Göttingen. Der Göttinger Ex-Junkie Wolfgang Sosnowski engagiert sich seit Jahren in der Suchtprävention – jetzt hat er sein Buch „Toximan“ veröffentlicht.

Beim Yoga schaltet er ab. Besinnt sich auf sich, auf seinen Körper, der auch jetzt noch ständig unter Anspannung ist. „Das Blaulicht ist immer an“, sagt Wolfgang Sosnowski. Das Blaulicht ist Sosnowskis Metapher für sein Suchtgedächtnis. Der 53-Jährige hat rund zehn Jahre lang alles an Drogen in seinen Körper gepumpt, was es eben gab - mit etwa 14 Jahren scheinbar harmlos angefangen mit Alkohol und Gras, stieg er schnell auf LSD, Kokain und Heroin um.

Mittlerweile ist er seit 25 Jahren clean, arbeitet seit etwa fünf Jahren in der Suchtprävention - und hat ein Buch namens „Toximan“ über sein Leben als früherer Drogensüchtiger geschrieben. Doch sein Körper vergisst die Zeit als Junkie nicht. „Der Rausch löst Glücksgefühle aus, und das manifestiert sich bei Süchtigen“, sagt er. Es gebe Tabletten gegen Entzugserscheinungen, aber nicht gegen dieses Suchtgedächtnis, das sich bei nur einem Bier, bei einem gerauchten Joint an den Rausch erinnere. „Das wird natürlich weniger, je länger man clean ist. Aber nachdem ich mal ein oder zwei Bier getrunken habe, muss ich aufhören“, sagt Sosnowski.

Dem Mann, der gerade so entspannt in seinem Kapuzenpullover, mit den braunen, etwas längeren Haaren – ein paar graue Strähnen haben sich schon eingeschlichen – von seiner Drogengeschichte erzählt, sieht man diese Vergangenheit nicht an. Er hat Glück gehabt. Nicht nur einmal.

„Das war ein medizinisches Wunder“, sagt er über einen Autounfall, bei dem drei Menschen starben. Er überlebte, sein ebenfalls drogensüchtiger Freund am Steuer neben ihm nicht. Auch die Drogenkarriere der meisten anderen Freunde seiner damaligen Clique endete tödlich. Seine erste Liebe Andrea sei an einer Überdosis Heroin gestorben. „Wir sind damals Hand in Hand eingeschlafen und wieder aufgewacht“, erzählt er von ihrer gemeinsamen Zeit, von einer großen Verbundenheit trotz der Drogensucht beider.

Drogen lenkten von der zerrütteten Familie ab

Sowieso spricht Sosnowski – nicht nur in seinem Buch, sondern auch bei Projekten vor Schülern und Eltern – nicht nur über die negativen Folgen des Drogenkonsums. Er spricht auch über die anfänglichen schönen Momente, seine „schöne Kifferzeit“, als die Drogen ihn von seiner zerrütteten Familie, in der Alkohol und Gewalt auf der Tagesordnung standen, ablenkten. Dass genau dies die große Gefahr sei, dass Jugendliche aus Überforderung im Alltag beginnen würden, Drogen zu nehmen, versucht er klarzumachen. „Die Drogenwelt ist hart geworden“, sagt Sosnowski, der die heutigen Drogen – vor allem synthetische Modedrogen wie Flex – als extrem gefährlich einschätzt.

Sosnowski ist auch klar, dass er Glück gehabt hat. Der Ausstieg aus der Drogensucht gelingt den wenigsten. Er schaffte ihn durch einen Aufenthalt in einer forensischen Psychiatrie, weil er zuvor während einer Psychose mit „der Knarre in der Hand“ verschiedene Straftaten begangen hatte. Dass er anschließend seine Vision, Jugendliche von einer Drogenkarriere abzuhalten oder ihnen wieder herauszuhelfen, zur Realität machte, treibt ihn heute an. So hat der Vater eines 23-jährigen Sohnes 2012 bereits ein Theaterstück mit dem Namen „Toximan“ mitentwickelt, mit dem er unter anderem zu Präventionszwecken in Schulen auftritt und das von der Bundesregierung ausgezeichnet wurde. Entstanden sei diese Vision übrigens auf dem Höhepunkt seines Drogenkonsums. „Ich wusste, wenn ich das überlebe, will ich andere davor bewahren“, erzählt Sosnowski über sein 20-jähriges Ich.

Ganz unbeschadet hat er die Zeit als Junkie aber nicht überstanden: „Ich habe es an Aids und HIV trotz der ganzen Spritzen vorbeigeschafft, aber ich habe wiederkehrende Depressionen und ein Trauma“, erzählt er. Letzteres habe er lange in einer Therapie aufgearbeitet und fühle sich durch seine Vergangenheit immer weiter dazu angetrieben, junge Menschen vor diesem Leben zu bewahren.

„Mein Ziel ist das Wolfshaus“, sagt der Mann, der seit etwa 23 Jahren – mit Unterbrechung – in und um Göttingen lebt. Seine Drogenzeit verbrachte er vor allem in seiner Geburtsstadt Lauda. Das Wolfshaus solle eine Kriseninterventionsschlafstätte für junge Menschen sein, eine Anlaufstelle für Jugendliche, die von den Eltern rausgeschmissen wurden oder selbst von zu Hause abgehauen sind und drohen, in die Drogensucht abzudriften. „Ein niederschwelliges Angebot, wo man viel abfangen könnte“, so Sosnowski. Das müsse natürlich finanziert werden - und das kann Sosnowski, der von zwei Minijobs lebt, selbst nicht. „Ich arbeite acht Stunden die Woche als Gärtner und zwei Stunden die Woche putze ich in der Kita in Herberhausen“, sagt er. In Therapieeinrichtungen dürfe er trotz seiner Erfahrungen nicht arbeiten, weil er keinen Sozialarbeiterschein besitze. „Dem Rausch wird gehuldigt, aber der Drogenabhängige wird stigmatisiert“, sagt er. Das sei eben auch nach 25 Jahren Drogenfreiheit noch so.