Berlin. Sat.1 widmete sich bei „akte 20.17“ dem Antisemitismus – und schickte dafür den Moderator Claus Strunz los. Er scheiterte kläglich.

Ein Mann mit einer Kippa auf dem Kopf geht durch Berlin. Der Mann ist kein Jude, sondern Claus Strunz, Moderator beim TV-Sender Sat.1. Er will, so sagt er, erfahren „wie es sich als Jude anfühlt, in Deutschland zu leben“. Strunz nennt sein 24-Stunden-Projekt, das am Dienstagabend in der Reihe „akte 20.17“ lief, „Selbstversuch“ oder „das große Experiment“. Tatsächlich aber servierte er dem Zuschauer eine peinliche Show, bei der nicht Antisemitismus im Vordergrund stand – sondern Claus Strunz.

Antisemitismus ist wieder ein Streitfall in Deutschland. Seit die ARD eine misslungene TV-Doku zum Thema zuerst nicht, dann aber doch zeigte; seit der Bundestag entschied, vorerst keinen Antisemitismus-Beauftragten mehr zu ernennen; seit das Europaparlament forderte, schärfer gegen antijüdische Straftaten vorzugehen, weil täglich solche Delikte aktenkundig werden – seit all dem ist Antisemitismus wieder Gegenstand der Erläuterungen in Fernsehnachrichten und Leitartikeln. Und nun also auch bei Claus Strunz bei Sat.1.

Strunz will Provokation statt Aufklärung

„Ein mulmiges Gefühl“ befällt Strunz, als er mit seiner „blauen Kippa“ zu einer anti-israelischen Demonstration in Berlin geht. Die Polizei ist davon gar nicht begeistert und auch die Organisatoren haben schnell erkannt, dass da einer vom Fernsehen kommt, der die Konfrontation sucht. „Ich bin ja nicht da, um zu provozieren“, gibt sich der Reporter leutselig.

Im Vordergrund stand bei dem Versuch, der in der Reihe „akte 20.17“ lief, nicht Aufklärung über Antisemitismus, sondern Claus Strunz.
Im Vordergrund stand bei dem Versuch, der in der Reihe „akte 20.17“ lief, nicht Aufklärung über Antisemitismus, sondern Claus Strunz. © Sat.1 | Oliver Ziebe

Doch genau das ist Strunz’ Ansatz: Nicht Aufklärung steht im Vordergrund, sondern plumpe Effekthascherei. Ob bei der Demo im Gespräch mit Muslimen oder beim Besuch einer Schule, die Schlagzeilen machte, als dort ein 14-jähriger jüdischer Junge von Mitschülern gemobbt wurde – wo Sensibilität und Differenzierung gefragt wären, setzt er auf vordergründige Sensationsmacherei. Dazu ein bisschen versteckte Kamera, ein bisschen Expertenstatement – und sonst vor allem Strunz, Strunz, Strunz.

Pseudo-Doku eingebettet in Boulevard-Beiwerk

Doch selbst diese Pseudo-Dokumentation will Sat.1 seinen Zuschauern offenbar nicht ohne Boulevard-Beiwerk zumuten. Deshalb ist die rund 20-minütige Strunz-Show eingebettet in Berichte über die verzweifelten Diät-Bemühungen dreier übergewichtiger Damen („Schnell und einfach abspecken!“) sowie einen Beitrag über Boris Beckers aktuelle Eheprobleme: „Lilly Becker packt aus.“ Das ist instinkt- und geschmacklos.

Am Ende verkündet Strunz dann noch mit staatstragender Stimme das Fazit seines „Selbstversuchs“. Nämlich: „Juden werden in Deutschland immer noch verfolgt. Zumindest mit Blicken.“ Platter geht’s kaum.