Bagdad/Mossul. Truppen rücken auf die von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ gehaltene Stadt Mossul vor. Dort leben noch 1,5 Millionen Menschen.

Der „Islamische Staat“ (IS) steht im Irak mit dem Rücken zur Wand. Irakische Soldaten rücken von Süden und vom Südosten auf Mossul vor. Die kurdischen Peschmerga, ausgestattet auch mit Waffen aus Deutschland, greifen aus dem Osten an. Die internationale Militärkoalition, angeführt von den USA, fliegen nach Augenzeugenberichten Angriffe auf die Terrormiliz. Experten halten den Kampf um Mossul für eine Entscheidungsschlacht gegen den IS im Irak.

Nach eigenen Angaben haben Iraker und Kurden in den ersten 24 Stunden ihres Angriffs schon 20 Dörfer erobert. Am Dienstag rückten die Iraker nach eigenen Angaben kampflos in die Stadt Karakusch ein. Die IS-Kämpfer sind laut Berichten arabischer Medien vorher geflohen. In anderen Gebieten gab es Gegenangriffe. Zudem brachten Peschmerga einen beachtlichen Teil der 80 Kilometer langen Straße nach Erbil unter ihre Kontrolle. Die Lage ist unübersichtlich. Und oft gibt es unterschiedliche, zum Teil auch sich widersprechende Angaben zum Verlauf der Schlacht.

Lange war darauf gewartet worden, dass die Offensive auf Mossul beginnt. Jetzt scheint es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Stadt fällt. Doch die US-Regierung bremst die Erwartungen. Obwohl Iraker und Kurden schneller vorrücken als erwartet, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, dass es sich um eine schwierige und langwierige Mission handle. Auch der französische Verteidigungsminister dämpft die Hoffnungen. „Es wird kein Blitzkrieg“, sagte Jean-Yves Le Drian.

Welche Bedeutung hat Mossul für den „Islamischen Staat“?

Die Stadt Mossul, in der heute noch 1,2 bis 1,5 Millionen Menschen leben, liegt im Nordirak. Die zweitgrößte Stadt des Landes ist die Hochburg des IS im Irak. Mossul hat für die Terrormiliz eine zentrale strategische Bedeutung, hier treibt sie Steuergelder ein und rekrutiert Kämpfer. Zudem ist Mossul auch ein Symbol für die Kampfkraft des IS: Vor zwei Jahren überrannten mehrere Hundert Dschihadisten innerhalb von zwei Tagen die Stadt und vertrieben die irakische Armee. Nach diesem Sieg rief IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi das „Kalifat“ aus – es blieb der einzige öffentliche Auftritt des Terrorchefs. Es gibt nur wenige Quellen, doch es zeichnet sich ab, dass sich der IS ins Zentrum von Mossul zurückzieht und auf einen Häuserkampf setzt. Die Terrormiliz verbreitet im Internet Propagandabilder, die Dschihadisten beim Training des Häuserkampfes zeigen. Bis zu 8000 IS-Kämpfer halten sich nach irakischen Angaben in der Stadt auf. Andere Schätzungen gehen von bis zu 20.000 Islamisten aus. Nach Medienberichten sollen sich die wichtigsten IS-Kommandeure bereits aus Mossul zurückgezogen haben.

Was haben die vielen Zivilisten in Mossul zu erwarten?

Die Vereinten Nationen und Hilfsorganisationen schlagen Alarm: Durch die Schlacht um Mossul könnten bis zu einer Million Menschen zur Flucht gezwungen werden. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) befürchtet eine neue Flüchtlingswelle aus Mossul. „Die EU ist aufgefordert, einen koordinierten Hilfseinsatz vorzubereiten“, sagte er unserer Redaktion. Zugleich kündigte er an, dass sein Ministerium alle zur Verfügung stehenden Kräfte auf die Hilfe für Mossul konzentrieren wird. Es gehe darum, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. „Es geht jetzt darum, für die Menschen medizinische Versorgung, Nahrung und ein Dach über dem Kopf bereitzuhalten“, sagte Müller.

Der bevorstehende Straßen- und Häuserkampf dürfte auch eine humanitäre Herausforderung werden. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) befürchtet zudem, dass Zehntausende Menschen von den Extremisten als lebende Schutzschilde missbraucht werden könnten. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete bereits von ersten brutalen Vorfällen. Der IOM-Chef in Irak, Thomas Weiss, sagte, wegen der Gefahr des Einsatzes von chemischen Waffen bemühe sich die Organisation um die Beschaffung von Gasmasken. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) fordert alle Kriegsparteien in Mossul auf, die Zivilisten zu schonen und zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser nicht anzugreifen. Das Rote Kreuz hat seine medizinischen Kapazitäten in der Nähe von Mossul ausgebaut. Das IKRK versuche außerdem, Kontakt mit dem IS aufzunehmen, um die Einhaltung der Regeln des Kriegsrechts zu erreichen.

Was bedeutet der Angriff auf Mossul für Deutschlands Sicherheit?

Deutschland steht im Fadenkreuz des Islamismus, nicht erst seit den Anschlägen von Würzburg, Ansbach und dem Anschlagsversuch zuletzt in Chemnitz. Die Schlacht um Mossul wird daran nichts ändern. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sieht keine entscheidend neue Sicherheitslage. Eine Verlagerung der Gefahr von Syrien und Irak nach Europa „haben wir bereits“, wie sich in Anschlägen und Anschlagsversuchen zeige. EU-Sicherheitskommissar Julian King hatte zuvor vor einer sehr ernsten Bedrohung für die Sicherheit in Europa gewarnt. „Die Rückeroberung der nordirakischen IS-Hochburg Mossul kann dazu führen, dass gewaltbereite IS-Kämpfer nach Europa zurückkommen“, sagte er der „Welt“.

Ist dies das Ende des IS?

Das sicher nicht. Dafür ist der IS in Syrien und auch in mehreren afrikanischen Ländern noch zu stark. Die Terrormiliz denkt außerdem eher ideologisch und langfristig, plant ein Kalifat im Nahen Osten zu errichten. US-Präsident Barack Obama zeigte sich jetzt zuversichtlich, den Krieg zu gewinnen. „Unsere Koalition ist in der Offensive, und auch wenn das ein sehr schwieriger Kampf ist, habe ich Vertrauen, dass wir gewinnen und Isis verlieren wird“, sagte er. Seit einem Jahr habe die Terrorgruppe keine größere erfolgreiche Operation im Irak oder in Syrien verzeichnen können: „Der IS bleibt in der Defensive.“