New York. Im Jahr eins von Trump stehen die Oscars unter besonderen Vorzeichen: Was könnte der deutschen Hoffnung „Toni Erdmann“ im Weg stehen?

  • Wenn in der Nacht zu Montag die Oscars verliehen werden, geht auch der deutsche Film „Toni Erdmann“ ins Rennen
  • Der Film wird hochgelobt und galt lange als aussichtsreicher Kandidat auf einen Oscar
  • Die Ernennung von Donald Trump zum Präsidenten allerdings hat einiges verändert

Es ist lange her, dass Oliver Mahrdt so sehr auf diesen einen Abend hoffen konnte. Am letzten Sonntag im Februar werden in Hollywood die Oscars verliehen. Mahrdt ist hinter den Kulissen einer der Menschen, die einen deutschen Film zum Sieger in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ führen wollen. Er arbeitet für German Films, die Organisation, die den nationalen Auswahlprozess betreut. Lobbyarbeit für die nominierten Werke auch in Hollywood gehört zu seinem Job.

Zehn Jahre dauert die Durststrecke nun schon ohne eigenen Siegerbeitrag in dieser Sparte. Aber für 2017 sah es lange gut für aus „Toni Erdmann“. Im Mai hatte der Film über eine extrem ehrgeizige Unternehmensberaterin beim Festival in Cannes Weltpremiere gefeiert. Seitdem sprudelt das Lob. Ein Drama, in dem es um eine gestörte Vater-Tochter-Beziehung geht – das müsste doch auch in den USA zum Zeitgeist passen? Doch dann kam der 27. Januar. Und damit platzte die Weltpolitik in die Werbe-Arbeit bei German Films.

Präsident Donald Trump rief an diesem Tag den Einreisestopp aus, der es Menschen aus sieben Ländern verbietet, in die USA zu kommen. Ein Betroffener davon: der Regisseur Asghar Farhadi aus dem Iran. Dessen Drama „The Salesman“ ist ebenfalls im Rennen um den Auslands-Oscar. Das Team hinter dem Film über ein Schauspielerpaar will die Verleihung in Los Angeles boykottieren. Auch wenn für die Kino-Leute eine Reise-Ausnahme gemacht würde.

In Deutschland fragen sich nun manche: Zerstört dieses politische Zeichen gegen Trump die Chancen von „Toni Erdmann“? So negativ will Oliver Mahrdt das nicht sehen.

Meryl Streeps Rede klingt noch nach

„Dadurch, dass sehr viele Academy Member wählen, wird die Politik wieder weniger relevant“, findet er. Es gebe einfach sehr viele mögliche Motive für die persönliche Entscheidung der etwa 6700 Menschen im Zirkel der Oscar-Wähler.

Viele in Hollywood spekulieren darüber, wie viel Einfluss die politische Großwetterlage diesmal hat. Meryl Streeps Auftritt bei den Golden Globes Anfang Januar hatte diese Debatte befeuert. Die 67-Jährige hatte sich engagiert über die Bosheit von Donald Trump ausgelassen. Der Chefkritiker des Branchenblatts „Variety“ wertete das als starken Moment: „Es war weniger eine Protestrede oder eine Debatte über politische Ideen, sondern viel mehr eine Lehrstunde in Empathie“, meinte Owen Gleiberman. Streep zeigte sich in ihrer Ansprache fassungslos, dass Trump einen behinderten Journalisten nachgeäfft hatte und es an Einfühlungsvermögen fehlen ließ.

Mit Kunst oder mit Lobbyarbeit zum Sieg?

Aber wonach richten sich die Akademie-Mitglieder bei ihrer Abstimmung? Welche Rolle spielen ein brisantes Filmthema und das politische Umfeld wirklich? Nicht nur bei der glanzvollen Oscar-Gala, beim Auslandspreis, sondern auch in den Hauptkategorien?

Egal ob Produzenten, Filmförderer, PR-Berater, Schauspieler oder ihre Agenten – viele haben ihre ganz eigene Lieblingstheorie, was bei den wichtigesten Kinopreisen der Welt nach ganz oben führt.

