Braunschweig. Werke des Braunschweiger Anton-Ulrich-Museums zeigen in Frankfurter Holbein-Schau die Experimentierfreude zu Beginn der Renaissance.

Schwerter zu Pflugscharen fordert die Bibel. In der Renaissance wurden Waffenmacher zu Vorreitern der künstlerischen Avantgarde. So der Augsburger Brustpanzerschmied Daniel Hopfer, ein sogenannter Plattner. Damals wurden auch Rüstungen durchaus verziert, vermittels Ätzzeichnungen, also Mustern, Worten und sogar bildlichen Darstellungen, die mit Säure in das Eisen geätzt wurden.

Irgendwann kam Hopfer auf die Idee, auch ebene Eisenplatten so zu behandeln, sie dann mit Farbe zu überschmieren und so weit abzureiben, dass beim Abdruck auf ein Papier die vorher freigeätzten Konturen farbig sichtbar wurden. Eisenradierung nennt man das damals neue Verfahren, für das das Braunschweiger Herzog-Anton-Ulrich-Museum ein vorzügliches Beispiel besitzt. Hopfers Blatt zu den biblischen Sprüchen Salomos von 1534 findet sich deshalb zurzeit auch in der großen Ausstellung „Holbein und die Renaissance im Norden“, die sich eben diesem künstlerischen Aufbruch durch Experiment und Innovation widmet.

Mit der Nadel in Säureschicht geritzt

„Hopfers Werk ist die erste Eisenradierung, die uns überliefert ist. Die großen Renaissance-Künstler probierten sich sofort auch darin, denn im Gegensatz zum bis dahin üblichen Kupferstich oder Holzschnitt musste man nicht tief graben, sondern konnte mit feiner Nadel in der dünnen Säureschicht auf der Platte kratzen wie mit einem Zeichenstift“, erläutert Dr. Thomas Döring, der Leiter des Braunschweiger Kupferstichkabinetts. Albrecht Dürer, Albrecht Altdorfer und Hans Burgkmair hätten die Technik sogleich übernommen. Schon bald aber wurde eine Säure gefunden, mit der man dasselbe auf Kupferplatten machen konnte, und das habe sich dann durchgesetzt. „Die Eisenplatten korrodierten ziemlich schnell. Die Oberfläche wurde rau, fing Farbe, wo man sie nicht haben wollte, und sorgte so hier und da für Schatten oder Schlieren, das ist auch auf unserer Radierung zu sehen.“

Hans Burgkmair: „Papst Julius II.“, Holzschnitt von 1511 aus dem  Braunschweiger Herzog-Anton-Ulrich-Museum.
Hans Burgkmair: „Papst Julius II.“, Holzschnitt von 1511 aus dem Braunschweiger Herzog-Anton-Ulrich-Museum. © HAUM | HAUM

Hopfers Blatt illustriert eine Moral, die im Augsburg der katholischen Fugger ebenso gern gesehen worden sein dürfte wie bei den Protestanten, denen er sich anschloss. Furchtsam nach oben blickend mit eingeknickten Knien nimmt der Elende Salomos Wort hin: „Lässige Hand macht arm, aber der Fleißigen Hand macht reich.“ Ihm gegenüber steht extrem breitbeinig der Erfolgreiche und zählt sein Geld.

Experimente der Renaissance-Künstler

Das Anton-Ulrich-Museum hat noch drei weitere Grafiken nach Frankfurt geschickt, die je wieder andere Techniken zeigen. Bei Burgkmairs Holzschnitt von Papst Julius II. von 1511 schätzt er die Plastizität. „Es ist ein sogenannter Clair-Obscur-Holzschnitt. Man konnte neben dem ersten Abzug, der mit schwarzer Farbe alle Konturen und Strukturen umriss, noch bis zu drei weitere Strichplatten mit hellen oder beigen Tonierungen machen.“ Das runde Papstbildnis erinnere an eine Medaille, hebe sich aber hell vom dunklen Untergrund ab, was das Konterfei schon mal besser erkennen lasse als auf Münzen, so Döring. Nun aber komme die Braunschweiger Besonderheit, die andere Abzüge der Platte nicht haben: „Ihm wurde mit einer zusätzlichen Tonierplatte eine beige Tönung gegeben, das verleiht ihm eine warme, würdevolle Ausstrahlung und erhöht die Plastizität nochmal. Die Stirnlocke scheint ja geradezu aus dem Bild herauszuragen“, schwärmt Döring.

Mit Hans Holbeins des Jüngeren „Darmstädter Madonna“ von 1526 bekannte sich der Basler Bürgermeister Jakob Meyer zum Hasen zum alten katholischen Glauben, während die Stadt protestantisch wurde. Sie gehört zur Privatsammlung Würth und ist zurzeit in der Sonderausstellung „Holbein und die Renaissance im Norden“ im Frankfurter Städel-Museum zu sehen.
Mit Hans Holbeins des Jüngeren „Darmstädter Madonna“ von 1526 bekannte sich der Basler Bürgermeister Jakob Meyer zum Hasen zum alten katholischen Glauben, während die Stadt protestantisch wurde. Sie gehört zur Privatsammlung Würth und ist zurzeit in der Sonderausstellung „Holbein und die Renaissance im Norden“ im Frankfurter Städel-Museum zu sehen. © epd | Tim Wegner

Beim Bildnis des Humanisten Johannes Paungartner, das ebenfalls nach Frankfurt ging, habe Burgkmair die Technik noch malerischer gefasst. „Die Grundplatte enthält zwar alles, was schwarz sein soll, aber umfasst nicht mehr alle Konturen, das Bild ergibt sich erst, wenn man auch alle Tonierplatten gedruckt hat.“ Als Viertes ist noch eine Federzeichnung aus Braunschweig in Frankfurt zu sehen, in der Burgkmair ein Werk Hans Holbeins des Älteren kopiert. Es zeugt davon, wie die

damals voneinander lernten und Neues ausprobierten.

Einflüsse aus den Niederlanden und Italien

Holbein Senior war dabei eher von den Niederländern geprägt, während es Burgkmair bis Italien zog, woher er Haltungen und architektonisches Setting mitbrachte. Madonna unterm antiken Bogen statt Rosenhag. Auch in Augsburg entdeckte man Bildwerke der römischen Vergangenheit, Christus steht nun im antiken Kontrapost.

Zum Star des neuen Stils wird Hans Holbein der Jüngere, dessen herrliche Darmstädter Madonna aus der privaten Würth-Sammlung wieder nach Frankfurt gereist ist. Der Basler Ex-Bürgermeister Meyer zum Hasen bekennt sich mit dem Marienbild demonstrativ zum alten Glauben, während die Stadt protestantisch wird. Auch Holbein wird evangelisch und malt trotz Bildersturms für den Basler Rat. Später wird er Hofmaler Heinrichs VIII. Statt des englischen Königs ist in Frankfurt ein zauberhafter Jüngling aus Cornwall zu sehen. Renaissance-Porträtkunst vom Feinsten.

Bis 18. Februar, Di.-So. 10-18, Do. bis 21 Uhr im Städel-Museum Frankfurt/Main.