Arnheim. Ein Samenspender verklagt eine Klinik in den Niederlanden: Er will genau wissen, wie viele Nachkommen er im Reagenzglas gezeugt hat.

Robert, nennen wir ihn Robert, wollte früher keine Kinder. Und nun hat er 36, sagt die Samenbank. Oder 47, schätzt sein Anwalt. Oder 50, vielleicht 60, fürchtet Robert, Unternehmensberater mittleren Alters. Fest steht: Die Rijnstate-Klinik im niederländischen Arnheim hat mit seinem Samen mehr Kinder gezeugt, als das Gesetz erlaubt. Auf 25 war der Spender deshalb gefasst, auf ein Vielfaches sei er nicht vorbereitet. Jetzt will Robert, der seinen Samen seit 2004 spendet, es vor Gericht genau wissen: Wie viele Kinder sind daraus entstanden?

Erfahren hat Robert von seiner reichen Nachkommenschaft durch eine der Mütter. Die wollte ein zweites Kind vom selben Spender und schaffte es, Roberts Kontaktdaten herauszubekommen. Sie erzählte ihm, sie wisse von der Klinik, dass er sein gesetzliches Limit bereits überschritten habe. Robert ging der Sache nach. Die Klinik räumte ein: 23 Familien, darunter alleinerziehende Mütter oder lesbische Paare, hätten insgesamt 36 Kinder von ihm, einige seien Zwillinge.

Umgang mit Spendersamen

Sein Anwalt vermutet, es könnten wesentlich mehr sein. Denn, das bestätigen Unterlagen, die der Zeitung „De Volkskrant“ vorliegen: Bereits 2014 hat die staatliche Inspektion für das Gesundheitswesen (IGZ) die Samenbank für ihren Umgang mit Spendersamen gerügt. „Ernst zu nehmende Unzulänglichkeiten“ wurden damals festgestellt. Offenbar, gab die Klinik nun in einer Stellungnahme zu, war das „Registrierungssystem seinerzeit nicht darauf eingerichtet“, zu zählen, wie oft eine Mutter mehrfach vom selben Spender schwanger wurde. Viele Frauen hätten sich für Geschwister denselben Vater gewünscht.

Robert aber will nicht mehr rätseln. Gemeinsam mit der Mutter, die die Geschichte ins Rollen gebracht hat, klagt er nun vor Gericht auf Herausgabe der Daten. Er will, dass eine unabhängige Untersuchungskommission klärt, welcher Spender mit welcher Frau wie viele Kinder hat. Und ob sein Samen womöglich auch anonym an noch weitere Frauen vergeben worden ist.

Entstandener Schaden

Vielleicht sogar bis nach Deutschland? „Eltern müssen ihr Kind doch darauf vorbereiten können, dass es zig Halbbrüder und -schwestern hat“, erklärt er seine Motivation. Rijnstate berief sich am ersten Prozesstag auf das „Berufsgeheimnis“. Mit einer Offenlegung der Informationen würde man 5000 Patienten und Spendern „schaden“. Der gegnerische Anwalt sagt: Der Schaden sei bereits entstanden. Denn ein jedes Spenderkind müsste eigentlich einen DNA-Test über sich ergehen lassen, bevor es eine neue Beziehung eingeht.

Deshalb nämlich haben die Niederlande die landesweite Richtlinie im Jahr 1992 eingeführt: um Inzest unter Spenderkindern, die einander ahnungslos treffen, zu vermeiden. Und um die Zahl der Kinder in Grenzen zu halten, die später womöglich Kontakt zu ihrem Vater wünschen.

Zu Tode erschrocken

Denn im Alter von 16 Jahren hat ein Spenderkind in den Niederlanden das Recht, zu erfahren, wer seine biologischen Eltern sind. Was, wenn ab 2020 immer mehr junge Menschen bei Robert vor der Tür stehen, die den Mann kennenlernen wollen, der ihren Müttern zur Schwangerschaft verhalf?

„Wichtig zu wissen“, schreibt Rijnstate auf seiner Internetseite: „Mit dem Sperma jedes Spenders werden maximal 25 Kinder gezeugt.“ Die Registrierung, betont die Samenbank in ihrer Stellungnahme, sei nun „vollkommen in Ordnung“. Mit 25, sagt Robert, habe er durchaus gerechnet. Aber 36, vielleicht sogar mehr? „Ich habe mich zu Tode erschrocken.“ Das Urteil im Zivilprozess fällt in zwei Wochen.