Braunschweig. Die Stadt, Förderer und freie Gruppen suchen fieberhaft nach Lösungen. Gute Nachricht: Das Theaterpädagogische Zentrum kann weitermachen.

Die Nachricht vom endgültigen Aus für die insolvente Freie Spielstätten Braunschweig gGmbH (FSB) und den ebenfalls insolventen Verein LOT-Theater hat für Bestürzung unter den Mitarbeitenden, aber auch in der freien Theaterszene der Stadt und bei Veranstaltern gesorgt, die Aufführungen in den Spielstätten Kaffeetwete und Quartier St. Leonhard geplant hatten und planen.

Immerhin gibt es auch hoffnungsvolle Botschaften: „Der Verein Theaterpädagogisches Zentrum ist nicht insolvent und stellt sich den Herausforderungen. Wir arbeiten intensiv an Übergangslösungen in der schwierigen Lage und sind in guten Gesprächen“, versichert die geschäftsführende Vorsitzende Kathrin Simshäuser. Konkret gehe es dabei zunächst um die vier Theater- und Tanzclubs des TPZ, die in den Räumlichkeiten proben, die die FSB im Quartier St. Leonhard angemietet hatte, und die dort und in der Kaffeetwete im Mai die Ergebnisse ihrer Arbeit präsentieren wollten.

Inklusive Theaterclubs und mehr: Was das TPZ leistet

In einem der Theaterclubs proben Kinder und Jugendliche mit und ohne Beeinträchtigungen zusammen. „Die Arbeit, die seit Jahren in diesem Club geleistet wird, ist unfassbar wichtig für das inklusive Leben in der Stadt“, schreibt Claudia Kastens unserer Redaktion. Ihren beiden Kindern, eines ohne, eines mit Beeinträchtigungen, sei der Club sehr wichtig. „Kindern mit Behinderungen wird dort auf Augenhöhe begegnet. Sie können sich gemeinsam mit anderen jungen Menschen ausprobieren und am Ende einer langen Probezeit ihr Werk auf die Bühne bringen.“ Solche wirklich inklusiven Angebote gebe es nur wenige in der Stadt. Im Quartier St. Leonhard habe man endlich auch geeignete barrierefreie Räume gefunden.

Die allerdings gehören zu den 1200 Quadratmetern, die die FSB gGmbH dort angemietet und deren Nutzung sie ihren Gesellschaftern in Rechnung gestellt hatte (der Verein LOT ist zu 80 Prozent und das TPZ e.V. zu 20 Prozent an den FSB beteiligt). Aufgrund der Insolvenz und Mietrückständen der FSB gegenüber dem Vermieter Borek Immobilien rechnet TPZ-Geschäftsführerin Kathrin Simshäuser damit, die Räume bald nicht mehr nutzen zu können und sucht nach Alternativen zunächst für die geplanten Aufführungen. „Wir sind unfassbar dankbar, dass etwa die Theater Kult und Fadenschein sich sehr entgegenkommend zeigen.“ Auch mit der Evangelischen Stiftung Neuerkerode liefen Gespräche, ob sich vielleicht doch noch eine Lösung für das TPZ im Quartier St. Leonhard findet. Die ESN hat das inklusive Stadtquartier gemeinsam mit der Richard Borek Stiftung und dem CJD entwickelt.

Kathrin Simshäuser leitet das Theaterprädagogische Zentrum Braunschweig.
Kathrin Simshäuser leitet das Theaterprädagogische Zentrum Braunschweig. © Bernward Comes | Bernward Comes / Braunschweiger Zeitung

Die Insolvenz der FSB stelle das TPZ vor enorme Herausforderungen, aber man könne auch deshalb weitermachen, weil ein Großteil der Arbeit extern, an Schulen in der gesamten Region stattfinde, erklärt Simshäuser. Das TPZ organisiere mit vier teilzeitbeschäftigten Mitarbeitenden etwa Arbeitsgemeinschaften an Schulen, bei denen freischaffende Theater- und Tanzpädagoginnen und -pädagogen mit Jugendlichen Projekte erarbeiteten. Simshäuser nennt beispielhaft etwa die Praxisklasse der Braunschweiger Hauptschule Sophienstraße, mit deren Schülerinnen und Schülern an Stücken, aber auch an Haltung, Präsenz und Selbstbewusstsein gearbeitet werde. Das TPZ übernehme auch das Abwickeln von Förderanträgen an Dritte für diese Projekte. „An den Schulen fehlt das Geld dafür.“

Wie die Stadt Braunschweig nach Lösungen für die freie Theaterszene sucht

Die Stadt Braunschweig hat das TPZ bislang mit jährlich rund 80.000 Euro gefördert, den Verein LOT-Theater mit 224.000 Euro. Die FSB gGmbH habe nie Zahlungen der Stadt erhalten, betont Kulturdezernentin Dr. Anja Hesse. Die Zahlungen an die Vereine TPZ und LOT erfolgten in Tranchen. An das LOT sei die erste Tranche in Höhe von 80.000 Euro im ersten Quartal 2024 ausgezahlt worden. „Vor dem Hintergrund der zunächst drohenden und jetzt nicht mehr abwendbaren Insolvenz und der damit verbundenen Gefahr, dass Steuergelder in der Insolvenzmasse aufgehen, hat die Stadt keine weiteren öffentlichen Gelder zahlen können“, wirbt Hesse um Verständnis.

