Berlin. Im „Tatort“ aus Wien waren Studenten zu sehen, die dem Leistungsdruck mit Drogen oder mit Gewalt begegnen. Aber stimmten die Fakten?

Im „Tatort – Schock“ aus Wien kündigt ein Student an, seine Eltern und sich selbst zu töten. Er will mit der Tat auf eine Gesellschaft hinweisen, in der junge Menschen in ausweglose Situationen getrieben werden und nur unter Drogeneinfluss Prüfungen bestehen.

Wir prüfen die Fakten des „Tatorts“:

Nehmen wirklich so viele Studenten Drogen?

Einer der Komplizen des Täters wird von den „Tatort“-Ermittlern mit Aufputschmitteln und anderen Drogen erwischt. Auch die Tochter des Ermittlers Eisner (Harald Krassnitzer) spricht über Drogenerfahrungen unter Studenten. Dabei stellt sich die Frage, ob überhaupt so viele Studenten Drogen nehmen, wie der Krimi suggeriert.

Die Tageszeitung „Die Presse“ aus Österreich berichtete bereits im Jahr 2009 über einen Trend unter Studenten, sich vor und bei Prüfungen mit Arzneimitteln und Drogen aufzuputschen, um vermeintlich leistungsfähiger zu sein. Verlässliche Zahlen zum Drogenkonsum unter Studenten gibt es in Österreich demnach aber nur von einzelnen Universitäten. In Innsbruck etwa gaben in einer Studie 28 Prozent der Studenten an, regelmäßig Schmerzmittel zu nehmen.

Für Deutschland gibt es widersprüchliche Zahlen. Eine Untersuchung der Universität Mainz ergab laut „FAZ“ im Jahr 2013, dass gut 20 Prozent aller Studenten regelmäßig leistungsfördernde Mittel zu sich nehmen. Eine Studie des Hochschulinformationssystems, die vom Bundesgesundheitsministerium unterstützt wurde, sprach jedoch von nur fünf Prozent.

„Tatort“ aus Wien zeigt den „Schock“

Der „Tatort“ zeigt dieses Mal einen „Schock“: Ein Student droht im Internet damit, seine Eltern zu töten. Ein Wettlauf mit der Zeit für die Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser).
Der „Tatort“ zeigt dieses Mal einen „Schock“: Ein Student droht im Internet damit, seine Eltern zu töten. Ein Wettlauf mit der Zeit für die Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser). © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Der Student David Frank (Aaron Karl) streamt seine Taten im Internet.
Der Student David Frank (Aaron Karl) streamt seine Taten im Internet. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Er beruft sich auf die Theorien der Soziologin Sarah Adler (Mercedes Escherer), die zu Gewalt- und Amoktaten von jungen Menschen forscht. Ihre Theorie: Die Leistungsgesellschaft drängt die Menschen zu Gewalttaten.
Er beruft sich auf die Theorien der Soziologin Sarah Adler (Mercedes Escherer), die zu Gewalt- und Amoktaten von jungen Menschen forscht. Ihre Theorie: Die Leistungsgesellschaft drängt die Menschen zu Gewalttaten. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Als Komplize von Frank gilt auch dessen WG-Mitbewohner Kerem (Mehmet Sözer, links).
Als Komplize von Frank gilt auch dessen WG-Mitbewohner Kerem (Mehmet Sözer, links). © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Brisant für Eisner: Kerem ist der Freund seiner Tochter Claudia (Tanja Raunig).
Brisant für Eisner: Kerem ist der Freund seiner Tochter Claudia (Tanja Raunig). © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Während die Ermittler Kerem befragen, spielt Frank ein Spiel mit den Polizisten. Er installiert an der Universität eine Webcam, die die Polizisten bei ihrer Ermittlungsarbeit öffentlich bloß stellen soll.
Während die Ermittler Kerem befragen, spielt Frank ein Spiel mit den Polizisten. Er installiert an der Universität eine Webcam, die die Polizisten bei ihrer Ermittlungsarbeit öffentlich bloß stellen soll. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Das Ermittler-Duo gerät in einen Klassenkampf.
Das Ermittler-Duo gerät in einen Klassenkampf. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Auf der Seite der Ermittler ist auch Christina Scherrer (Meret Schande, rechts), die gemeinsam mit Sarah Adler studiert hat und nun für die Polizei arbeitet.
Auf der Seite der Ermittler ist auch Christina Scherrer (Meret Schande, rechts), die gemeinsam mit Sarah Adler studiert hat und nun für die Polizei arbeitet. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Oberst Rauter (Hubert Kramar) hält die Hand über Eisner, der schwer in der Kritik steht, nicht zuletzt auch, weil seine Arbeit an der Universität im Internet zu sehen war.
Oberst Rauter (Hubert Kramar) hält die Hand über Eisner, der schwer in der Kritik steht, nicht zuletzt auch, weil seine Arbeit an der Universität im Internet zu sehen war. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
David Frank nimmt Bibi Fellner als Geisel.
David Frank nimmt Bibi Fellner als Geisel. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Zum Schluss ist auch Sarah Adler in der Gewalt des Studenten.
Zum Schluss ist auch Sarah Adler in der Gewalt des Studenten. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
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Hat die sogenannte Generation Y wirklich so geringe Jobchancen?

