Braunschweig. Joris Suk entwirft Kostüme fürs Staatstheater. Warum die Arbeiten für „Herzog Blaubarts Burg“ so spektakulär sind. Samstag ist Premiere.

Sein Ideenreichtum geht bis an die Schmerzgrenze: Joris Suk entwirft Kostüme, die eine schauerliche Gänsehaut verursachen können. Für die betanzte Oper „Körperfestung / Herzog Blaubarts Burg“ am Staatstheater Braunschweig hat er Körperpartien von Tänzerinnen und Tänzern abgeformt, in Silikon gegossen und das dann mit allerlei Metall gespickt. Kruder Körperschmuck, der über gewöhnliches Piercing weit hinausgeht. Rücken, Brust und Genitalien dienen – wie bei Anziehpuppen aus Papier – den Tänzern als Kostüme, die Nacktheit vorgaukeln und sie zu geschundenen Kreaturen machen. Dabei verpasst Suk den Frauen für den Auftritt auch mal die männlichen Silikonabdrücke, den Männern die weiblichen. „Wir nehmen ihnen das Geschlecht weg, weil es nicht von Bedeutung ist.“

Suk ist 37, ein Niederländer. Er bürstet gern gegen den Strich, bricht Erwartungen, experimentiert mit Widersprüchen. Gemeinsam mit Tessa de Boer, seiner einstigen Kommilitonin an der renommierten Kunstschule in Arnheim, gründete er 2014 das „Maison the Faux“, ein Designstudio, das sich als Modehaus ausgibt. „Maison the Faux“, das Haus der Fälschungen, das die Modewelt raffiniert hinterfragt, das Hässlichkeit gegen Schönheit ausspielt und auch gerne mal verstörende Perspektiven aufzeigt, was Mode sein kann. „Maison the Faux“, was für ein Name?! „Ich gebe zu, der ist einer Menge Drinks geschuldet“, sagt er lachend.

In Braunschweig zu sehen: eine der Opern mit dem meisten Sexappeal

Béla Bartóks Oper „Herzog Blaubarts Burg“ ist für Suk „eine der Opern mit dem meisten Sexappeal“. Uraufführung der sagenhaften Geschichte war 1918. Das Werk gilt bis heute als einzigartig im Musiktheaterrepertoire. Es ist eine psychologische Erkundung des Seelenlebens von Herzog Blaubart und Judith. Dabei sieht die Struktur der Oper vor, dass in den Räumen der Burg nach und nach immer eine neue Tür geöffnet wird. Der Raum dahinter verrät die Abgründe des Herzogs.

Für die Tänzerinnen und Tänzer in „Herzog Blaubarts Burg“ angefertigt: Körperabdrücke aus Silikon mit allerlei Metall gespickt.
Für die Tänzerinnen und Tänzer in „Herzog Blaubarts Burg“ angefertigt: Körperabdrücke aus Silikon mit allerlei Metall gespickt. © FMN | Maison the Faux

Doch Joris Suk ist es leid, dass Judith meist als Opfer, Hure und Hexe dasteht. Ein Frauchen, das nur eine von Blaubarts Trophäen ist und das dem Folterknecht und Unterdrücker nichts entgegenzusetzen hat. In Braunschweig soll das nun ganz anders sein. Schon die Kostüme für Judith und Blaubart sollen Augenhöhe verdeutlichen: beide knallrot und geschlechtsneutral. Die Sache geht böse aus für Blaubart, diesen grausamen Kerl. „Ich mag es, Männer leiden zu sehen“, sagt Suk augenzwinkernd. Die 13 Tänzerinnen und Tänzer werden dessen böse Taten symbolisieren.

Am Ende dann werden die Verflossenen von der Decke baumeln. Bräute in überdimensionalen Hochzeitskleidern. „Diese Kostüme sind wie monumentale Skulpturen“, sagt Suk. Mit der Schere habe er den Fundus des Staatstheaters durchstöbert und sich zusammengeschnippelt, was er für diese „Frankenstein Kleider“ benötigte. Ein jedes etwa vier bis fünf Kilo schwer.

Mehr als nur ein Hochzeitskleid: Dieses Opernkostüm von Joris Suk wiegt zirka 4 bis 5 Kilo.
Mehr als nur ein Hochzeitskleid: Dieses Opernkostüm von Joris Suk wiegt zirka 4 bis 5 Kilo. © FMN | Maison the Faux

Den Regisseur der Oper, Guy Weizman, kennt Suk schon einige Jahre. Inzwischen haben sie viele Produktionen zusammen gemacht. „Das wird ein Gesamtkunstwerk“, betont der Designer. Gesang, Tanz, Bühnenbild, Kostüme, Licht: „Alle sind gleichrangig im Dialog.“ Die Aufführungen würden spektakulär, poetisch, orgiastisch, romantisch, verstörend und gruselig. Doch in all der Grausamkeit stecke auch viel Romantik und die Ästhetik des Fürchterlichen.

Maison the Faux ist international gefragt, war schon auf der legendären Fashion Week in New York. Auch Pop-Ikone Lady Gaga trug für Shows bereits Kreationen von Maison the Faux. Persönlich kennen gelernt hat er die Lady aber nicht. „Das lief alles über ihren Stylisten“. Suk ist der Starrummel reichlich egal, und er lacht, als er sagt: „Ist aber schon lustig: Wenn du einen Promi einkleidest, bist du wichtig.“

Lady Gaga: eingekleidet von „Maison the Faux“ für das Coachella-Musikfestival nahe Los Angeles im Jahr 2017.
Lady Gaga: eingekleidet von „Maison the Faux“ für das Coachella-Musikfestival nahe Los Angeles im Jahr 2017. © FMN | Maison the Faux

Er selbst trägt an diesem Nachmittag ein flippiges ärmelloses Shirt, das aussieht, als sei es aus einer historischen Modezeitung genäht. Selbst kreiert? „Nein“, wehrt er gelassen ab. „Ich entwerfe nichts für mich selbst. Da wahre ich Distanz.“

Premiere von „Körperfestung / Herzog Blaubarts Burg“ ist am Samstag, 4. Mai, um 19.30 Uhr im Großen Haus des Staatstheaters. Weitere Vorstellungen am 11./18./23./26./29./31. Mai. Musikalische Leitung: Mino Marani. Regie: Guy Weizman. Choreografie: Roni Haver. Bühne: Ascon de Nijs. Herzog Blaubart: Michael Mrosek. Judith: Charlotte Hellekant.

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