Oscars 2017 - Das sind die Nominierten

14 Oscar-Nominierungen – das ist Rekord: Damit ist das Musical „La La Land“ 2017 für so viele Academy Awards nominiert wie „Titanic“ 1997 und der Klassiker „Alles über Eva“ 1950.
14 Oscar-Nominierungen – das ist Rekord: Damit ist das Musical „La La Land“ 2017 für so viele Academy Awards nominiert wie „Titanic“ 1997 und der Klassiker „Alles über Eva“ 1950. © dpa | Handout
Hauptdarstellerin Emma Stone ist für ihre Darstellung der aufstrebenden Schauspielerin Mia für einen Oscar nominiert, ihr Kollege ...
Hauptdarstellerin Emma Stone ist für ihre Darstellung der aufstrebenden Schauspielerin Mia für einen Oscar nominiert, ihr Kollege ... © REUTERS | © Alessandro Bianchi / Reuters
... Ryan Gosling könnte bei der Verleihung am 26. Februar 2017 in Los Angeles einen Oscar als bester Hauptdarsteller für seine Rolle als Jazz-Pianist Sebastian gewinnen.
... Ryan Gosling könnte bei der Verleihung am 26. Februar 2017 in Los Angeles einen Oscar als bester Hauptdarsteller für seine Rolle als Jazz-Pianist Sebastian gewinnen. © REUTERS | © Mark Blinch / Reuters
Auch Regisseur Damien Chazelle ist nominiert – sowohl für seine Inszenierungsarbeit als auch für das beste Originaldrehbuch. Außerdem ist „La La Land“ in diesen Kategorien nominiert: Beste Kamera, Beste Kostüme, Bester Schnitt, Beste Filmmusik, Bester Filmsong (zweimal), Bestes Szenenbild, Bester Ton und Bester Tonschnitt.
Auch Regisseur Damien Chazelle ist nominiert – sowohl für seine Inszenierungsarbeit als auch für das beste Originaldrehbuch. Außerdem ist „La La Land“ in diesen Kategorien nominiert: Beste Kamera, Beste Kostüme, Bester Schnitt, Beste Filmmusik, Bester Filmsong (zweimal), Bestes Szenenbild, Bester Ton und Bester Tonschnitt. © REUTERS | © Mario Anzuoni / Reuters
Das elegische Drama „Manchester by the Sea“ ist ebenfalls in der Kategorie Bester Film nominiert. Darin spielt Casey Affleck (l.) den Hausmeister Lee, der nach dem Tod seines Bruders die Vormundschaft über seinen Neffen Patrick (Lucas Hedges) übernehmen soll. Warum das für Lee so unvorstellbar ist, erschließt sich nach einer schockierenden Rückblende. Affleck ist als bester Hauptdarsteller für einen Oscar nominiert, Hedges als bester Nebendarsteller.
Das elegische Drama „Manchester by the Sea“ ist ebenfalls in der Kategorie Bester Film nominiert. Darin spielt Casey Affleck (l.) den Hausmeister Lee, der nach dem Tod seines Bruders die Vormundschaft über seinen Neffen Patrick (Lucas Hedges) übernehmen soll. Warum das für Lee so unvorstellbar ist, erschließt sich nach einer schockierenden Rückblende. Affleck ist als bester Hauptdarsteller für einen Oscar nominiert, Hedges als bester Nebendarsteller. © dpa | Claire Folger
Schauspielerin Michelle Williams ist in „Manchester by the Sea“ als Lees Ex-Frau Randi zu sehen: Für diese Arbeit ist sie als beste Nebendarstellerin nominiert.
Schauspielerin Michelle Williams ist in „Manchester by the Sea“ als Lees Ex-Frau Randi zu sehen: Für diese Arbeit ist sie als beste Nebendarstellerin nominiert. © REUTERS | © Andrew Kelly / Reuters
Regisseur Kenneth Lonergan hat auch das Drehbuch für „Manchester by the Sea“ geschrieben und ist in beiden Kategorien für einen Oscar nominiert.
Regisseur Kenneth Lonergan hat auch das Drehbuch für „Manchester by the Sea“ geschrieben und ist in beiden Kategorien für einen Oscar nominiert. © REUTERS | © Neil Hall / Reuters
„Moonlight“ erzählt die Geschichte des jungen homosexuellen Afro-Amerikaners Chiron (Ashton Sanders, r., mit Jharrel Jerome als Kevin) in Miami. Das auf dem autobiografischen Theaterstück von Tarell Alvin McCraney basierende Drama ist in der Kategorie Bester Film nominiert. „Moonlight“ läuft am 2. März in Deutschland an.
„Moonlight“ erzählt die Geschichte des jungen homosexuellen Afro-Amerikaners Chiron (Ashton Sanders, r., mit Jharrel Jerome als Kevin) in Miami. Das auf dem autobiografischen Theaterstück von Tarell Alvin McCraney basierende Drama ist in der Kategorie Bester Film nominiert. „Moonlight“ läuft am 2. März in Deutschland an. © dpa | David Bornfriend
Naomie Harris spielt die drogenkranke Mutter Chirons und darf auf einen Oscar als beste Nebendarstellerin hoffen.
Naomie Harris spielt die drogenkranke Mutter Chirons und darf auf einen Oscar als beste Nebendarstellerin hoffen. © REUTERS | © Neil Hall / Reuters
Mahershala Ali spielt in „Moonlight“ den Crack-Dealer Juan, der für den kleinen Chiron zum Ersatzvater wird. Dafür könnte er einen Oscar als bester Nebendarsteller bekommen.
