London . Als „Wonder Woman“ brach Gal Gadot, ehemalige Miss Israel, alle Einspielrekorde. Ein Gespräch über Internet-Schelte und Doppelmoral.

Eigentlich sind Superhelden in Hollywood ein Männergeschäft. Und doch gelang es jetzt einer Frau, „Batman“ oder „Superman“ auszustechen: Die Comicverfilmung „Wonder Woman“ mit Gal Gadot (32) war mit 800 Millionen Dollar Einspielergebnis einer der erfolgreichsten Superheldenfilme aller Zeiten. Auch in ihrem neuen Film „Justice League“ (aktuell im Kino) stiehlt sie – wieder in der Rolle als Wonder Woman – den Kerlen die Schau.

Durchsetzen kann sie sich: Die Miss Israel von 2004 war in ihrer Militärzeit im Gazastreifen im Einsatz. Beim Interview in London gibt es keine Frage, bei der die zweifache Mutter und versierte Kung-Fu-Boxerin zögert.

„Wonder Woman“-Fans waren zunächst gar nicht begeistert von Ihnen.

Gal Gadot: Ja, und sie haben im Internet ihrem Unmut deutlich Luft gemacht. Man warf mir vor, ich hätte als „Wonder Woman“ einen viel zu kleinen Busen. Und überhaupt würde ich aussehen wie ein Wischmopp mit einem Kürbiskopf.

Wie steckt man so etwas weg?

Gadot: Man steckt es eben weg – und konzentriert sich auf das, worauf es wirklich ankommt. Man hat schon immer an meinem Aussehen herumgemäkelt, schon als ich noch als Model gearbeitet habe. Es gab Zeiten, da ging mir das schon unter die Haut. Aber irgendwann habe ich gelernt, diese blöden Sprüche einfach an mir abperlen zu lassen.

Wie schafft es ein Model aus Israel dann doch in die Herzen Hollywoods?

Gadot: Das war alles andere als leicht. Ich hatte zwar schon in Israel auch als Schauspielerin gearbeitet, aber als ich dann den Sprung nach Hollywood wagte, nahm mich anfangs kaum jemand zur Kenntnis. Erst als ich 2009 in einem Teil von „Fast & Furious“ mitspielen durfte, ging es langsam mit meiner Karriere bergauf. Aber mein erster richtiger Film – bei dem ich nicht nur die sexy Dekoration war – ist „Wonder Woman“. Mit diesem Film hatte ich dieses Jahr meinen großen Durchbruch.

Gut, dass Sie nicht vorher das Handtuch geworfen haben …

Gadot: Da war ich tatsächlich kurz davor. Denn trotz des relativen Erfolgs wurde ich beim Vorsprechen immer öfter abgelehnt. Irgendwann war ich von den vielen „Neins“ so frustriert, dass ich schon drauf und dran war, Los Angeles für immer zu verlassen und in meine Heimat Israel zurückzukehren. Dort ist mein Ehemann (der Unternehmer Yaron Versano; A.d.Red.) in Tel Aviv sehr erfolgreich als Geschäftsmann tätig. Jetzt pendle ich zwischen L.A. und Tel Aviv hin und her. Denn plötzlich bekam ich – zu meiner großen Überraschung – die „Wonder Woman“-Rolle. Und die hat mein Leben total verändert.

In Hollywood stehen gerade viele wichtige Männer wegen brutalen Machtmissbrauchs am Pranger. Wurden Sie als Filmschauspielerin auch sexuell bedrängt?

Gadot: Das ist eine sehr wichtige Frage. Und ich will Ihnen darauf ganz ehrlich antworten. Ich wurde – zu meinem großen Glück – nie eindeutig sexuell bedrängt oder gar körperlich missbraucht. Was ich allerdings erleiden musste, war eine subtile Art von Unterdrückung. (Sie zückt ihr Handy) Ich lese Ihnen jetzt mal etwas vor, das ich unlängst im Internet gefunden habe. Genau diese Art von Doppelmoral habe ich nämlich sehr, sehr oft in Hollywood am eigenen Leib erfahren müssen.

Also: „Ein Mann ist energisch – eine Frau ist aufdringlich. Ein Mann ist durchsetzungsfähig – eine Frau aggressiv. Ein Mann denkt strategisch – eine Frau ist manipulativ. Ein Mann zeigt Führungsstärke – eine Frau ist ein Kontroll-Freak. Ein Mann ist ein Perfektionist – eine Frau ist eine Nervensäge!“ Schrecklich unfair, oder?

Wie haben Sie sich in den entsprechenden Situationen verhalten?

Gadot: Ich war immer ausgesprochen nett und höflich. Aber damit ist jetzt Schluss! Denn so ein Verhalten ist falsch. Wir Frauen sollten uns jetzt sehr deutlich zur Wehr setzen und uns nichts mehr gefallen lassen! Ich finde es sehr wichtig, dass sich Menschen jetzt trauen, diese Missbräuche öffentlich zu machen.

Es gibt auch Männer, die keine Schweine sind …

Gadot: Aber natürlich. Gott sei Dank! Ich liebe Männer! Ich habe den besten Mann auf der Welt geheiratet. Und bin sehr glücklich mit ihm.