US-Präsident Trump ist die Abrissbirne der Demokratie
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Von Miguel Sanches
Berlin. Laut Trumps Chefstratege will der US-Präsident den Staat „dekonstruieren“. Von Autokraten wie ihm geht eine zerstörerische Kraft aus.
Nun will er den Staatsapparat „dekonstruieren“. Und was immer das heißen mag, es klingt nach einem zerstörerischen Werk. In den USA sollte das ohnehin leichter zu bewerkstelligen sein als woanders. Denn in Washington wird nach jedem Machtwechsel in der Regel auch der Apparat großteils ausgetauscht. Bei einem früheren Bauunternehmer wie Donald Trump stellt man sich unwillkürlich eine Abrissbirne vor.
Die Legosteine, die er auseinandernehmen und neu aufbauen will, sind womöglich der Staat, das Gemeinwesen, die Demokratie. Zuzutrauen ist es ihm. Und besorgniserregend ist es, weil die USA zu groß, zu wichtig sind für den Rest der Welt und vor allem, weil der neue US-Präsident kein Solitär ist.
Faszination für starke Männer
Der Typ ist gerade sehr gefragt. Weltweit stehen dafür weitere Ichlinge: Putin, Erdogan, Orbán. Manche reden von einer Faszination für starke Männer. Das ist die halbe Wahrheit. Auch die Französin Marine Le Pen gehört in diese Riege, vielleicht wird sie Frankreichs nächste Präsidentin.
Die Faszination geht von autoritären Figuren aus. Das Potenzial für Populisten ist seit Jahren vorhanden. Es ist eine Mischung aus Verzweiflung an der Gegenwart und Angst vor der Zukunft. Es ist nicht neu, vor zehn Jahren sprach man über Pim Fortuyn, Jörg Haider oder Jürgen Möllemann. Die heutigen Populisten sind radikaler, durchtriebener, wilder und skrupelloser.
Tempo der Globalisierung tut der Demokratie nicht gut
Es ist 20 Jahre her, dass der Soziologe Ralf Dahrendorf schrieb, „ein Jahrhundert des Autoritarismus ist keineswegs die unwahrscheinlichste Prognose für das 21. Jahrhundert.“ Für ihn war es schon 1997 absehbar als Folge der Globalisierung, besser gesagt: als Reaktion auf ihre Auswüchse. Denn Globalisierung bedeute auch, dass Konkurrenz groß- und Solidarität kleingeschrieben werde, so Dahrendorf. Vor allem verändert sich in der Globalisierung alles rasant schnell, am meisten die Ökonomie. China ist gerade der größte Handelspartner Deutschlands geworden – solche Veränderungen nimmt man nur noch am Rande wahr, obwohl sie doch tektonischen Verschiebungen gleichen.
Das Tempo der Globalisierung tut der Demokratie nicht gut. Sie kann nicht Schritt halten, nicht die Parlamente, nicht die Verwaltung, nicht der Sozialstaat. Alle zu schwerfällig, zu komplex, zu erklärungsbedürftig. Die Folge sind eine große Aufnahmebereitschaft für einfache Antworten und eine Verachtung der Verfahren und der bisherigen Eliten. In Deutschland gibt es zum Beispiel immer mehr Verdruss über die Länder. Wenn Bundespolitiker ein schleppendes Verfahren mit dem Hinweis auf den Bundesrat rechtfertigen, bekommen sie häufiger als Antwort zu hören: „Haut doch mal auf den Tisch.“ Das ist die deutsche Version von Trumps Dekonstruktion.
Donald Trump – sein Leben in Bildern
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Nur die Demokratie steht den Autokraten im Wege
Demokratie ist komplex, langwierig, oft gibt der Langsamste das Tempo vor, als Ergebnis kommt der kleinste gemeinsame Nenner dabei raus, Kompromisse eben, nicht selten obendrein unzulänglich erklärt. Der Verdruss darüber verstärkt die Sehnsucht nach einfachen Antworten und lässt Autokraten verlockend erscheinen. Zumal Trump mit seinem „America first“ einen Rückzugsraum der Globalisierung aufzeigt: die Hinwendung zu kleineren Räumen, die Nation als fassbaren Gegenentwurf zur schier unfassbaren Globalisierung.
Im Wege steht den Autokraten nur noch die Demokratie. Und wenn wir nicht aufpassen, gerät sie unter die Räder. Wenn das Modell „America first“ Schule macht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir im Namen der Nation die EU zu Grabe tragen und die Völker wieder Kriege führen. Man kann bloß hoffen, dass die US-Demokratie mit Donald Trump fertig wird. Einmal dekonstruieren, bitte!