Paris. Fünf Wochen vor den Präsidentschaftswahlen in Frankreich sind viele Wähler noch unentschlossen. Nun stritten die Kandidaten im TV.
Es war eine mit Spannung erwartete TV-Debatte zwischen den fünf aussichtsreichsten Bewerbern, mit der am Montagabend die heiße Phase des französischen Präsidentschaftswahlkampfs eingeläutet wurde. Dass die Sendung Millionen Franzosen vor ihre Bildschirme locken würde, stand von vornherein fest. Noch nie ist eine Präsidentschaftskampagne in der V. französischen Republik so nachhaltig durch völlig unerwartete Wendungen durcheinander gewirbelt worden, noch nie zeigten sich die Wähler knapp fünf Wochen vor den Urnengängen so verwirrt und unentschlossen.
Für den konservativen Bewerber François Fillon ging es bei dieser Debatte bereits um alles. Noch Mitte Januar galt er als haushoher Favorit, doch dann ließ ihn der Skandal um die vermutete Scheinbeschäftigung seiner Frau als parlamentarische Mitarbeiterin in der Wählergunst auf den dritten Platz abstürzen.
Ermittlungen schaden Marine Le Pen nicht
Dass die Justiz gleichzeitig auch wegen mehrerer Finanzaffären gegen die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen ermittelt, ohne dass sich dies negativ auf deren Umfragewerte auswirkt, ist lediglich ein weiteres Paradox in einer beinahe schon absurd anmutenden Situation.
Le Pen bekräftigte am Montagabend ihren EU-kritischen Kurs. „Ich will die Präsidentin Frankreichs sein und nicht eine unbestimmte Region der Europäischen Union beaufsichtigen“, sagte Le Pen am Montagabend und fügte hinzu: „Ich will nicht die Vizekanzlerin von Angela Merkel sein.“
Doch ob es Fillon und Le Pen gelingen kann, aus dem Schatten ihrer Affären zu treten, trieb viele Zuschauer ungleich weniger um als die Frage, ob der parteilose Bewerber Emmanuel Macron wirklich das Zeug zum Präsidenten hat. Der politische Quereinsteiger zeigte sich unbeeindruckt und wich keinen Yota von seiner gemäßigten Linie ab, die „die Progressisten dieses Landes, von rechts wie von links, gegen die Blockaden unseres festgefahrenen Systems“ vereinigen will. Den traditionellen Parteien sei es seit Jahrzehnten nicht gelungen, „die Probleme von gestern“ zu lösen, sagte Macron. „Sie werden das auch nicht morgen schaffen.“
Umfragewerte zeigen nicht mehr als Trends
In den Umfragen für den ersten Wahlgang am 23. April liefert sich Macron, der sich bislang weder einer Wahl noch einer TV-Debatte gestellt hatte, derzeit ein Kopf-an- Kopf-Rennen mit Le Pen. Beiden wäre demnach der Einzug in die Stichwahl am 7. Mai gewiss, die der erst 39-jährige Macron laut jüngsten Prognosen klar für sich entscheiden soll.
Nicht von ungefähr kam es, dass Le Pen Macron auch gezielt anging. Sie befeuerte dabei die Debatte um den Islam und religiöse Symbole im öffentlichen Raum. „Vor einigen Jahren gab es keine Burkinis an den Stränden“, sagte sie. „Emmanuel Macron, Sie waren für den Burkini, oder?“ Macron warf Le Pen daraufhin Provokation vor. „Sie tappen in die Falle, die Franzosen zu spalten“, so der 39-Jährige. „Das hat nichts mit der Laizität (der Trennung von Kirche und Staat) zu tun.“
Die Kandidaten der Frankreich-Wahl
Ganz fraglos haben die Schwierigkeiten Fillons und die Zerstrittenheit des linken Lagers viel zu dem Höhenflug des linksliberalen und europafreundlichen Shooting-Stars beigetragen. Aber so scharf umrissen, wie es die Umfragen suggerieren, ist das Bild keineswegs.
Viele Franzosen haben sich noch nicht entschieden
Mehr als 40 Prozent der Franzosen gaben vergangene Woche an, ihre Wahl noch nicht getroffen zu haben. Gleichzeitig könnte eine Enthaltungsquote von rund 30 Prozent drohen. „Da ist noch jede Menge Luft drin – und zwar in jede Richtung“, kommentiert der Politologe Pascal Perrineau die Orientierungslosigkeit vieler Wähler.
Eine Orientierungslosigkeit, zu der gestern Abend beinahe zwangsläufig auch die Anwesenheit von Benoît Hamon und Jean-Luc Mélenchon beitrug, die in den Umfragen hinter Fillon auf dem Plätzen vier und fünf liegen. Sowohl Hamon, der Kandidat der Sozialisten, als auch der von den Kommunisten unterstützten
Linksfront-Politiker Mélenchon werben mit radikal linken Programmen um Wählerstimmen. Ihr Unvermögen, sich auf eine gemeinsame Linie und eine einzige Kandidatur zu verständigen, dürfte die Linke jeder Chance auf einen Einzug in den Stichwahlgang berauben. (mit dpa)