Ihr Hauptanliegen sei derzeit, kurzfristig Spielstätten zu finden, die für die Freien Gruppen verfügbar gemacht werden können. Sie prüfe verschiedene Optionen, so Hesse, auch, ob zunächst Aulen der Schulen in Betracht kämen, um die erste Not zu lindern - oder ob gegebenenfalls Teile der Räumlichkeiten im Quartier St. Leonhard oder der Kaffeetwete angemietet werden könnten. Problematisch sei der Betrieb. „Selbst wenn ein anderer Verein parat stünde und die bisherigen Aufgaben der FSB gGmbH, also Vermietung und Technik-Support für die Theatergruppen übernehmen würde, besteht die Gefahr, dass das ein unüberschaubares juristisches Nachspiel für den neuen Betreiber hat. Denn das gesamte gekündigte Personal der FSB hätte bei einem sogenannten Betriebsübergang das Recht, bei dem neuen Betreiber angestellt zu werden“, erläutert Hesse. Das Risiko sei zu groß, auch für die Stadt selbst. Sie suche intensiv, auch mit anderen Förderern, nach Lösungen. Details könne sie noch nicht nennen.

Braunschweigs Kulturdezernentin Dr. Anja Hesse setzt sich für Lösungen für die freie Theaterszene ein, warnt aber vor unbedachten Entscheidungen.
Foto: Darius Simka/regios24
Braunschweigs Kulturdezernentin Dr. Anja Hesse setzt sich für Lösungen für die freie Theaterszene ein, warnt aber vor unbedachten Entscheidungen. Foto: Darius Simka/regios24 © regios24 | Darius Simka

Dachverband Freie Darstellende Künste Braunschweig schaltet sich ein

Auch der Dachverband Freie Darstellende Künste Braunschweig will sich in diesen Prozess einbringen. „Wir möchten bekräftigen, dass es unbedingt notwendig ist, das Haus in der Kaffeetwete als Spielort für die freie Theater- und Tanzszene zu erhalten“, schreibt der Vorstand, dem etwa Tania Klinger vom Theater Feuer und Flamme und Christian Weiß vom Recherchetheater xweiss angehören. Der Verlust der freien Spielstätten durch die Insolvenz von FSB und LOT-Theater „gefährdet die Existenz aller freiberuflichen Theater- und Tanzschaffenden, die in dieser Stadt arbeiten“.

Der Dachverband wolle gerne daran mitwirken, „ein neues und tragfähiges Spielstättenkonzept für das Haus in der Kaffeetwete zu entwickeln“, um in enger Abstimmung mit der freien Szene einen Vorschlag für ein Trägerkonzept mit Geschäftsführung und künstlerischer Leitung zu machen. „Wir sind bereit, das Haus mit neuem Leben zu füllen, als Produktionshaus, als Ort für die professionellen Braunschweiger Gruppen und als Gastspielhaus in Niedersachsen.“

Nach der Insolvenz: Was die Mitarbeitenden von LOT und FSB gGmbH sagen

In einer Stellungnahme melden sich auch die rund 30 Mitarbeitenden von FSB und LOT zu Wort, die durch die Insolvenz ihren Arbeitsplatz verloren haben. Abgesehen von der persönlichen Betroffenheit sei die Entwicklung auf mehreren Ebenen katastrophal. Sie bedeute den Verlust eines der wichtigsten Spielorte für freies Theater in Niedersachsen. Das LOT-Theater sei aber auch ein wesentlicher Bestandteil der Ausbildung von Studierenden unter anderem des Darstellenden Spiels an der HBK gewesen. „Für sie war das LOT-Theater Experimentierfläche für die ersten Schritte ihrer beruflichen Laufbahn.“ Den Mitarbeitenden hätten der Ort und seine demokratiefördernden Inhalte bis zuletzt sehr am Herzen gelegen.

Seitens der Führung von LOT und FSB seien Fehler gemacht und Vertrauen verspielt worden. Die Mitarbeitenden hätten nur sehr eingeschränkte Einblicke in die Vorgänge gehabt. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten hätten sie auf problematische Entwicklungen hingewiesen. „Bedauerlicherweise haben diese Bemühungen nicht ausreichend Gehör gefunden und konnten die Schließung des Theaters nicht verhindern.“