Bad Sachsa. Ehemaliger Schüler vererbt dem Gymnasium eine hohe Summe. Diese wird in neueste Digital-Technik und Geräte für Experimente investiert.

Einmal Kind im Spielzeugladen sein, einmal sich einfach alles aussuchen, ohne auf den Preis schauen zu müssen: Für Dr. Rainer Hattenhauer und Dr. Michael Köhring, beide Physiklehrer am Gymnasium Pädagogium in Bad Sachsa ist dieser Traum wahr geworden: Nur dass es kein Spielzeugladen war, sondern die Firma Phywe aus Göttingen, der Fachausstatter für wissenschaftliche Geräte, Experimente und Lösungssysteme für die schulische Ausbildung und wissenschaftliche Forschung, bei dem beide nach Herzenslust shoppen konnten. Das aber nicht zum Eigennutz: die Physikräume der Schule wurden komplett saniert und neu ausgestattet dank der großzügigen Spende aus dem Erbe von Ulrich Funk, dem erfolgreichen Apotheker in Hamburg, einem Weltenbummler – und zugleich dem „Pele vom VfB“: all dies der Mann, der zwischen 1960 und 1965 selbst Schüler am Gymnasium Pädagogium war, dort die Liebe seines Lebens – und die Liebe zu Bad Sachsa fand.

Neben Geld erhält die Schule auch eine Bibel aus dem Jahr 1535

Seiner ehemaligen Schule vermachte er nach seinem Tod ein Erbe, dass dort niemand erwartete – und das jetzt dafür sorgt, dass das Gymnasium im Bereich Physik vermutlich das Beste Lehrangebot im gesamten Landkreis Göttingen und wohl auch darüber hinaus anbieten kann. Und nicht nur das: das Erbe ist so groß, dass das Gymnasium einen Stipendienfonds einrichten kann. Auch seine umfangreiche Privatbibliothek hinterließ er dem Päda, darunter zwei ganz besondere Werke: eine Bibel aus dem Jahr 1734 bzw. 1535. Schulleiter Torsten Schwark wie auch Physiklehrer Dr. Rainer Hattenhauer können beim Besuch unserer Redaktion ihre Freude über das Erbe immer noch kaum in Worte fassen.

Mit seinem IPad kann der Lehrer alles steuern. 
Mit seinem IPad kann der Lehrer alles steuern.  © HK | Thorsten Berthold

Die besondere Verbundenheit von Spender Ulrich Funk startete wie gesagt in seiner Schulzeit zwischen den Jahren 1960 und 1965. In dieser Zeit lernte er auch seine spätere Ehefrau, die Bad Sachsaerin Susanne Funk-Bödecker kennen und lieben. Abseits der Schule machte der passionierte Fußballer dabei als Spielmacher auf der halb-linken Position im Mittelfeld des VfB Bad Sachsa von sich reden, wurde als „Pele des VfB“ weit über die Grenzen der Uffestadt hinaus bekannt. Nach dem Abitur ging es für ihn nach Hamburg, wo er als Apotheker, seine Frau, die im Jahr 2015 verstarb, als Grundschullehrerin, arbeiteten. Bad Sachsa blieb Funk aber stets verbunden, besuchte unter anderem bis ins hohe Alter hinein gern die Bälle seines ehemaligen Fußballclub.

Idee zur Umgestaltung für den Physikraum kommt zufällig

Dass das große Erbe, dass die Schule erhielt, und das im sechsstelligen Euro-Bereich liegt, in den Physikraum floss, war in gewisser Weise Zufall. Einmal pro Jahr unternimmt die Schulleitung mit den Vertretern des Trägervereins einen Rundgang durch alle Gebäude. „Wir schauen dann, wo etwas zu tun ist, wie wir unsere Wirtschaftspläne aufstellen“, verdeutlicht Torsten Schwark. Beim jüngsten Rundgang unternahm man eine kurze Pause im Physikraum. „Irgendwie kam dann vom ersten die Aussage, dass der Physikraum schon zu dessen Schulzeit so ausgesehen habe, ein andere erklärte, dass während seiner Zeit er eingeweiht wurde.“ Und da wurde es allen unisono deutlich: die Gelder gehen in den Physikraum.

