Göttingen. „Kazett und Kabarett“: Eckhard Radau und Bernd Düring erzählten die Geschichte des deutschsprachigen Kabaretts in den Jahren 1933 bis 1939.

Einen zweistündigen Streifzug durch die Geschichte des deutschen Kabaretts in der Nazizeit haben am Sonntag Eckhard Radau und Bernd Düring mit ihrem Programm „Kazett und Kabarett“ im Alten Rathaus geboten. Veranstalter war die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Göttingen (GCJZ), die anlässlich ihres 60-jährigen Bestehens die beiden Paderborner Kabarettisten eingeladen hatte.

Heiner J. Willen, Vorsitzender der GCJZ, erinnerte in seiner Begrüßung daran, wie lange auch noch in der Nachkriegszeit die Göttinger Gesellschaft von nazistischem Gedankengut geprägt war. Das habe sich aber zum Glück inzwischen entscheidend geändert.

Mächtige haben Angst vor Spott: Das zeigt die von Sänger Radau und seinem Klavierpartner Düring vorgestellte Geschichte des deutschen Kabaretts in der Nazizeit eindringlich. Sie begann mit Auftrittsverboten, mit Schließungen von Kabaretts und endete mit der Vernichtung von Künstlern, die sich nicht rechtzeitig ins Exil hatten retten können, in den Gaskammern von Auschwitz und anderswo.

Späße im KZ

Doch bedrückend war dieser Streifzug dennoch nicht. Das lag zum einen am Stoff, zum anderen an der Darstellung. Selbst im KZ machten Kabarettisten noch ihre Späße: „Früher hatten wir Angst, ins KZ zu kommen. Diese Angst haben wir heute nicht mehr.“ Und die heiter-lockere Art, mit der Radau aus dem Fundus seines penibel recherchierten Wissens über diese Epoche schöpfte, war ausgesprochen unterhaltsam.

2013 haben Radau und Düring dieses Programm entwickelt und sind seither damit unterwegs. Der Abend war dreigeteilt. Zunächst stellten Radau und Düring Künstler vor, die Deutschland verlassen hatten, um dem KZ zu entgehen. Im zweiten Teil kamen jene Kabarettisten zu Wort, die geblieben waren und sich dabei immer wieder in Gefahr begaben, verhaftet zu werden. Zum Schluss ging es um Kabarettauftritte in den Konzentrationslagern und um das Schicksal derer, die ums Leben kamen.

Zentrum in Berlin

Ein Zentrum der deutschen Kabarettszene war in den 1930er-Jahren die Hauptstadt Berlin. Dort residierte unter anderem das Kabarett der Komiker, kurz KadeKo, Werner Fincks „Katakombe“, in München Erika Manns „Pfeffermühle“. Im KadeKo sang Hellmuth Krüger das von Willi Kollo vertonte Chanson „Der Bücherkarren“: „Jetzt kommt die Karre aus dem Dreck: Wir werden umgemodelt! Wie sag ich’s meinen Lesern gleich: Wir kriegen jetzt das Dritte Reich!“, um wenig später im Refrain zu fragen „Wenn ich wüsste, was der Adolf mit uns vorhat … Wird der Kreuzberg ohne Haken bleiben? … Trifft ins Herz uns Adolfs Pfeil? Oder nur ins Gegenteil?“

Das trug Eckhard Radau ganz nonchalant vor, setzte präzise die Pointen und unterstrich den Text mit sparsamen mimischen und gestischen Mitteln.

Düring am Klavier hielt sich in Lautstärke und Vollgriffigkeit sehr zurück, sorgte aber mit viel musikalischem Gespür für Atmosphäre.

Angst hatten die Nationalsozialisten vor allem vor der Verächtlichmachung ihrer Führungspersönlichkeiten. So wurde Claire Waldoffs Chanson „Hermann heeßt er“ aus dem Jahre 1913 deshalb verboten, weil man es auf Hermann Göring hätte ummünzen können. Und Tucholskys Lied „Die Trommel“ mit der Refrainzeile „Vom Leibregiment, das sich nach König Gustav nennt“ war deshalb untersagt, weil der schwedische König mit vollem Namen Gustav Adolf heißt und man das Lied daher hätte auf Hitler beziehen können.

Aufklärerische Macht

Das waren selbstverständlich nicht die einzigen Gründe, weshalb Kabarettisten den Nazis verdächtig waren. Sie nahmen sehr wohl die Kritik wahr, den liberalen Geist, die aufklärerische Macht, die die vordergründig spaßigen Texte auf das Publikum ausübten. Nicht von ungefähr war in diesen Zeiten schon ein politischer Witz lebensgefährlich. Das machten Radau und Düring mit Texten und Chansons von Erich Kästner, Joachim Ringelnatz, Erika Mann, Weiß Ferdl, Peter Igelhoff, Werner Finck („Die unruhigen Zeiten sind vorbei, man kann wieder auf Jahrtausende hinaus disponieren“) und vielen, vielen anderen deutlich.

Und Kabarettisten, die ins KZ kamen, bewiesen dort ihr unglaubliches Durchhaltevermögen, ihren ungebrochenen Humor selbst im Angesicht des Todes. Selten erlebte man eine informative Lektion in deutscher Geschichte auf derart unterhaltsame Weise. Das Publikum im voll besetzten Alten Rathaus war begeistert. Es applaudierte lange und lautstark.