Berlin. Der Wolf statt Trump als Bösewicht: So setzte sich „Hart aber fair“ am Montagabend von der Talk-Konkurrenz ab. Kann das funktionieren?

Die Talker im deutschen Fernsehen haben dieser Tage eigentlich mehr als genug Themen. Trump, Rechtsruck, Brexit, Terror, Rente: 2017 wird uns wohl nicht weniger in Atem halten, als das vergangene Jahr.

Trotz aller Dramatik und tagesaktueller Debatten über den neuen US-Präsidenten Donald Trump oder AfD-Rechtsaußen Björn Höcke verlegte sich Frank Plasberg am Montagabend in „Hart aber fair“ auf ein abseitiges Thema. „Mensch raus, Wolf rein – wie viel Naturschutz verträgt unser Land?“, fragte die Redaktion den überraschten Zuschauer. Ist eine solche Themenwahl in Zeiten wie diesen irrelevanter Unsinn? Oder am Ende gar cleveres Kontrastprogramm zur Talk-Konkurrenz?

Streit um den Urwald

Die erste große Erkenntnis ließ nicht lange auf sich warten: Über den deutschen Wald kann man vorzüglich streiten. Auf der einen Seite stehen dabei Menschen wie Franz Prinz zu Salm-Salm, der auf keinen Fall will, dass ein kleiner Teil der Waldflächen sich selbst überlassen wird. „Der nächsten Generation wird die Möglichkeit genommen, Holz zu ernten“, warnte der Waldbesitzer vor Plänen, fünf Prozent der hiesigen Wälder in unberührte Urwälder umzuwandeln.

Dabei argumentierte der Prinz rein wirtschaftlich. Schließlich würde doch gelten, dass Rohstoffe immer knapper werden. Am Ende könnte das Holz schlicht fehlen. „Was ich heute Pflanze, können meine Enkel morgen ernten“, sagte der Prinz.

Hirnähnliche Strukturen bei Bäumen

So richtig nachvollziehbar war der Ärger allerdings nicht. Umweltministerin Barbara Hendricks erklärte, dass die fünf Prozent nur von Gemeinden und Kommunen erreicht werden sollen – und nicht etwa von Privatbesitzern. Für die ändere sich gar nichts. Zugleich machte die SPD-Politikerin auf einen frappierenden Widerspruch aufmerksam: „Wir erwarten von Brasilien, dass es den Urwald schützt. Dabei wollen wir noch nicht mal fünf Prozent schützen.“

Als leidenschaftlicher Verfechter des deutschen Waldes trat auch Peter Wohlleben auf. „Bäume haben in den Wurzeln hirnähnliche Strukturen“, berichtete der Förster und Autor. Auch würden sie ihre Zöglinge erkennen und ihnen gezielt Nährstoffe weiterreichen. „Bäume unterscheiden sich gar nicht so sehr von Tieren“, warb Wohlleben für ein größeres Waldverständnis.

Wer hat Angst vorm Wolf?

Als nächstes lenkte der Gastgeber die Diskussion auf ein allgemein anerkanntes Aufregerthema: Den Wolf. Für den auch bei anderen Randgruppenfragen für seine kontroverse Haltung bekannten Journalisten Roland Tichy war klar, dass die Wiederansiedlung des Raubtieres keine gute Idee ist. „Wir gehen ein Risiko ein“, warnte Tichy. In Deutschland herrsche ein naives Bild von der Natur vor. Dabei sei sie kein Kuschelzoo.

Auch hier mahnte Barbara Hendricks zu mehr Umsicht. Wölfe seien weiterhin scheu, auffällige Tiere würden schnell geschossen. Auch gebe es Wolfsberater und Entschädigungen für gerissene Nutztiere. Kurzum: „Wir brauchen keine Obergrenze“, befand die Umweltministerin. Unterstützung erhielt sie von Olaf Tschimpcke vom Naturschutzbund Deutschland, der daran erinnerte, dass Hunde jährlich für mehrere Tote verantwortlich sind – und natürlich dennoch nicht systematisch abgeschossen werden.

Ein zumindest erfrischender Talk

Ein national begrenzter Talk in Zeiten, in denen international Stürme toben – geht das? „Wir sagen heute Abend mal Germany first“, hatte Plasberg seine Wald- und Wolfsendung eröffnet. Die mutige Themenwahl hat sich gelohnt: Im großen Rauschen der wichtigen Standard-Themen stach diese Ausgabe von „Hart aber fair“ heraus. Wer hätte gedacht, dass sich so kontrovers über den Naturschutz reden lässt?

Am Ende war diese Runde deswegen im Unterschied zu vielen Konkurrenzausgaben der vergangenen Wochen zumindest erfrischend. Allein schon, weil der Wolf als Bösewicht viel sympathischer ist als seine menschliche Konkurrenz.