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Die Sommerferien wurden dann genutzt beide Räume, also den für die richtigen Experimente und den kleinen Hörsaal mit der Beratung und dem Equipment der Firma Phywe auf das modernste auszustatten. „Das ist die Firma, die weltweit Kunden hat und gerade für Naturwissenschaften die besten Geräte“, verdeutlicht Torsten Schwark. Allerdings aufgrund der aktuellen Probleme mit Lieferschwierigkeiten ist noch nicht alles vor Ort, was man geordert hat.

Abitur kann jetzt theoretisch und praktisch in Bad Sachsa in Physik abgelegt werden

Das Arbeiten funktioniert dennoch bestens, wie Dr. Rainer Hattenhauer erklären kann. Froh ist er beispielsweise über die neuen Experimentierkästen, die es für Schüler und Lehrer gleichermaßen gebe. „Ein Versuch heißt ja so, weil derjenige der was lernen will, es versuchen soll – und nicht, dass vorne jemand ein Experiment vormacht“, beschreibt er pragmatisch. Der Erfolg dort schlägt sich dann auch später wieder: „Früher durften wir das Abitur in Physik nur theoretisch abnehmen.

Auch der Experimentierraum wurde neu gestaltet. 
Auch der Experimentierraum wurde neu gestaltet.  © HK | Thorsten Berthold

Dank des neuen Fachraums und dessen Ausstattung können unsere Schülerinnen und Schüler nun auch praktisch ihr Abitur im Bereich Physik bei uns in Bad Sachsa ablegen“, verdeutlicht Torsten Schwark. Das passt auch perfekt in das Anforderungspotential des Landes Niedersachsen, dass gerade die Förderung der naturwissenschaftlichen Fächer in den weiterführenden Schulen forciert.

Augmented Reality zeigt Experimente auf neue Art

Fachlehrer Dr. Rainer Hattenhauer, der zugleich einer der renommiertesten deutschen Fachbuch-Autoren im Bereich IT ist, freut sich aber auch vor allem über den Quantensprung an Digitalisierung, der dank des Erbes möglich war. So wirft der Beamer an der Decke an die Wand die Aufzeichnungen vom iPads des Lehrers, dessen Tafelbilder und Erläuterungen. In analogen Zeiten hätten die Schülerinnen und Schüler diese abschreiben müssen, jetzt genügt ein Knopfdruck und jede Datei ist auf den iPads der gesamten Klasse. „Alles, was ich mache, ist umgehend 1:1 im Internet und dann bei den Schülerinnen und Schülern, das ist einfach perfekt auch für mich im Unterricht.“

Und nicht nur das: dank Augmented Reality, also computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung, kann Rattenhauer innerhalb einer Minute auf seinem Tablet einen Quader zeichnen, der dann dank 3D-Umgebungscan auf dem Bildschirm mitten auf dem Labortisch zu sehen ist. Die Sinne werden beim Lernen also auf ganz anders angesprochen, wie es noch in der Vergangenheit möglich war.

Schüler haben mehr Zeit auf neuen Wegen zu lernen

Passend dazu wurde natürlich auch das WLan-Netz bereits vor dem Umbau des Physikraumes und vor dem Erhalt der Spende massiv aufgewertet. Und gerade hier sieht Dr. Hattenhauer insgesamt auch einen Vorteil, den vor allem staatliche Schulen nicht in dieser Form bieten können. „Wir sind schneller und flexibler, sei es bei dem, was wir nutzen, wie auch bei dem, wie wir unsere Probleme lösen.“ So habe es einmal ein Problem mit dem WLan gegeben und er setzte darüber einen IT-Techniker in Kenntnis, der noch während der Unterricht, schnell das Problem behob. „Es läuft wie gesagt alles etwas flexibler“, fasst der Physiklehrer zusammen.

Und auch die Schülerinnen und Schüler sehen die Vorteile: Das Mitschreiben hat sich deutlich reduziert, das macht es einfacher dem Unterricht zu folgen, bringt mehr Zeit für Experimente. Und all dies ist möglich dank der Spende von Ulrich Funk, der in fünf Jahren am Päda die Schule dermaßen in sein Herz schloss.

Vorbei die Zeiten von Stift und Block: auf dem iPad arbeiten sie Schülerinnen und Schüler des 12. Jahrgangs des Pädagogiums mit. 
Vorbei die Zeiten von Stift und Block: auf dem iPad arbeiten sie Schülerinnen und Schüler des 12. Jahrgangs des Pädagogiums mit.  © HK | Thorsten Berthold