Berlin. Ein Student will seine Eltern als Gesellschaftskritik töten. Er nimmt eine Geisel, überträgt alles im Netz. Ein ungewöhnlicher Krimi.

Der „Tatort – Schock“ ist anders als die anderen Filme der ARD-Krimi-Reihe. Er startet nicht wie üblich mit einem Mord und der passenden Leiche, sondern mit der Androhung eines erweiterten Suizids. Die Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) wissen kaum etwas und befinden sich so in einem Spannungsbogen, den der Tatverdächtige erst am Filmende auflöst.

Diese Rahmenhandlung des „Tatorts“ aus der österreichischen Hauptstadt bietet alles für einen gelungen Krimi: ein Täter, der dem Zuschauer bekannt ist, ein unklares Motiv und Polizisten, die untypische Wege gehen, um den Fall zu lösen.

„Tatort“ aus Wien zeigt den „Schock“

Der „Tatort“ zeigt dieses Mal einen „Schock“: Ein Student droht im Internet damit, seine Eltern zu töten. Ein Wettlauf mit der Zeit für die Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser).
Der „Tatort“ zeigt dieses Mal einen „Schock“: Ein Student droht im Internet damit, seine Eltern zu töten. Ein Wettlauf mit der Zeit für die Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser). © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Der Student David Frank (Aaron Karl) streamt seine Taten im Internet.
Der Student David Frank (Aaron Karl) streamt seine Taten im Internet. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Er beruft sich auf die Theorien der Soziologin Sarah Adler (Mercedes Escherer), die zu Gewalt- und Amoktaten von jungen Menschen forscht. Ihre Theorie: Die Leistungsgesellschaft drängt die Menschen zu Gewalttaten.
Er beruft sich auf die Theorien der Soziologin Sarah Adler (Mercedes Escherer), die zu Gewalt- und Amoktaten von jungen Menschen forscht. Ihre Theorie: Die Leistungsgesellschaft drängt die Menschen zu Gewalttaten. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Als Komplize von Frank gilt auch dessen WG-Mitbewohner Kerem (Mehmet Sözer, links).
Als Komplize von Frank gilt auch dessen WG-Mitbewohner Kerem (Mehmet Sözer, links). © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Brisant für Eisner: Kerem ist der Freund seiner Tochter Claudia (Tanja Raunig).
Brisant für Eisner: Kerem ist der Freund seiner Tochter Claudia (Tanja Raunig). © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Während die Ermittler Kerem befragen, spielt Frank ein Spiel mit den Polizisten. Er installiert an der Universität eine Webcam, die die Polizisten bei ihrer Ermittlungsarbeit öffentlich bloß stellen soll.
Während die Ermittler Kerem befragen, spielt Frank ein Spiel mit den Polizisten. Er installiert an der Universität eine Webcam, die die Polizisten bei ihrer Ermittlungsarbeit öffentlich bloß stellen soll. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Das Ermittler-Duo gerät in einen Klassenkampf.
Das Ermittler-Duo gerät in einen Klassenkampf. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Auf der Seite der Ermittler ist auch Christina Scherrer (Meret Schande, rechts), die gemeinsam mit Sarah Adler studiert hat und nun für die Polizei arbeitet.
Auf der Seite der Ermittler ist auch Christina Scherrer (Meret Schande, rechts), die gemeinsam mit Sarah Adler studiert hat und nun für die Polizei arbeitet. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Oberst Rauter (Hubert Kramar) hält die Hand über Eisner, der schwer in der Kritik steht, nicht zuletzt auch, weil seine Arbeit an der Universität im Internet zu sehen war.
Oberst Rauter (Hubert Kramar) hält die Hand über Eisner, der schwer in der Kritik steht, nicht zuletzt auch, weil seine Arbeit an der Universität im Internet zu sehen war. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
David Frank nimmt Bibi Fellner als Geisel.
David Frank nimmt Bibi Fellner als Geisel. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
Zum Schluss ist auch Sarah Adler in der Gewalt des Studenten.
Zum Schluss ist auch Sarah Adler in der Gewalt des Studenten. © ARD Degeto/ORF | Hubert Mican
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Ein Mord als Kapitalismuskritik?

Der mutmaßliche Täter ist der 22-jährige Medizinstudent David Frank (Aaron Karl). „Ich bin normal, völlig normal“, lautet einer seiner ersten Sätze und damit auch einer der ersten Sätze des „Tatorts“. Dass er in einem selbstgedrehten Web-Video dann ankündigt, seine entführten Eltern und sich selbst zu töten, ist dann nicht mehr ganz so normal. Auch die folgenden Videos, die er teilweise live über soziale Netzwerke streamt, wirken auf die Ermittler Eisner und Fellner vom Bundeskriminalamt alles andere als gewöhnlich.

