Berlin. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Vosskuhle, kritisiert Donald Trumps Richterschelte. Auch die Türkei alarmiert ihn.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hat Angriffe von US-Präsident Donald Trump auf die Unabhängigkeit der Justiz beklagt. „Die Entwicklungen in den Vereinigten Staaten müssen uns zutiefst beunruhigen“, sagte Voßkuhle unserer Redaktion. „Die Unabhängigkeit der Justiz ist eines der wertvollsten Güter unserer modernen Demokratien. Wer hier die Axt anlegt, der verabschiedet sich von der großen Idee eines freiheitlich-demokratischen Verfassungsstaates.“

Mit Blick auf Äußerungen Trumps, der etwa einen Bundesrichter nach der Aufhebung des Einreisestopps für viele Muslime als „sogenannten Richter“ bezeichnet hatte, sagte Voßkuhle: „Wir sind am Bundesverfassungsgericht ebenfalls sehr irritiert angesichts der Schärfe dieser Formulierungen und das dadurch zum Ausdruck gebrachte Rechtsstaatsverständnis.“

Manche Vorstellungen „führen in totalitäre Systeme“

Diese Äußerungen des Präsidenten offenbarten „eine Geringschätzung des Rechtsstaats und der Justiz“. Voßkuhle wörtlich: „Es wird auf einfache Lösungen gesetzt. Es gilt das Prinzip: Die Mehrheit hat immer Recht. Solche Vorstellungen führen schnell in totalitäre Systeme, wie wir Deutschen aus der eigenen Geschichte wissen.“

Voßkuhle kritisierte den Umgang mit der Justiz auch in Europa. Namentlich nannte er Polen, Ungarn „und zuletzt auch Frankreich“ – eine Anspielung auf den Präsidentschaftskandidaten François Fillon, der sich als Opfer der französischen Justiz darstellt. „Aktuell wird Vieles, was wir als selbstverständlich angesehen haben, in Frage gestellt“, sagte Voßkuhle. „Wir müssen sehr wachsam sein, dass diese Entwicklungen keine ansteckende Wirkung entfalten.“

Voßkuhle alarmiert über Lage in der Türkei

Alarmiert zeigte sich der Präsident des Verfassungsgerichts über die Lage in der Türkei. „Nach meiner Wahrnehmung erleben wir dramatische Entwicklungen“, sagte er. „Dass Richter, Staatsanwälte und Wissenschaftler ohne ein geordnetes rechtsstaatliches Verfahren massenhaft entlassen werden, hätten wir uns in einem Land, das Mitglied der Nato ist, kaum vorstellen können.“

Mit Blick auf den Fall des in türkischer Untersuchungshaft sitzenden „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel stellte Voßkuhle fest: „Eine freie Berichterstattung wird in der Türkei zunehmend schwieriger.“ Eine Demokratie setze allerdings die Möglichkeit der offenen politischen Auseinandersetzung voraus, die von Grundrechten wie Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit gewährleistet werde. Würden diese Rechte übermäßig eingeschränkt, so der Präsident, schnüre das „der Demokratie die Luft ab“.

Keine leichtfertigen Nazi-Vergleiche zulassen

Voßkuhle beklagte auch überzogene Angriffe türkischer Politiker auf Deutschland. Es gebe „eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf“, stellte er fest. „Ich kann die Bundesregierung deshalb gut verstehen, wenn sie deutlich macht, dass sie diese Nazi-Vergleiche nicht weiter akzeptiert. Wir Deutschen sind es gerade den Opfern der nationalsozialistischen Diktatur schuldig, keine leichtfertigen Vergleiche zuzulassen.“ (gau/san)