Mahershala Ali spielt in „Moonlight“ den Crack-Dealer Juan, der für den kleinen Chiron zum Ersatzvater wird. Dafür könnte er einen Oscar als bester Nebendarsteller bekommen. © REUTERS | © Mike Blake / Reuters
Barry Jenkins hat „Moonlight“ in Szene gesetzt und ist dafür in der Kategorie Beste Regie nominiert. Mit Tarell Alvin McCraney könnte Jenkins außerdem einen Oscar fürs beste adaptierte Drehbuch bekommen.
Barry Jenkins hat „Moonlight“ in Szene gesetzt und ist dafür in der Kategorie Beste Regie nominiert. Mit Tarell Alvin McCraney könnte Jenkins außerdem einen Oscar fürs beste adaptierte Drehbuch bekommen. © REUTERS | © Stephanie Keith / Reuters
Der Kriegsfilm „Hacksaw Ridge – die Entscheidung“ ist im Rennen als Bester Film und erzählt die Geschichte des US-Soldaten Desmond T. Doss, der im Zweiten Weltkrieg den Dienst an der Waffe verweigerte und trotzdem einen Orden bekam. Er rettete in der Schlacht um Okinawa dutzenden Kameraden das Leben.
Der Kriegsfilm „Hacksaw Ridge – die Entscheidung“ ist im Rennen als Bester Film und erzählt die Geschichte des US-Soldaten Desmond T. Doss, der im Zweiten Weltkrieg den Dienst an der Waffe verweigerte und trotzdem einen Orden bekam. Er rettete in der Schlacht um Okinawa dutzenden Kameraden das Leben. © dpa | Mark Rogers
Andrew Garfield spielt den Soldaten Doss: Dafür könnte er einen Oscar als bester Hauptdarsteller bekommen.
Andrew Garfield spielt den Soldaten Doss: Dafür könnte er einen Oscar als bester Hauptdarsteller bekommen. © REUTERS | © Mario Anzuoni / Reuters
Mel Gibson hat „Hacksaw Ridge“ in Szene gesetzt: Er ist in der Kategorie Beste Regie nominiert.
Mel Gibson hat „Hacksaw Ridge“ in Szene gesetzt: Er ist in der Kategorie Beste Regie nominiert. © Getty Images for AACTA | Todd Williamson
„Fences“ (Zäune) heißt das Rassismusdrama, das Denzel Washington auf der Grundlage des Theaterstücks von August Wilson inszeniert hat. Es ist in der Kategorie Bester Film nominiert, damit hat Washington drei Chancen auf einen Oscar: Als (Mit-)Produzent, ...
„Fences“ (Zäune) heißt das Rassismusdrama, das Denzel Washington auf der Grundlage des Theaterstücks von August Wilson inszeniert hat. Es ist in der Kategorie Bester Film nominiert, damit hat Washington drei Chancen auf einen Oscar: Als (Mit-)Produzent, ... © imago/ZUMA Press | imago stock&people
... als bester Hauptdarsteller und in der Kategorie Bestes adaptiertes Drehbuch.
... als bester Hauptdarsteller und in der Kategorie Bestes adaptiertes Drehbuch. © REUTERS | © Fred Thornhill / Reuters
Auch Viola Davis (l.) ist für ihre Arbeit in „Fences“ nominiert, in der Kategorie Beste Nebendarstellerin. Damit tritt Davis unter anderem gegen Nicole Kidman an, die für ihre Rolle in „Lion“ nominiert ist.
Auch Viola Davis (l.) ist für ihre Arbeit in „Fences“ nominiert, in der Kategorie Beste Nebendarstellerin. Damit tritt Davis unter anderem gegen Nicole Kidman an, die für ihre Rolle in „Lion“ nominiert ist. © dpa | Mike Nelson
Der Film „Lion“ hat auch Chancen auf den Oscar als Bester Film; er basiert auf dem Roman „A Long Way Home“, in dem Saroo Brierley seine Lebensgeschichte aufgeschrieben hat. Dev Patel (l.) spielt Saroo.
Der Film „Lion“ hat auch Chancen auf den Oscar als Bester Film; er basiert auf dem Roman „A Long Way Home“, in dem Saroo Brierley seine Lebensgeschichte aufgeschrieben hat. Dev Patel (l.) spielt Saroo. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
Dafür ist der Brite als bester Schauspieler für einen Oscar nominiert.
Dafür ist der Brite als bester Schauspieler für einen Oscar nominiert. © REUTERS | © Fred Thornhill / Reuters
„Hidden Figures“, versteckte Figuren sind die schwarzen Mathematikerinnen, die Anfang der 60er-Jahre für die Nasa arbeiten und mit ihrem Können dazu beitragen, dass Astronaut John Glenn die Erde in einem Raumschiff sicher umkreisen kann. Der auf der wahren Geschichte basierende Film lenkt den Fokus auf die Wissenschaftlerinnen Mary Jackson (Janelle Monáe, l.), Katherine Johnson (Taraji P. Henson, M.) und Dorothy Vaughan (Octavia Spencer).
„Hidden Figures“, versteckte Figuren sind die schwarzen Mathematikerinnen, die Anfang der 60er-Jahre für die Nasa arbeiten und mit ihrem Können dazu beitragen, dass Astronaut John Glenn die Erde in einem Raumschiff sicher umkreisen kann. Der auf der wahren Geschichte basierende Film lenkt den Fokus auf die Wissenschaftlerinnen Mary Jackson (Janelle Monáe, l.), Katherine Johnson (Taraji P. Henson, M.) und Dorothy Vaughan (Octavia Spencer). © imago/ZUMA Press | imago stock&people
Octavia Spencer kann sich für ihre Arbeit in „Hidden Figures“ Hoffnungen auf einen Oscar als beste Nebendarstellerin machen.