Im „Tatort“ wiederholen mehrere Charaktere, dass die Generation Y (Jahrgänge 1981-1999) unter enormen Druck auf einem schwachen Arbeitsmarkt stehe. Tatsächlich haben laut Jahresstatistik des Arbeitsmarkservice Österreich unter 25-Jährige das größte Risiko arbeitslos zu werden. 35,8 Prozent der Arbeitsfähigen in diesem Alter waren im Jahr 2015 in Österreich mindestens einen Tag ohne feste Arbeit. Bei über 50-Jährigen waren es etwas mehr als 20 Prozent. Doch insgesamt liegt die Arbeitslosenquote bei der Generation Y in Österreich unter dem österreichischen Landesdurchschnitt (8,3 Prozent bei Frauen, 9,8 Prozent bei Männern).

Auch in Deutschland scheint es der Generation Y am Arbeitsmarkt verhältnismäßig gut zu gehen. Zumindest suggeriert das die Jahresstatistik für 15- bis 24-Jährige im Jahresbericht der Arbeitsagentur für Arbeit. Diese Gruppe weist eine Arbeitslosenquote von 7,2 Prozent im Jahr 2015 aus. In Österreich waren es zum gleichen Zeitpunkt 10,6 Prozent, in der gesamten EU aber über 20 Prozent.

Können Gewalt-Szenen und Straftaten so einfach im Internet gestreamt werden?

Im „Tatort – Schock“ sendet der Täter Live-Videos vom Ort, an dem er seine Eltern gefangen hält und später auch eine Ermittlerin gefangen nimmt. Doch würden in der Realität Video-Anbieter nicht schneller reagieren?

Den sozialen Netzwerken fällt es schwer, kritische Inhalte schnell zu löschen.
Den sozialen Netzwerken fällt es schwer, kritische Inhalte schnell zu löschen. © dpa | Franz-Peter Tschauner

Leider nein. Zwar setzen soziale Netzwerke und Videoanbieter wie YouTube, Facebook und Twitter auf Filtertechnik, die Gewalttaten erkennen soll. Zudem beschäftigen die Unternehmen Hunderte von Menschen, die solche Inhalte sichten und sperren sollen. Doch für die Prüfung bleiben den Moderatoren mitunter nur wenige Minuten Zeit. Nutzer mit krimineller Energie können also relativ leicht solche Inhalte erzeugen und nach einer Löschung gegebenenfalls gefälschte Alternativkonten nutzen.

Die Lösch-Methoden von Facebook in Deutschland hatte zuletzt die „Süddeutsche Zeitung“ thematisiert. Im vergangenen Jahr hatte unsere Redaktion darüber berichtet, welche Probleme die sozialen Netzwerke mit der Löschung von Video-Inhalten haben.