Berlin. „Geierwally“ Barbara Rütting feiert heute ihren 90. Geburtstag – und fühlt sich immer noch fit.

In ihrem jüngsten Coup ging es um eine Kuh. Die Kuh namens „Elli“ war von ihrem Bauernhof in Niedersachsen ausgebüxt und hatte in einem Wald Schutz gesucht, um nicht geschlachtet zu werden. Barbara Rütting war in ihrem Element: Gemeinsam mit einer Mitstreiterin hatte sie erst eine Sammelaktion per Facebook gestartet, dann das Tier einfangen und es auf einem Gnadenhof bei Kassel einquartieren lassen. Ellis Rettung war Gesprächsthema. Und Rütting hatte wieder einmal als Tierschützerin Schlagzeilen gemacht. Dass sie Schauspielerin ist, kommt ihr bei ihren öffentlichwirksamen Auftritten entgegen.

Barbara Rütting, die in Filmen wie „Die letzte Brücke“ (1954) oder „Geierwally“ (1956) von den Zuschauern gefeiert wurde, setzt sich seit Jahrzehnten für die Umwelt ein – gegen Atom, für den Frieden und für besseres Klima sowieso. Wer ihr begegnet, erlebt eine energiegeladene Person, die immer noch die Welt verbessern will: „Ich bin bereit, mein Leben radikal zu verändern. Fährt der Zug in die falsche Richtung, springe ich ab, auch wenn ich mir dabei sämtliche Knochen breche“, so redet eine Frau, die heute ihren 90. Geburtstag feiert.

In den Filmen der 50er-Jahre war sie noch die Meisterin des sanften Augenaufschlags. Für ihr reales Leben hat sie sich eine radikale Gangart ausgesucht. Ihre Proteste waren so leidenschaftlich wie effektvoll inszeniert. Immer wieder gern erzählt sie, wie sie sich 1983 in einer Aktion gegen Tierversuche an das Tor des Pharmakonzerns Schering hat ketten lassen. Kurz darauf beteiligte sie sich an einer „Prominentenblockade“ gegen die Stationierung der amerikanischen Pershing-2-Raketen und rasierte sich dafür sogar ihre Haare ab. Dass sie festgenommen wurde? In ihren Erzählungen klingt das wie der Höhepunkt einer Theateraufführung.

Über ihre Filmkarriere, die sie 1984 beendete, spricht sie ungern. Der Film habe ihrer Seele geschadet, mehr sagt sie nicht. 1952 war es, als sich Rütting, die gebürtige Berlinerin, im Filmstudio Berlin Tempelhof beworben hatte und prompt für „Postlagernd Turteltaube“ gebucht wurde. In 45 weiteren Filmen spielte sie die Hauptrolle, in „Stadt ohne Mitleid“ (1961) war sie sogar an der Seite von Hollywoodstar Kirk Douglas zu sehen. Doch Rütting suchte immer die politische Bühne: Als Tierschützerin zog sie noch mit 75 Jahren 2003 für „Bündnis 90/Die Grünen“in den bayerischen Landtag ein. Jetzt ist sie in der „V3“-Partei engagiert, eine bundesweite Kleinpartei.
„V 3“ steht für Veränderung, Vegetarier und Veganer. In ihrem unterfränkischen Heimatort Michelrieth hat sie nun einen V-3-Stammtisch gegründet. Die Themen sind klar.

Der einstige Filmstar ist mit seinem Leben zufrieden. Sehr sogar. Doch manchmal ärgert sich Rütting. Als sie mit 87 Jahren wieder mal an einer Blockade der in der Eifel immer noch stationierten amerikanischen Atomraketen teilnahm, wollten Polizisten sie nicht „in Gewahrsam“ nehmen, obwohl sie wie die anderen straffällig geworden war. Sie sei doch so alt, habe ein Polizist gesagt.

Ob sie jetzt auch noch gegen Altersdiskriminierung auf die Barrikaden geht – wer weiß.