Octavia Spencer kann sich für ihre Arbeit in „Hidden Figures“ Hoffnungen auf einen Oscar als beste Nebendarstellerin machen. © dpa | Evan Agostini
In „Hell or High Water“ jagen die Texas Ranger Marcus (Jeff Bridges, l.) und Alberto (Gil Birmingham) zwei Bankräuber im staubigen West-Texas. Der Neo-Western ist als bester Film für einen Oscar nominiert.
In „Hell or High Water“ jagen die Texas Ranger Marcus (Jeff Bridges, l.) und Alberto (Gil Birmingham) zwei Bankräuber im staubigen West-Texas. Der Neo-Western ist als bester Film für einen Oscar nominiert. © dpa | Lorey Sebastian
Niemand nuschelt so charaktervoll wie Jeff Bridges: Der Schauspieler ist in der Kategorie Bester Nebendarsteller nominiert.
Niemand nuschelt so charaktervoll wie Jeff Bridges: Der Schauspieler ist in der Kategorie Bester Nebendarsteller nominiert. © REUTERS | © ERIC THAYER / Reuters
Film Nummer neun in der Kategorie Bester Film ist „Arrival“. In dem Science-Fiction-Film landen zwölf riesige Raumschiffe auf der Erde. Die Sprachwissenschaftlerin Louise Banks (Amy Adams) versucht, Kontakt zu den Außerirdischen aufzunehmen.
Film Nummer neun in der Kategorie Bester Film ist „Arrival“. In dem Science-Fiction-Film landen zwölf riesige Raumschiffe auf der Erde. Die Sprachwissenschaftlerin Louise Banks (Amy Adams) versucht, Kontakt zu den Außerirdischen aufzunehmen. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
Der Kanadier Denis Villeneuve könnte für „Arrival“ den Oscar für die beste Regiearbeit bekommen.
Der Kanadier Denis Villeneuve könnte für „Arrival“ den Oscar für die beste Regiearbeit bekommen. © REUTERS | © Benoit Tessier / Reuters
In der Kategorie Bester fremdsprachiger Film ist die deutsche Komödie „Toni Erdmann“ von Maren Ade nominiert.
In der Kategorie Bester fremdsprachiger Film ist die deutsche Komödie „Toni Erdmann“ von Maren Ade nominiert. © dpa | Komplizen Film/NFP
Sie spielt First Lady „Jackie“ Kennedy in den Tagen um die Ermordung von US-Präsident John F. Kennedy: Für ihre Leistung ist Natalie Portman als beste Hauptdarstellerin nominiert.
Sie spielt First Lady „Jackie“ Kennedy in den Tagen um die Ermordung von US-Präsident John F. Kennedy: Für ihre Leistung ist Natalie Portman als beste Hauptdarstellerin nominiert. © dpa | graypictures
Die Französin Isabelle Huppert spielt in Paul Verhoevens „Elle“ die Geschäftsfrau Michèle, die sich nach einer Vergewaltigung am Täter rächen will. Der Film läuft am 16. Februar in Deutschland an.
Die Französin Isabelle Huppert spielt in Paul Verhoevens „Elle“ die Geschäftsfrau Michèle, die sich nach einer Vergewaltigung am Täter rächen will. Der Film läuft am 16. Februar in Deutschland an. © REUTERS | © Yves Herman / Reuters
US-Schauspielerin Meryl Streep hat für ihre Darstellung „Florence Foster Jenkins“, der wohl schlechtesten Opernsängerin der Welt, ihre 20. Oscar-Nominierung bekommen. Häufiger ist in den 89 Jahren der Preisverleihung kein Schauspieler und keine Schauspielerin nominiert worden. Drei Oscars hat Streep gewonnen.
US-Schauspielerin Meryl Streep hat für ihre Darstellung „Florence Foster Jenkins“, der wohl schlechtesten Opernsängerin der Welt, ihre 20. Oscar-Nominierung bekommen. Häufiger ist in den 89 Jahren der Preisverleihung kein Schauspieler und keine Schauspielerin nominiert worden. Drei Oscars hat Streep gewonnen. © dpa | Giorgio Onorati
Für ihre Arbeit im Rassismusdrama „Loving“ ist Ruth Negga als beste Nebendarstellerin für einen Oscar nominiert.
Für ihre Arbeit im Rassismusdrama „Loving“ ist Ruth Negga als beste Nebendarstellerin für einen Oscar nominiert. © REUTERS | © Eric Gaillard / Reuters
Viggo Mortensen könnte für seine Rolle als Aussteiger-Vater Ben in „Captain Fantastic – Einmal Wildnis und zurück“ einen Oscar als bester Hauptdarsteller gewinnen.
Viggo Mortensen könnte für seine Rolle als Aussteiger-Vater Ben in „Captain Fantastic – Einmal Wildnis und zurück“ einen Oscar als bester Hauptdarsteller gewinnen. © REUTERS | MIKE BLAKE
Michael Shannon ist für seine Rolle in Tom Fords Drama „Nocturnal Animals“ als bester Nebendarsteller nominiert.
Michael Shannon ist für seine Rolle in Tom Fords Drama „Nocturnal Animals“ als bester Nebendarsteller nominiert. © REUTERS | © Danny Moloshok / Reuters
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Dabei stehen sich zwei Lager gegenüber. Da sind die Künstler und andere Beteiligte, die an die reine Strahlkraft ihrer Arbeit glauben. Handwerkliche Qualität garniert mit einer Prise Zeitgeist – der wie in diesem Jahr manchmal politisch sein kann – bringe den Sieg.

