Orte seien, in denen man Fremden mit Argwohn und Ablehnung begegne, habe er so nicht erlebt, erzählt Schreiber. „Es war für die anderen Besucher und für die Verantwortlichen vollkommen in Ordnung, dass ich da war.“

Nur für Schreiber war nichts in Ordnung. Es waren acht ernüchternde Monate. „Bestenfalls waren die Predigten dichte, religiöse Texte“, schreibt er, „schlimmstenfalls wurde das Leben in Deutschland, Demokratie und unsere Gesellschaft abgelehnt.“ Er würde gern ein positives Beispiel anführen, eine Predigt, die Weltoffenheit ausstrahle, eine Brücke zum Leben in Deutschland baue. „Leider haben meine Moscheebesuche ein solches Beispiel nicht ergeben.“

Schreiber führt die Leser durch ein unbekanntes Land, durch eine Parallelwelt, in der Weihnachten „als die größte aller Gefahren“ gilt, wie in der Mehmed-Zahid-Kotku-Tekkesin-Moschee in Berlin am 23. Dezember gepredigt wurde. Das ist kein Ausreißer, sondern ein Begriff, der aus dem Salafismus und den Scharia-Staaten kommt. In Saudi-Arabien werden regelmäßig Fatwas – Verhaltensregeln – gegen Weihnachten und Silvester erlassen.

Ein CDU-Politiker stellt das Buch vor

Es ist kein Zufall, dass das Buch am Dienstag in Berlin vom CDU-Politiker Jens Spahn vorgestellt wird, der als Hoffnungsträger der Konservativen in der Union gilt. Schreibers „Inside Islam“ wird all jene, gerade auch in der CDU, in dem Gefühl bestärken, dass etwas mit der Integration gründlich schiefgegangen ist. Und dass ein Islamgesetz, eine Imam-Ausbildung in Deutschland, und auch Predigten auf Deutsch dringend notwendig wären.

Schreiber beschreibt die Moscheen, Gebetsräume, islamischen Vereine, die er in Hamburg, Karlsruhe, Leipzig, Magdeburg und vor allem immer wieder in Berlin aufgesucht hat. Er beschreibt, was dort gepredigt wird, wie und wie oft die Gläubigen nach welchen Regeln beten. Schreiber stieß auf Moscheen, die eingetragen sind, schon lange nicht mehr bestehen, und auf andere, die wiederum nirgendwo erfasst waren.

Einige Imame in Deutschland haben keine Deutschkenntnisse

Es ist überraschend, wie wenig über eine Religion bekannt ist, die nach Ansicht des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff zu Deutschland gehört. Schreiber sprach mit Imamen, die in der Regel aus der Türkei kommen und keine deutschen Sprachkenntnisse haben. Vor allem die türkischen Predigten „waren eigentlich immer politisch, sogar ganz überwiegend“. Sein Fazit: „Nach acht Monaten Recherche muss ich feststellen: Moscheen sind politische Räume.“

Insgesamt geht er auf 13 Predigten ein, jede von ihnen in einem Kapitel mit dem prägnantesten Zitat als Überschrift, etwa „Ihr könnt nicht sagen: Ich bin zugleich Demokrat und Schiit“. Einer der besonders verstörenden Sätze. Sehr aufschlussreich sind die Interviews mit Wissenschaftlern wie Susanne Schröter. Sie ordnet Beobachtungen ein, zum Beispiel über jüngere Gläubige.

Spagat zwischen Herkunftskultur und hiesiger Gesellschaft

Sie beobachte eine „Frömmigkeitsbewegung“ in der zweiten und dritten Generation. „Es sind Kinder von Eltern, die sich emotional niemals in Deutschland beheimatet haben. Sie befinden sich in einem ständigen Spagat zwischen der Herkunftskultur und Mehrheitsgesellschaft, zwischen Familienmitgliedern, die sie kritisieren, wenn sie ,verdeutschen‘, und Lehrern, Mitschülern oder Nachbarn, die ihnen vorwerfen, nicht integriert zu sein.“ Der konservative oder radikale Islam erscheine vielen als Ausweg. „Man schließt die Reihen fest und grenzt sich nach außen ab.“ Davon handelt „Inside Islam“.