Wolfsburg. Der Deutschpop-Star gibt ein gut aufgelegtes, mehr als zweistündiges Konzert in der Autostadt. Der 41-Jährige hat einiges zu erzählen.

Der Mann vibriert förmlich vor guter Laune, ein Emotions-Vulkan, er quillt über vor positiver Energie, will am liebsten das ganze Publikum umarmen. „So schön“ singt er, einen netten Deutsch-Pop-Song, damals vielleicht für Ina Müller geschrieben, seine langjährige Partnerin, seit kurzem sind sie getrennt. „Du hast viel gelacht / Zumindest sagen die schönen Falten das / Und es ist so schön / Dass jede Zeit, jeder Fehler / Jeder Sturz dir überhaupt nichts ausmacht.“

Das ist apart und groovt zu stimmungshebenden Dur-Harmonien entspannt im Wolfsburger Sommerabendsonnenschein. Und natürlich sollen alle das „So schön!“ mitsingen. Machen viele der 8000 ZuschauerInnenFreitagabend in der Autostadt auch.

Johannes Oerding will Ehen stiften

Zuvor hatte Johannes Oerding alle aufgefordert, mal die Nachbarin oder den Hintersteher zu begrüßen, per Handschlag oder auch Küsschen. Und seinem Partner zu sagen: „Du bist so schön“, „einfach so, auch wenn es gelogen ist“. Das sei Brauchtum bei seinen Konzerten (wie schön, dass das wieder problemlos geht und man kaum noch im Sinn hat, dass es vor zwei Jahren noch undenkbar gewesen wäre). Falls aus diesen flüchtigen Begegnungen eine Ehe hervorgehen sollte, „singe ich auf der Hochzeit“, verspricht der 41-jährige Charmebolzen ins Mikro (melden Sie sich im Ernstfall bitte auch bei der Zeitung Ihres Vertrauens).

Oerding, rotblond gelockt, 28-Tage-Bart, Hut, hat sich über 15 Jahre in den Olymp der Deutschpop-Szene gesungen, mit sieben Alben voller selbstgeschriebener Songs, manche pathetisch, manche augenzwinkernd, ein paar Hits. Er punktet auch mit seiner telegenen Persönlichkeit, als charmanter, offener, eloquenter Moderator von Erfolgsshows wie „Sing meinen Song“.

Oerding ist auch ein fähiger Gitarrist.
Oerding ist auch ein fähiger Gitarrist. © regios24 | Helge Landmann

„An guten Tagen“ auf dem grünen Hügel

Im Wolfsburger Land hat sich das auch rumgesprochen, das Freigelände der Autostadt wirkt fast noch dichter gefüllt als sonst beim Sommerfestival. Mittenhinein zwängt sich der Künstler. Ob das vertraglich vereinbart ist mit dem Veranstalter? Irgendwie scheinen fast alle der deutschen Stars, die auf der Lagunenbühne auftreten, durch ausschweifende Kinderfreundlichkeit und Selfie-Posiererei und Händeschüttelei ihre Publikumsnähe unter Beweis stellen zu müssen. Das Bad in der Menge wird für die Menge natürlich auf Riesenleinwände rechts und links der Bühne übertragen.

Johannes schafft es bis auf den grünen Hügel von der Bühne aus 150 dichtbemenschte Meter rechts. Da hockt er sich neben Steffi, und die soll sich jetzt mal einen Song wünschen. Steffi fällt keiner ein. Kann passieren, auf dem Sommerfestival-Supersparpreis-Ticket surfen nicht nur eingefleischte Oerding-Fans. Kein Problem, von hinten erbittet jemand „An guten Tagen“. Und Johannes singt es, zur Akustikgitarre, die ihm ein Roadie reicht.

Voller Einsatz: Johannes Oerding.
Voller Einsatz: Johannes Oerding. © regios24 | Helge Landmann

Oerding: Habe das Keyboard von Modern Talking ersteigert

Das Konzert, das mit Songs wie „Kreise“, „Was wäre wenn“ und einer funky Version von „Alkohol“ stark und abwechslungsreich startet, hängt in der Mitte etwas durch. Für die Menschen, die ihn noch nicht so gut kennen, spielt er einen etwas ausgiebigen Durchlauf durch gekürzte Titel seiner ersten sechs Alben. Dann stimmt er Songs wie „100 Leben“ an, die in ihrem „Wir haben viel erlebt / Ne Geschichte, die uns ewig bleibt“-Pathos stark an Revolverheld oder Andreas Bourani oder Max Giesinger gemahnen.

Die Stories, die Oerding zu seinen Songs erzählt, sind herrlich. Etwa die von Lisa Drewes (Mädchenname), die er in der Oberstufe angebetet, die seine Liebe aber nicht erwidert habe. Er habe dann noch auf ihrer Hochzeit singen müssen. Sie ehelichte seinen besten Freund! Lustig auch, wie er seinem Keyboarder Kai Lindner, weil der gerade Vater geworden sei, ein Schultergurt-Keyboard übereignet. Angeblich „bei einer Auktion ersteigert. Dieter Bohlen hat es in den 80ern bei Modern Talking gespielt. Chery, Chery Lady. Eines der hässlichsten Instrumente überhaupt“. Das ist wirklich lustig. Und Lindner spielt ein virtuoses Solo darauf.

Starkes Finale mit „Alles brennt“

Gegen Ende nimmt die Show, nun in der aufziehenden Dunkelheit wirkungsvoll im Scheinwerferlicht, wieder an Fahrt auf. „Diese Stadt“, „Wenn Du Lebst“, „Alles brennt“ kommen noch mal ziemlich groß daher, stark gespielt von Oerdings nur vierköpfiger, fähiger, gut eingespielter Band. Nach gut zwei Stunden gibt der Mann des Abends, ob des anhaltenden Jubels durchaus angetan, noch einige Zugaben allein zur Akustikgitarre, „Für Immer Ab Jetzt“ und ganz zuletzt noch „Wicked Game“ von Chris Isaak.

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