Und da ist eine zweite Gruppe, die daran glaubt, dass Lobbyarbeit hinter den Kulissen bei den Jury-Mitgliedern zum Erfolg führt. Die Mittel ihrer Politik „Marke Hollywood“ sind Dinnereinladungen, freundlich-offensive Briefe mit Filmkopien und monatelanges Händeschütteln bei Dutzenden Awardshows in der Oscar-Saison vor der Preisverleihung.

Wenn man alleine auf die Zahl der Nominierungen schaut, scheinen diesmal die Macher von „La La Land“ das richtige Erfolgsrezept gefunden zu haben: Der poetische Musikfilm über einen Jazzmusiker und eine Schauspielerin glänzt mit 14 Nominierungen. Er hat damit die Rekordmarke von „Alles über Eva“ und „Titanic“ aus den Jahren 1951 und 1998 erreicht.

Für eine neue Bestmarke bei den Siegen müssten am 26. Februar zwölf goldene Trophäen zusammenkommen. Das könnte gelingen, wenn sich Hollywood – wie zuletzt bei „The Artist“ (2012) und „Birdman“ (2015) – der Nostalgie für die eigene Branche hingibt.

Oscars: Diese Filme sind als "Best Picture" nominiert

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    Manchmal gewinnen die Underdogs

    Diese zwei Filme sind zugleich gute Beispiele dafür, dass auch Liebe zur Kunst und klasse Handwerk an die Spitze führen können. Die Academy liebt dabei nicht nur auf der Leinwand die Underdogs und Benachteiligten. Sie ehrt sie auch manchmal bei der Gala als Preisträger auf der Bühne.

