Salzburg. Opernstar Anna Netrebko und ihr Mann, der Tenor Yusif Eyvazov, treten zusammen auf. Im Interview sprechen sie über ihre Ehe.

Der plüschige, in Altrosa gehaltene Toscanini-Raum im Salzburger „Hotel Sacher“ ist voller Menschen. Kameras werden aufgebaut – und plötzlich sind alle weg. Übrig bleiben: Opernsängerin Anna Netrebko (45) und ihr Ehemann Yusif Eyvazov (40). Beide sind gut gelaunt, sie stürzt sich auf die süßen Leckereien. Die Russin trägt ein ausladendes Kleid, das sie auf der Couch drapiert. Er hat sein Hemd und seine Schuhe farblich exakt aufeinander abgestimmt. Der Divo und die Diva haben einander gefunden. Das Interview führte Sören Kittel.

Wenn Sie Ende August nach Deutschland kommen, werden Sie auf einer Freiluftbühne singen. Ist das besonders schwer?

Anna: Es ist auf jeden Fall schwerer, das ist kein Geheimnis. Es ist eine Herausforderung. Es kann windig sein. Es kann so viel passieren.

Yusif: Ein paar Mücken können in meinen Mund fliegen, zum Beispiel.

Das wollen wir nicht hoffen. Sie müssen versuchen, die Magie auf der Bühne zu erzeugen. Sie singen vor allem Liebeslieder.

Yusif: Wenn wir singen, dann vor allem sehr konzentriert auf das Lied und den Ausdruck. Nein, unsere Gefühle spielen da keine Rolle.

Anna: Natürlich sind es Liebeslieder, aber das Programm ist wirklich sehr anspruchsvoll. Diese Art der Lieder braucht aber keine schauspielerische Leistung von uns. Man muss nur sehr gut singen. Mit Leidenschaft und offenem Herzen – und das wird alles da sein.

Achten Sie aufeinander bei gemeinsamen Auftritten?

Anna: Die beste Art, auf uns gegenseitig zu achten, ist, uns unseren Raum zu geben. Besonders vor einem Auftritt. Er ist in seiner Ecke, ich in meiner, jeder bereitet sich vor.

Zusammenzuarbeiten ist eine Herausforderung für ein Paar.

Yusif: Wenn wir zusammenarbeiten und wir wären dann, wenn wir ins Schlafzimmer gehen, immer noch Opernstars, das würde nicht funktionieren. Auf der Bühne respektieren wir einander und folgen der Musik. Wichtig ist, dass wir uns nicht übertrumpfen müssen.

Anna: Kollegen können manchmal ganz schön versnobt werden. Das ist dann schwierig.

Sind auch Sie manchmal versnobt?

Anna: Also, ich kann schon ganz schön anstrengend sein, glaube ich. Aber das hängt dann oft mit der Situation zusammen. Ich verlange viel von mir, aber auch von anderen. Wenn eine Probe nicht gut vorbereitet ist, dann muss das sofort geändert werden oder ich bin … nicht mehr so nett.

Und dann verlassen Sie den Raum wie eine richtige Diva?

Anna: (lacht) Nein, das nicht, aber ich mache das Leben anderer zur Hölle, so viel ist klar.

Yusif: Dieser ganze Primadonna-Quatsch hat nichts außerhalb der Bühne verloren. Wenn man im Supermarkt die Diva spielt, dann wird das doch lächerlich.

Gibt es Rollen, von denen Sie etwas gelernt haben?

Anna: Nur in Sachen Technik. Mit der eigenen Persönlichkeit haben meine Rollen nichts zu tun.

Es hat also keinen Effekt auf Sie, wenn Sie auf der Bühne sterben?

Anna: (schaut zu Yusif) Honey, ich sterbe seit 25 Jahren auf der Bühne.

Yusif: Und es ist ein Unterschied, ob man als Gilda stirbt oder als Tosca. Es ist wichtig, davon nichts ins Leben aufzunehmen. Es ist ein großartiger Job, aber es bleibt ein Job.

Salzburg ist die Stadt, wo Ihre Karriere vor genau 15 Jahren begann.

Anna: Die Zeit rast. Hallo, ich brauche noch einmal 300 Jahre, bitte! Aber mein Leben ist jetzt mit 45 Jahren viel besser. Es fühlt sich leichter an als mit 30. Ich bin glücklicher! Und du, Yusif?

Yusif: Keine Ahnung, ich bin noch nicht 45. (Anna schlägt Yusif auf die Schulter.) Aber für Männer ist es sowieso etwas anderes. In meiner Heimat Aserbaidschan heiraten die Männer auch mit 50 noch und haben Kinder.

Janet Jackson wurde mit 50 Mutter.

Yusif und Anna: (lächeln stumm.)

Okay. Aber Ihr Terminkalender sieht nicht danach aus, als würden Sie beide kürzertreten.

Anna: Urlaub ist zumindest erst einmal keiner geplant. Wir müssen immer weitermachen. Ich bin schließlich jetzt in meinen goldenen Jahren. Jetzt muss ich liefern.

Hat Ihr langes Bühnenleben Narben an Ihrem Körper hinterlassen?

Anna: Ja, eine, hier am Auge. Aber sie kommt nicht von der Bühne. Da bin ich als Dreijährige vom Fahrrad gefallen. Aber du hast dieses Ding am Bein, oder?

Yusif: Ja, mein Bein war gebrochen. Aber das ist lange her.

Anna: Am Bein müsste ich auch mehrere haben. Ich bin ja so oft gestorben, das sagte ich Ihnen ja. Und dann fällt man und manchmal schlägt man sich da das Bein auf.

Sie verletzen sich auf der Bühne?

Anna: Ja, erst kürzlich bei der „Manon Lescaut“. Da hatte ich dieses wunderschöne, glitzernde Kleid. Bei jeder Vorstellung bin ich hingefallen und später hatte ich immer Blut an den Beinen. Aber das fühle ich nicht mehr. Das ist schon okay.

Wo nehmen Sie die Energie her?

Anna: (zeigt nach oben.)

Aus dem Himmel und der Hölle?

Anna: Nein, ich bin ja nicht gläubig. Ich bin Russin. Wir sind mehr oder weniger alle Atheisten.

Also beten Sie nicht vor der Show.

Anna: Nein, aber ich habe gestern nach der Vorstellung in den Himmel geschaut und ganz leise „Grazie, Giuseppe“ gesagt. Ich habe Verdi viel zu verdanken.