Vettweiß. Besuch beim Dreh von „Wir sind doch Schwestern“: Der Roman von Moderatorin Anne Gesthuysen hat sich eine halbe Million Mal verkauft.

Jutta Speidel sieht alt aus. So alt, dass man sie im ersten Augenblick gar nicht erkennt, als sie die St.-Marien-Kirche in Vettweiß betritt. Falten durchziehen das Gesicht unter den grau gewordenen Haaren, müde blinzeln die Augen hinter der altmodischen Brille, schleppend sind die Schritte durch den Gang. Man darf ihr das alles sagen, sie ist nicht böse. Ist ja nur eine Rolle. Für die Verfilmung des Bestsellers „Wir sind doch Schwestern“. Für die ARD.

Und die dreht mal wieder die Zeit zurück und verschiebt den Raum. Die Geschichte spielt im Jahr 1994 und die Kirche in der Nähe von Köln wird in der Geschichte am Niederrhein liegen. Genau gesagt in Vettweiß, Ortsteil Müddersheim. Dort wird heute Geburtstag gefeiert, es ist ein 100., dementsprechend groß ist die Zahl der Gäste. 100 Statisten haben sich in einer Kneipe auf der anderen Straßenseite umgezogen, die Straße ist so zugeparkt, dass ein Bus nicht durchkommt und an vielen Fenstern stehen Anwohner und schauen zu, wie sie Kabel ziehen und Licht verlegen rund um die Kirche.

„Der Geist bleibt erhalten“

Vor dem Gemeindehaus steht Anne Gesthuysen, trägt mintgrünen Hosenanzug zu weißem Top und ein Lächeln auf den Lippen. „Ich gucke mit Spannung hin“, sagt sie, und was sie bisher gesehen hat an diesem Tag reicht für ein erstes Fazit: „Die Umsetzung ist sehr liebevoll.“ Sie sei allerdings nicht ganz objektiv, räumt die 47-Jährige ein. Schließlich hat sie die Romanvorlage geschrieben, die sich bisher mehr als 500.000 Mal verkauft hat.

Darin geht es um drei alte Damen, die sich nach vielen Jahren des Familienzwists zum 100. Geburtstag der Ältesten wiedersehen und – erzählt auf den Zeitebenen 1915, 1950 und 1994 – auf ein ganzes Jahrhundert voll Krieg, Liebe, Zerwürfnisse und Skandale zurückblicken. „Das berührendste Generationenporträt seit Jahren“, fand UFA-Erfolgsproduzent Nico Hofmann, erwarb die Rechte und ließ Grimme-Preisträgerin Heide Schwochow das Drehbuch schreiben. „Sehr frei nach der Vorlage“, sagt Schwochow. Alle Namen sind geändert, genaue Ortsangaben gibt es nicht und auch die eigentliche Geschichte ist zumindest in Teilen eine andere. Für Gesthuysen kein Problem. „Der Geist des Romans ist erhalten geblieben.“

Im Winter läuft der Film im TV

Wenig später ist Drehpause und die Schauspieler kommen zu Brötchen und Kaffee ins Gemeindehaus. Heute ist die alte Garde zur Arbeit erschienen, also die Frauen, die die Schwestern als Greisinnen spielen. Neben Speidel, die für die Rolle des Nesthäkchens von 63 auf 84 Jahre altert, sind das Hildegard Schmahl (77) als die fast 100-jährige und Gertrud Roll (81) als mittlere Schwester. Und natürlich Benjamin Sadler, der einen skandalumwitterten Politiker spielt.

Im Gemeindehaus sprechen die Darsteller ein wenig über die Dreharbeiten und darüber, wie sie selber gerne mit 100 Jahren sein würden. „Herr meiner Sinne“ und „immer noch etwas unbequem“ will Speidel bis ins hohe Alter bleiben. Aber 100 Jahre alt werden? „Eigentlich“, sagt sie, „muss das nicht sein.“ Dann muss sie weg. „Wir drehen wieder“, ruft Regisseur Till Endemann.

Wann das Ergebnis dieser Dreharbeiten zu sehen ist, steht noch nicht fest. „Irgendwann im Winter“, sagt Endemann. In Vettweiß aber ist lange vorher Schluss. Was auch Vorteile hat. Der Bus kommt wieder durch.