Essen. Im ARD-Film „Eltern und andere Wahrheiten“ kämpft sich eine Mutter zurück ins Berufsleben. Eine mit viel Geschick entwickelte Komödie.

„Die Rechnungen hören nicht auf zu kommen, nur weil du dich ein bisschen weiterbilden willst“, keift Nina Pfeffer (Silke Bodenbender) ihren Mann Torsten (Tom Wlaschiha) an. Dass der engagierte Streifenpolizist, dessen Dienstzeit ohnehin nicht nach der Stechuhr bemessen wird, auch noch unbedingt in der Abendschule sein Abitur nachmachen will und deshalb für die kontinuierliche Betreuung der beiden Kinder weitgehend ausfällt, passt gar nicht in Ninas neuen Lebensplan.

Die Enddreißigerin ist nach fünf Jahren Elternzeit wieder halbtags in einem Hamburger Architekturbüro eingestiegen. Weil sie ein gefährdetes Bauprojekt durch eine ebenso einfache wie geniale Idee möglicherweise retten kann, eröffnet sich ihr eine große Karriere. Ihr Ehrgeiz ist entfacht. Der vernachlässigte Torsten fürchtet, er und die Kinder könnten als Kollateralschäden auf der Strecke bleiben. Das Ehepaar entfremdet sich immer mehr.

Gewaltige Wechselwirkungen

Eigentlich ist es eine hoffnungslos verfahrene Situation, aus der es im richtigen Leben mehrere denkbare Auswege gibt. Solche Kompromisse sind jedoch kein Happy End. Das aber fehlt bei „Eltern und andere Wahrheiten“ natürlich nicht. Wie Regisseurin Maria von Heland (auch Buch) aus diesem potenziellen Familiendrama eine nur leicht beschwerte, mit viel Geschick entwickelte Komödie macht, das ist dennoch bemerkenswert. Der Reiz liegt in den liebevoll-ironisch gezeichneten Extremen, die mit gewaltigen Wechselwirkungen aufeinanderprallen.

Die toughe Bauherrin (Nina Petri) mit ihrem „Glück ist nichts für Frauen, die was wollen“-Mantra, eine zwischen Beruf und Familie zerrissene Karrierefrau, den auf Harmonie und Entschleunigung setzenden Ehemann oder die patente Leih-Oma (Petra Kelling) – für sich genommen ist jede Figur realitätsnah und glaubwürdig, aber eben nicht per se komisch. Im Film macht’s die Mischung. Aus der Zusammenführung grundverschiedener Charaktere, die normalerweise nicht gerade zu Schwarmverhalten neigen, bezieht die Komödie einen enormen Schwung.

Windungsreicher Weg

Letztlich kann sich der Zuschauer der Eigendynamik der Ereignisse nicht entziehen. Haarsträubende Unwahrscheinlichkeiten registriert man mit gleichem Vergnügen wie so manche vorhersehbare Wende. Wenn Nina sich etwa aus Furcht vor der Bauherrin als Single-Frau ausgibt und Mann und Kinder verleugnet. Oder wenn sich Torsten und seine Abendschulkollegin Canan (Yasemin Cetinkaya) geradezu zwangsläufig näher kommen und dann im entscheidenden Moment natürlich das Handy klingelt.

Der windungsreiche Weg kennt nur ein Ziel: Happy End. Doch es macht Spaß, den Darstellern auf diesem Weg zu folgen. Wobei der wunderbaren Silke Bodenbender sogar noch das Kunststück gelingt zu überspielen, dass sie mit dieser Sommerkomödie eigentlich gründlich unterfordert ist.

Fazit: Eine sommerleichte, bewusst nicht ganz wirklichkeitstreue Komödie über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Charmant gespielt.

ARD, Freitag, 2. Juni, 20.15 Uhr