    Die Musiker und Darsteller Glen Hansard aus Irland und Markéta Irglová aus Tschechien sind ein Beleg. Sie stachen 2007 die übermächtige Disney-Konkurrenz aus und gewannen für „Falling Slowly“ aus dem Liebesfilm „Once“ den Preis für den besten Song. „Wir haben diesen Film mit zwei Handkameras für 100.000 Dollar gedreht“, sagte Hansard in seiner Dankesrede. „Dieser Preis ist wunderbar. Macht Kunst.“

    Diesmal ist Hollywood in „Moonlight“ verliebt

    Diesmal ist halb Hollywood in den achtfach vorgeschlagenen Film „Moonlight“ verliebt. Sein Budget lag bei unter fünf Millionen Dollar (unter 4,7 Millionen Euro). Das ist ein Zehntel der Kosten für den ebenfalls in der Hauptkategorie nominierten Alienfilm „Arrival“. Das Drama über Kindheit und Jugend eines schwulen schwarzen Drogendealers erfüllt noch eine weitere Bedingung für einen preiswürdigen Film: Das Werk taugt als Beweis für die angeblich wachsende Toleranz in der Oscar-Wahltruppe.

    Unter dem Begriff #OscarsSoWhite – etwa: Die Oscars sind so weiß – hatte es in den vergangenen Jahren viel Kritik gegeben. Die Akademie vergebe vor allem Preise an Weiße, wurde moniert, 2015 und 2016 war in den Schauspieler-Kategorien keine nicht-weißen Künstler nominiert. Dieses Mal nun sind sechs der 20 Nominierten afro-amerikanische Schauspieler und Schauspielerinnen, einer hat indische Wurzeln.

    Blick hinter die Kulissen

    Auch, wer einmal vor Ort die Oscars begleitet, ist oft überrascht, wie viel Raum es fernab von den Superstars für die Handwerker und unbekannten Film-Schaffenden gibt. So ist das Hauptquartier der Academy of Motion Picture Arts and Sciences in Beverly Hills oft ein Treffpunkt für die Nominierten in den Nebenkategorien. Dort versammeln sich Dokumentarfilmer, Zeichentrickkünstler, Make-Up-Experten und Auslandsregisseure. Mehr als 1000 Menschen sitzen in der Oscarwoche zu Filmvorführungen und Podiumsdebatten auf den roten Samtsesseln im Samuel Goldwyn Theatre.

    „Toni Erdmann“-Regisseurin Maren Ade (40) wird sich dort austauschen mit ihren vier Konkurrenten um den Auslands-Oscar. Einer davon: die deutsch-dänische Produktion „Unter dem Sand“. Die Macher reden dann über Filmförderung und Drehbedingungen. Und über Hürden für Nachwuchskünstler in der Traumfabrik des US-Kinos. Es ist, so kann man dabei im spüren, noch Platz für echte Kunst in Hollywood.

    „Am Ende ist „Toni Erdmann“ Berliner Schule“, sagt auch Oliver Mahrdt mit Blick auf diese Art des künstlerisch anspruchsvollen Filmedrehens. Fast drei Stunden dauert das Werk. Es ist dialoglastig, arbeitet mit ruhiger Kameraführung und langen Einstellungen. Unabhängig vom Ergebnis sei alleine die Nominierung ein großer Erfolg. Schließlich würden jedes Jahr mehr als 80 Länder um einen Platz auf der Vorschlagsliste der Auslandskategorie kämpfen.

    Die Strippenzieher

    Der Gegenentwurf zu diesen Filmkünstlern sind die kühlen Strategen hinter den Kulissen. Die Strippenzieher. Niemand beherrscht dieses Geschäft so gut wie die Brüder Harvey und Bob Weinstein. Die beiden sind die Gründer des Produktionsunternehmens Miramax, der Firma hinter überraschenden Oscar-Hits wie „Der englische Patient“, „Chicago“ und „Shakespeare in Love“, 1999 Sensationssieger als bester Film gegen Steven Spielbergs Kriegsdrama „Der Soldat James Ryan“.

