Berlin. Bei „Anne Will“ zeigte sich: Ganz gleich was mit Jamaika geschieht, sie ist beschädigt. Würde Sahra Wagenknecht den Ausputzer spielen?

Talkshow-Redaktionen haben es dieser Tage nicht leicht. Nachdem schon Maybrit Illner am Donnerstag mit einer verstrichenen Deadline bei den Jamaika-Sondierungen umgehen musste, traf es am Sonntagabend auch Anne Will: Vor dem Hintergrund einer unklaren Situation bei den Verhandlungen wollte eine Talkrunde bestritten werden.

Dabei war die Sache eigentlich eindeutig: Um 18 Uhr sollte feststehen, ob die Regierungskoalition aus Union, FDP und Grünen zustande kommt. Stattdessen wurde erneut weiterverhandelt – und bei Anne Will stand bis zum Schluss nicht fest, wer denn als Gast auftreten würde.

„Angela Merkel hat versagt“

Das tat der Güte der Diskussion aber keinen Abbruch. Der Journalist Hans-Ulrich Jörges etwa arbeitete heraus, dass Angela Merkel schon jetzt durch den Verlauf der Sondierungen beschädigt ist. Die Kanzlerin verpasst, den Gesprächen eine übergeordnete, einende Idee zu verpassen, „ sagte der Stern-Kolumnist. Diese sei auch vier Wochen nach Verhandlungsbeginn unklar. „Da hat Merkel versagt, es fehlt ihr an Führungskraft.“

Jamaika-Sondierung steht Sonntagabend weiter Spitz auf Knopf

weitere Videos

    Christiane Hoffmann sah das ganz ähnlich. „Merkels Methode kommt hier an die Grenze“, sagte die Spiegel-Redakteurin. Allerdings sei die Kanzlerin wegen des schlechten Wahlergebnisses auch geschwächt in die Verhandlungen gegangen. Ihre Autorität habe zudem darunter gelitten, dass das Ende ihrer Kanzlerschaft absehbar sei.

    Da ein CDU-Vertreter in der Runde fehlte, wurde die so analysierte Kanzlerin von einem Grünen verteidigt. „Frau Merkel ist eine ausgesprochen erfahrene Verhandlerin, so ist sie auch aufgetreten“, sagte Konstantin von Notz. Sie habe keine Linie vorgegeben, weil das gar nicht funktioniert hätte. „Das hätte ich bei Herrn Lindner gerne gesehen, wie der da hinterher schwimmt“, befand von Notz.

    Die Krux mit dem Familiennachzug

    Abseits davon wiederholte der Grüne gemeinsam mit Johannes Vogel (FDP) und Stephan Mayer das Geplänkel aus den Sondierungen. Mayer etwa wurde nicht müde zu erwähnen, dass die CSU die Zuwanderung begrenzen und daher den Familiennachzug aussetzen wolle. Das kritisierte wiederum von Notz, während Vogel sich eher allgemeiner äußerte, obwohl die FDP in den Sondierungen durch eine Unterstützung der CSU eine Einigung in dieser Frage erschwert hatte.

    In der Runde sorgte das unveränderte Hickhack für Unverständnis. „Wollen Sie ernsthaft die Regierung wegen 70.000 Menschen im Familiennachzug platzen lassen?!“, fragte Anne Will ungläubig CSU-Politiker Mayer. „Die AfD wird nicht wegen des Familiennachzugs wachsen, sondern wenn diese Koalition scheitert“, appellierte Journalistin Hoffmann.

    Sahra Wagenknecht als Kanzlerin?

    Von Notz versuchte schließlich, die Gemüter zu beruhigen: „Noch ist keine Zeit für Abgesänge, wir reden ja noch“, sagte der Grüne. Allerdings warnte auch er vor Neuwahlen, allein schon aus verfassungstechnischen Gründen. Da eine Selbstauflösung des Bundestages nicht vorgesehen ist, müsste sich wohl ein Kandidat drei Mal zur Kanzlerwahl stellen – und dann scheitern. „Vielleicht kandidieren Sie ja“, sprach der Grüne mit einem Augenzwinkern Sahra Wagenknecht an.

    Die Fraktionschefin der Linken lehnte dankend ab. „Ich mache nicht den Ausputzer für Merkel“, sagte Wagenknecht. Zugleich zeigte sie sich erstaunlich offen für ein rot-rot-grünes Bündnis. Die SPD solle im Falle von Neuwahlen mit einem Bekenntnis zu einer solchen Option antreten, forderte Wagenknecht. „Ich wünsche mir, dass dieses Land eine soziale Regierung kriegt.“

    Empfohlener externer Inhalt
    An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
    Externer Inhalt
    Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

    Das Fazit:

    Am Ende machte diese Ausgabe von „Anne Will“ deutlich, dass es mittlerweile keine guten Optionen mehr gibt. Ein Jamaika-Bündnis wäre von vornherein auf Zeit ausgelegt und müsste ohne großes Vertrauen zwischen den Partnern und mit einer geschwächten Kanzlerin auskommen. Eine Minderheitenregierung wäre noch instabiler.

    Doch auch Neuwahlen sind ein unkalkulierbares Spiel. Zwar bewegten sich die Umfragen zuletzt kaum, doch dürften CDU, CSU und SPD mit neuem Personal antreten. „In diesem Fall müsste man den Leuten ganz klar sagen: Wer eine stabile Regierung will, darf nicht AfD wählen“, sagte Jörges.