Köln. Es war zwar nicht die Erklärung für den Toten, aber Nachbarschaftstreit dominierte den „Tatort“. Wie halten es die Deutschen damit?
Der Papagei hat’s geschafft im Kölner „Tatort“. Der Vogel von Freddy Schenks (Max Bär) Nachbar nahm noch vor dem Ende Reißaus in die Freiheit. Fall geklärt, kein Gezeter mehr ums Gekrächze. Zuvor hatte wegen des Vogels selbst der Kommissar in diesem „Tatort“ Ärger mit den Nachbarn haben müssen und im Rekordtempo einen Zivilprozess begonnen und verloren.
„Friedhofsbäume, direkt an der Grundstücksgrenze”, beschwert sich einer der Verdächtigen bei den Kommissaren über die Bepflanzung beim verhassten Nachbarn. Was dem einen sein Knallerbsenstrauch, sind dem anderen die Thujen. Jetzt spätestens ist klar: Die mit „Happy” unterlegten Eröffnungsbilder waren eine Karikatur auf das Leben im bürgerlichen Wohnviertel.
Nachbarstreitigkeiten enden im Wochentakt tödlich
Also folgt ein Kohlenmonoxidanschlag als Rache für exzessives Grillen? Ein Rasenmäher zerteilt seinen Besitzer, der die Mittagsruhe nicht geheiligt hat? Die Deutschen streiten mit Nachbarn schließlich um alles mögliche und töten deshalb auch fast im Wochentakt, eine genaue Zahl zu Tötungsdelikten dieser Art gibt es nicht. Es sah nach einem „Tatort“ ganz nah am Leben aus, nach einem Nachbarn, der stellvertretend für den Unsympathen in der eigenen Straße mit dem Leben zahlen muss.
38 Prozent aller Deutschen hatten in den letzten Jahren Streit und Auseinandersetzungen mit dem Nachbarn, ergab eine repräsentative Umfrage der GfK für die Apotheken-Umschau.
Gestritten wurde im „Tatort“ auch nicht nur um die Hecken, sondern um Krach, um Kinder auf dem fremden Grundstück, Haue für die Kinder auf dem fremden Grundstück und – hups, Frauen im fremden Bett. Darum aber am wenigsten, und keines dieser Ärgernisse ist auch wirklich der Schlüssel zum Fall.
Tatort: Ballauf, Schenk und die Nachbarn
Wurzeln zur Bluttat unter den Thujen
So ist selbst der Konflikt um den Grundstückverlauf in Wahrheit nicht ein klassischer Nachbarschaftsstreit. Es ist viel komplizierter – und die Friedhofsbäume tragen ihren Namen zu Recht. Unter den Thujen, auch Lebensbäume genannt, liegen die Wurzeln für die Bluttat: Ermordet worden ist der Gärtner, der unwissentlich zu tief in der Vergangenheit gegraben hat. Bis das klar wird, hat das Drehbuch aber jeden Nachbarn schon mal glaubwürdig verdächtig gemacht. Es gibt viele Gründe, die das Wohnidyll stören können.
Bis ein Nachbarschaftszoff vor dem Gericht landet, geht es aber auch nicht so schnell wie bei Schenk. Erst müssen Schiedsleute ran. Das soll nicht nur die Gerichte entlasten, sondern vor allem dazu dienen, das Verhältnis von Nachbarn zu kitten: Wenn einer vor Gericht verliert, dann ist der nächste Streit programmiert. Urteile lassen den Hass wachsen. Fast alle Bundesländer haben die Schlichtung verpflichtend vorgeschaltet.
Nachbarn erstreiten gar nicht viele Urteile
Und so kennt zwar jeder einen bösen Nachbarn, aber es wird viel weniger vor Gericht gestritten, als gemeinhin angenommen. Nur in jedem hundertsten Zivilrechtsstreit an Amtsgerichten stehen sich Nachbarn gegenüber. Auf 100.000 Einwohner kamen 2014 in Deutschland gerade einmal knapp elf abgeschlossene Zivilprozesse.
In NRW, wo der Kölner „Tatort“ spielt, liegt die Zahl etwa im Schnitt, in Bundesländern mit hoher Eigenheimquote wie Brandenburg und Rheinland-Pfalz deutlich höher und in Hamburg am niedrigsten. Insgesamt gab es 8605 rechtskräftige Urteile im Jahr 2014. Das heißt: Urteile in Nachbarschaftsstreitigkeiten kamen 2014 nur viermal häufiger vor als Mord und Totschlag. Fast jeder zweite begonnene Prozess endet auch mit einem Vergleich oder einer Rücknahme der Klage.
Papagei gegen die Wechseljahre-Depression
So absurde Gutachten wie im Fall von Schenk sind dabei allerdings nicht die Regel. Der fällt aus allen Wolken darüber, dass der Papagei des Nachbarn positive therapeutische Effekte auf die – gar nicht so seltene – Klimakteriumsdepression der Nachbarin haben soll. Da könnte man fast zum Mörder werden. Das wäre zumindest weniger verworren und konstruiert als die Motive für die Verbrechen im „Tatort“.