    Harvey Weinsteins erste große Kampagne war die für „Mein linker Fuß“, ein Drama, das 1990 für fünf Preise nominiert wurde und zwei gewann. „Damals haben die großen Studios die Oscars unter sich ausgemacht“, erinnert sich Weinstein im Buch „Down and Dirty Pictures“ von Peter Biskind. „Anstatt abzuwarten und dann verprügelt zu werden, weil jemand mehr Geld, mehr Macht und mehr Einfluss hat, haben wir eine Guerillakampagne gestartet.“

    Weinstein überzeugte den irischen Regisseur Jim Sheridan, nach Los Angeles zu ziehen. Er schleppte ihn dort zu eigenen Dinnerevents, auf denen der Regisseur mit Academy-Mitgliedern plaudern konnte. Weil viele Mitglieder im Winter zum Skifahren nach Aspen in Colorado fuhren, organisierte Weinstein ihnen eben dort Vorführungen seiner Filme. Solche Methoden haben Erfolg: Auf mehr als 300 Nominierungen ihrer Filme können die Weinsteins stolz sein. 2017 kamen für das Indien-Drama „Lion – Der lange Weg nach Hause“ sechs hinzu.

    Deutsche Oscar-Hoffnung „Toni Erdmann“

    Beim Filmfestival in Cannes wurde Maren Ades „Toni Erdmann“ umjubelt. Holt die Tragikomödie jetzt einen Oscar nach Deutschland? Es wäre der erste seit zehn Jahren.
    Beim Filmfestival in Cannes wurde Maren Ades „Toni Erdmann“ umjubelt. Holt die Tragikomödie jetzt einen Oscar nach Deutschland? Es wäre der erste seit zehn Jahren. © Komplizen Film | Komplizen Film
    Im Mittelpunkt stehen Winfried (Peter Simonischeck) und seine Tochter Ines. Er ist ein lebenslustiger Musiklehrer, mit ausgeprägtem Hang zum Scherzen, der sein Spaß-Gebiss immer in der Brusttasche parat hat. Viel nüchterner sieht dagegen die Welt von Ines (Sandra Hüller) aus.
    Im Mittelpunkt stehen Winfried (Peter Simonischeck) und seine Tochter Ines. Er ist ein lebenslustiger Musiklehrer, mit ausgeprägtem Hang zum Scherzen, der sein Spaß-Gebiss immer in der Brusttasche parat hat. Viel nüchterner sieht dagegen die Welt von Ines (Sandra Hüller) aus. © Komplizen Film | Komplizen Film
    Sie ist erfolgreiche Unternehmensberaterin für einen großen Konzern und trimmt andere Firmen auf Effizienz.
    Sie ist erfolgreiche Unternehmensberaterin für einen großen Konzern und trimmt andere Firmen auf Effizienz. © Komplizen Film | Komplizen Film
    In der von Männern dominierten Welt will sie sich bei einem Projekt in Rumänien beweisen und weiter Karriere machen. Doch dann taucht Winfried auf.
    In der von Männern dominierten Welt will sie sich bei einem Projekt in Rumänien beweisen und weiter Karriere machen. Doch dann taucht Winfried auf. © Komplizen Film | Komplizen Film
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    Der passt das allerdings gar nicht. Es kommt zum Eklat, und Winfried reist scheinbar ab.
    Der passt das allerdings gar nicht. Es kommt zum Eklat, und Winfried reist scheinbar ab. © Komplizen Film | Komplizen Film
    Dann erscheint er wieder, verkleidet als Toni Erdmann: schiefe Zähne, zauselige Perücke, Jutebeutel über der Schulter und ein lautes Lachen.
    Dann erscheint er wieder, verkleidet als Toni Erdmann: schiefe Zähne, zauselige Perücke, Jutebeutel über der Schulter und ein lautes Lachen. © Komplizen Film | Komplizen Film
    Dieser Toni Erdmann schert sich nicht um die Konventionen der Wirtschaftswelt und hat zu Ines’ Überraschung genau damit Erfolg.
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    Vor allem jedoch gelingt dieser überdrehten Kunstfigur, was Winfried als Vater so wohl nicht geschafft hätte.
    Vor allem jedoch gelingt dieser überdrehten Kunstfigur, was Winfried als Vater so wohl nicht geschafft hätte. © Komplizen Film | Komplizen Film
    Er hält Ines gewissermaßen einen Spiegel vor.
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    Regisseurin Maren Ade gelingt es, die Zuschauer über mehr als zweieinhalb Stunden immer wieder zu überraschen.
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    Ade beweist einmal mehr ihr Gespür für das richtige Tempo und die ausgewogene Balance zwischen Dramatik und Humor.
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    Bei den Oscars ist „Toni Erdmann“ als bester nicht-englischsprachiger Film nominiert. (dpa)
    Bei den Oscars ist „Toni Erdmann“ als bester nicht-englischsprachiger Film nominiert. (dpa) © Komplizen Film | Komplizen Film
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    Deutscher für Doku-Kurzfilm nominiert

    Auch der Deutsche Marcel Mettelsiefen hat schnell erkannt, wie dieses Spiel läuft. Neben dem Filmmusiker Hauschka, nominiert für seinen Soundtrack zu „Lion“, und dem „Toni Erdmann“-Team ist der Dokumentarfilmer eine weitere deutsche Hoffnung auf einen Oscar. „Watani: My Homeland“ heißt sein 40 Minuten langes Werk über die Flucht einer syrischen Familie aus Aleppo ins deutsche Goslar. Wer sich mit ihm über seine Chancen in der Kategorie „Bester Kurz-Dokumentarfilm“ unterhält, bekommt eine Antwort ohne Illusionen.

