Warum Angela Merkel die 90-Prozent-Hürde nehmen muss
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Von Walter Bau
Berlin. Muss CDU-Chefin Angela Merkel bei der Wiederwahl am Dienstag mit einem Denkzettel rechnen? 90 Prozent gelten als die magische Grenze.
88,4 Prozent waren das schlechtes Wahlergebnis, das Angela Merkel bisher bei einer Wahl zur CDU-Vorsitzenden hinnehmen musste. Das war im Jahr 2004, in Berlin regierte noch Rot-Grün und Merkel war als Herausforderin von Kanzler Gerhard Schröder nicht unumstritten in der Union. Ein halbes Jahr später war die Regierung Schröder am Ende, Merkel wurde Kanzlerin – und seitdem fuhr sie als CDU-Chefin bei Parteitagen stets Resultate über 90 Prozent ein.
Zuletzt, beim Kölner Bundesparteitag im Dezember 2014, erhielt Merkel satte 96,7 Prozent der Delegiertenstimmen. Doch seitdem hat sich auch in der Union die Stimmung gewandelt.
Klagen über das unscharfe CDU-Profil
Merkel ist nicht mehr unantastbar in den eigenen Reihen. Ihre Haltung in der Flüchtlingskrise hat auch manchen Christdemokraten verstört. Vielen in der CDU geht die „Sozialdemokratisierung“ der CDU in der Ära Merkel zu weit. Es gibt Klagen über das unscharfe Profil der Partei. Merkels langes Zögern, bis sie schließlich ihre vierte Kanzlerkandidatur ankündigte, ist auch ein Symptom dieser Entwicklung.
Aber: Ein Blick in die Geschichte der CDU-Vorsitzenden zeigt, dass ein schlechtes Parteitagsergebnis nicht gleichzusetzen ist mit dem Abstieg. So musste Helmut Kohl als CDU-Chef auf dem Bremer Parteitag im September 1989 mit 79,5 Prozent eine deftige Schlappe hinnehmen. Kohl konnte die Palastrevolution gegen ihn gerade so abwenden. Kohls beste Zeit schien schon vorbei.
Als Adenauer die 100 Prozent schaffte
Wenige Wochen später fiel die Berliner Mauer, Kohl wurde zum Kanzler der Einheit. Der Rest ist Geschichte. Beim nächsten CDU-Parteitag, ein Jahr nach Bremen, feierte Kohl mit 98,5 Prozent einen Triumph.
Die 100 Prozent gab es bei der CDU übrigens auch einmal. Konrad Adenauer erhielt beim Bundesparteitag im Oktober 1952 alle 302 gültigen Stimmen der Delegierten. Das schlechteste Ergebnis eines CDU-Vorsitzenden geht auf die Kappe von Rainer Barzel. Er musste sich 1971 mit 66,4 Prozent zufrieden geben. Die Quittung folgte bald: Schon zwei Jahre später musste Barzel den Vorsitz wieder räumen – für Helmut Kohl.
Das ist Bundeskanzlerin Angela Merkel
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Bei der SPD sieht es ganz anders aus
Ein Ergebnis über 90 Prozent wäre für Merkel an diesem Dienstag auch deshalb wichtig, um sich vom Koalitionspartner SPD abzuheben. Bei denen hatte der amtierende Chef Sigmar Gabriel beim Parteitag im vorigen Jahr mit schlappen 74,3 Prozent eine deftige Ohrfeige von den Delegierten erhalten. Gabriel spielte damals sogar mit Rücktrittsgedanken.
Schlusslicht der SPD-Chefs ist Gabriel damit allerdings nicht. Das schlechteste Ergebnis geht auf das Konto von Oskar Lafontaine. Er bekam 1995 in Mannheim 62,6 Prozent – jedoch mit einem Gegenkandidaten Rudolf Scharping.
Anders als bei der CDU hat bei den Sozialdemokraten kein Vorsitzender nach dem Zweiten Weltkrieg die 100-Prozent-Marke erreicht. Am nächsten dran war Kurt Schumacher, der 1947 auf 99,7 Prozent kam. Zweitbester ist Willy Brandt – er holte 1966 beim Parteitag 99,4 Prozent.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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