Osterode. Ein Artikel über einen Osteroder Ex-Autohändler, der wegen Betrugs verurteilt wird, schlägt Wellen. Letztlich muss die Redaktion die Facebook-Kommentare abschalten.

Manch ein Bürgermeister mag das vielleicht nicht glauben, aber: Die meisten Redakteurinnen und Redakteure freuen sich, wenn am Ende alle Seiten zufrieden sind mit der Berichterstattung über ein Thema. Doch, wirklich. Wir ärgern nicht gerne absichtlich Menschen, indem wir über das schreiben, was sie lieber nicht im Lichte der Öffentlichkeit gesehen hätten. Oft gehört genau das aber zu unseren Aufgaben.

So kommt es aber auch vor, dass wir es mit manchen Themen nur allen Seiten unrecht machen können. Jüngst geschah das durch einen Artikel aus einem Göttinger Gerichtssaal. „Autohändler aus Osterode wegen Betrugs verurteilt“ lautete die Überschrift des Berichts, an dem rein rechtlich nichts auszusetzen war. Die Inhalte der Gerichtsverhandlung waren korrekt wiedergegeben, der Beklagte ausreichend anonymisiert, sodass keine Rückschlüsse auf seine Identität möglich waren. Doch genau das war das Problem.

Artikel über Osteroder Autohändler schlug Wellen

Der Artikel schlug Wellen. So meldeten sich noch am Tage der Veröffentlichung gleich mehrere Osteroder Autohändler beim Harz Kurier: Kundinnen und Kunden würden sie ansprechen, teilweise sogar Termine absagen. Ob man den betroffenen Autohändler nicht namentlich benennen könnte, damit nun nicht alle Osteroder Autohändler pauschal in Verdacht gerieten?

Der Wunsch ist verständlich: In einer Branche, die mit vielen Vorurteilen zu kämpfen hat, stehen andere schnell unter Generalverdacht. Die Nachfrage offenbart allerdings ein wachsendes Problem. Dass personenbezogene Daten vom Gesetz besonders geschützt sind und auch im Rahmen redaktioneller Berichterstattung ohne Einverständnis des oder der Betroffenen in der Regel nicht in die Öffentlichkeit gehören, ist vielen nicht mehr klar.

Die Regel hat aber einen guten Grund. Durch sie werden die Betroffenen geschützt vor moralischer Verurteilung, vor Mobbing und Hass und in extremeren Fällen sogar vor Bedrohung und Gewalt durch Selbstjustiz von Bürgerinnen und Bürgern. „Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen“, heißt es daher auch im Pressekodex, der ethischen Richtlinie, der sich Journalistinnen und Journalisten in aller Regel verpflichtet fühlen.

Entscheidung liegt im Ermessen von Richterinnen und Richtern

Wann dieses „Informationsinteresse der Öffentlichkeit“ gegeben ist, das muss mitunter von Fall zu Fall bewertet werden und liegt am Ende im Zweifel im Ermessen von Richterinnen und Richtern, nicht in dem von Facebook-Usern. Die sehen das natürlich häufig anders und so fragten sich auch die User des Harz Kurier in der Kommentarspalte unter dem zum Artikel führenden Posting prompt gegenseitig: Ja, welcher Autohändler war es denn nun?

Die Spekulationen kamen dort trotz Moderation durch die Redaktion, die deswegen sogar vom verurteilten Ex-Autohändler selbst kontaktiert wurde, so oft erneut auf, dass wir am Ende die Kommentar-Funktion ganz abschalten mussten. Eine Maßnahme, die wir im Sinne des freien Meinungsaustausches nur äußerst ungern ergreifen.