    „Es geht sehr viel ums Marketing, das, was hier als „shmooze“ zelebriert wird“, erzählt der 38-Jährige. „„Amy“, der letzte Film, der in der großen Dokumentar-Kategorie gewonnen hat, hat 780.000 Dollar alleine in die Oscar-Kampagne gesteckt. Wenn man dieses Geld nicht hat, dann wird es sehr schwierig“, sagt Mettelsiefen. Den Trend zu schwindelerregenden Zahlen gibt es schon lange. 2002 hatte die „New York Times“ geschätzt, dass manche Studios bis zehn Millionen Dollar in die Oscar-Kampagne eines Films stecken.

    Lebenslanger Ruhm und Milliarden-Geschäft

    Keine Frage also, die Oscars sind auch ein Kommerzevent. Es geht um viel Geld: 1,2 Milliarden Filmtickets werden in den USA jedes Jahr verkauft. Weltweit spielen Kinos rund 50 Milliarden Dollar ein. Hinzu kommen Riesensummen für Streaming- und DVD-Lizenzen, Vermarktung und TV-Auswertung. Aber haben die Filme, die das meiste Geld bringen, auch bessere Chancen auf einen Sieg?

    Bei der Akademie hat auf jeden Fall zuletzt ein Umdenken eingesetzt. Die Zeiten von elf Oscars für das Liebesepos „Titanic“ und den dritten Teil von „Herr der Ringe“ sind vorbei. Von den Nominierten für den Hauptpreis hat diesmal noch kein Film mehr als 150 Millionen Dollar eingespielt – in etwa die Grenze dessen, was Hollywood als Blockbuster ansieht.

    3 Fakten, die man über die Oscars wissen muss

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      Doch bei anspruchsvollen, mittelgroßen Werken zeigt sich, wie sehr sich ein Triumph später auszahlt. „American Beauty“ etwa lief zur Oscar-Verleihung im Jahr 2000 schon fast ein halbes Jahr in den US-Kinos und hatte fast 75 Millionen Dollar eingespielt. Nach fünf Oscars legte der Verleih Dreamworks noch einmal mit Kopien für rund 1200 Kinos nach und nahm so knapp 55 Millionen Dollar zusätzlich ein.

      Kein Wunder also, dass viele nach dem immergültigen Geheimrezept für den Sieg suchen. Das scheint – trotz aller Theorien über Qualität und Strippenzieher – nicht so einfach zu finden.

      Spannung vor dem 26. Februar

      Wird am 26. Februar also der nostalgische Weltenflucht-Charme von „La La Land“ erfolgreicher sein als die Gesellschaftskritik von „Moonlight“? Welchen Platz gibt es für einen Publikumsliebling mit leichter, politischer Botschaft wie „Hidden Figures“ über die afroamerikanischen Frauen bei der Weltraumbehörde Nasa? Bringt in der Auslandskategorie eher ein international verständliches Thema wie bei „Toni Erdmann“ die Trophäe? Oder setzen die Oscar-Macher mit dem iranischen Film „Salesman“ doch ein Zeichen gegen Trump?

      Im Rückblick lassen sich viele Preise der jahrzehntelangen Oscar-Geschichte meist mit anderen Gründen erklären als mit der großen Weltpolitik. Auch wenn engagierte Reden für Schlagzeilen sorgten, so ändern sie an den Grundfesten des Business wenig.

      Vor der 89. Verleihung steht deshalb, wie früher, wohl hauptsächlich eines fest: Neben dem Umgarnen der Jury-Mitglieder braucht es ein irgendwie zeitgemäßes Thema und Top-Handwerk, am liebsten in Form eines Dramas mit einer Prise Gesellschaftskritik oder als große tragische Liebesstory. Wie diese Bestandteile der Erfolgsrezeptur dann genau gemischt sind, bleibt das ewige Rätsel der spannendsten Film-Show der Welt. (dpa)