Nordhausen. Nordhäuser Traditionsbetrieb Grimm & Triepel stellt Produktion in Witzenhausen ein. Ein neues Buch widmet sich der Industriegeschichte der Stadt.

Zweieinhalb Jahre arbeiteten Hans-Jürgen Grönke (70) und ein Team von Autoren an dem dicken Buch über die Nordhäuser Industriebetriebe. Am Mittwoch wird es im Museum Tabakspeicher vorgestellt. „Die reiche Industriegeschichte unserer Stadt darf nicht vergessen werden“, sagt der Herausgeber. Welch bittere Ironie, dass ausgerechnet in diesem Monat ein Industriezweig, der Nordhausen berühmt machte, endgültig stirbt. Zum 31. Dezember schließt die letzte deutsche Kautabakfabrik: Grimm & Triepel.

Nach dem Krieg über die Zonengrenze geflüchtet, führten die Inhaber Kruse die Tradition im hessischen Witzenhausen fort. Doch die alten Rezepte, heißt es von dort, kämen nicht mehr an. Die Leute, die noch kauten, setzten beispielsweise auf modernen Kautabak aus Skandinavien.

In Nordhausen bleiben mehrere große Industriekomplexe, von Kneiff und Grimm & Triepel, beide vor einigen Jahren mustergültig saniert. Heute befinden sich Arztpraxen und Wohnungen im sogenannten Grimmelhof. Und es bleibt Grönkes Forschung. Auf 50 Seiten hat er alles über den verschwundenen Industriezweig niedergeschrieben – von der Zeit, als Nordhausen das Zentrum der deutschen Kautabakindustrie war, über die Produktion zu DDR-Zeiten bis zum Ende. Es ist, wie das Buch eindrucksvoll zeigt, nicht der einzige Industriezweig, der abhanden kam. Bekannte Maschinenbauunternehmen verschwanden, beinahe auch die Kaliindustrie. Etliche trieben die Kommunisten nach dem Krieg in den Westen, wie den Brunnenbauer Angers Söhne. Einige Leuchttürme aber gibt es noch: Nordbrand Nordhausen, Nachfolger von einst 100 Brennereien in der Stadt, Schachtbau, Apparatebau.

Im IFA-Industriemuseum halten sie die Erinnerung an das Motorenwerk wach, auch an Orenstein & Koppel, den einst europaweit bekannten Lokomotivenhersteller. Und wer genau hinschaut, findet in manchem Unternehmen noch die Wurzeln einstiger Industriebetriebe. So wird noch immer das Speiseeis aus Nordhausen hergestellt, heute allerdings in Heichelheim.

Zu den Letzten, die in Nordhausen die Fahnen hochhalten, gehört das Unternehmen Schmidt, Kranz & Co. Es ging aus Maschinenbaubetrieben hervor. Der Besitzer floh 1945 vor den Sowjets, das Werk wurde enteignet. Nur 28 Kilometer entfernt, aber eben genau hinter der Grenze, begann Hans Karl Glinz von vorn. Erst nach der Wende 1990 erwarb Schmidt, Kranz & Co. das Stammwerk in Nordhausen zurück und nahm hier wieder Fahrt auf. Der Betrieb Maximator stellt bis heute Hochdrucktechnik, Hydraulikvorrichtungen und Prüftechnik her. Er gehört zu einem großen Konzern.