In den Videos äußert Frank Kritik am kapitalistischen System, das seine Generation in einen unmenschlichen Wettbewerb um Jobs und Erfolg dränge. Der Student stilisiert den angekündigten Mord zu einer politischen und moralischen Aktion hoch. Frank entstammt einem Freundeskreis, der sich vor Klausuren mit Drogen aufputscht, um den Ansprüchen der Leistungsgesellschaft gerecht zu werden. Und so wird aus der Jagd nach einem mutmaßlichen Entführer und Mörder ein Klassenkampf.

Der Täter mit dem Wunderakku

Auf der einen Seite stehen der scheinbar rationale Frank und die Soziologin Sarah Adler, deren Thesen der Student radikal umsetzt. Seine erfolgreichen Akademiker-Eltern sollen als Symbole der Leistungsgesellschaft sterben. Auf der anderen Seite steht der emotionale Ermittler Moritz Eisner, der mit österreichischem Akzent seine Kollegen vom Staatsschutz gereizt als „Korinthenkacker“ bezeichnet oder die Innenministerin anpflaumt.

Der Blick auf den bis dahin spannenden Klassenkampf wird lediglich durch Kleinigkeiten verstellt. Etwa die Tatsache, dass der Täter seine Video-Streams an einem Notebook bearbeitet, das scheinbar unbegrenzte Akkulaufzeit hat und erst am Ende eines Tages unter Volllast durch eine Autobatterie geladen wird. Doch den Spannungsbogen überspannen schließlich nicht solche Kleinigkeiten, sondern eine Wendung in der Story.

Plötzlich wandelt sich der Film zum Familiendrama

Mit Rückblenden wird dem Zuschauer deutlich gemacht, dass es vordergründig um eine Beziehungs- beziehungsweise Familientat zu gehen scheint. Familiärer und gesellschaftlicher Druck haben nämlich Franks Partnerin in den Suizid getrieben. Er und ein gemeinsamer Mitbewohner des Paares fanden die Tote vor. Dass dieser Mitbewohner wiederum der Freund von Oberstleutnant Eisner ist, zieht die Story noch weiter auf die Ebene eines Familiendramas.

Zum Ende wandelt sich der „Tatort – Schock“ dann vollkommen zu einem gewöhnlichen Krimi mit der Geiselnahme der Ermittlerin Bibi Fellner und der Forscherin Sarah Adler durch David Frank. Die Geiselnahme endet wie im Titel versprochen mit einem Schock: David Frank wird von der Polizei erschossen und spuckt so viel Blut, dass es für den Zuschauer am Ende doch wieder ein ungewöhnlicher „Tatort“ ist.

Starke Frauen ermitteln im „Tatort“

Charlotte Lindholm ermittelt seit 2002 als etwas unterkühlte LKA-Beamtin in Hannover. Gespielt wird sie von Maria Furtwängler, die zuletzt mit der Episode „Spielverderber“ etwa 10,55 Millionen Zuschauer anlockte.
Charlotte Lindholm ermittelt seit 2002 als etwas unterkühlte LKA-Beamtin in Hannover. Gespielt wird sie von Maria Furtwängler, die zuletzt mit der Episode „Spielverderber“ etwa 10,55 Millionen Zuschauer anlockte. © NDR | Marc Meyerbröker
In der Sonderepisode „Fünf Minuten Himmel“ kehrt Hauptkommissarin Berlinger nach 14 Jahren nach Freiburg zurück und meistert ihren ersten Fall: Ein Jobcenter-Mitarbeiter hat scheinbar Suizid begangen, doch schnell bestätigt sich Berlingers Gespür, dass sich mehr hinter dem Fall verbirgt.
In der Sonderepisode „Fünf Minuten Himmel“ kehrt Hauptkommissarin Berlinger nach 14 Jahren nach Freiburg zurück und meistert ihren ersten Fall: Ein Jobcenter-Mitarbeiter hat scheinbar Suizid begangen, doch schnell bestätigt sich Berlingers Gespür, dass sich mehr hinter dem Fall verbirgt. © SWR | SWR-Pressestelle/Fotoredaktion
... ihren Kollegen Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) im Wiener „Tatort“.
... ihren Kollegen Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) im Wiener „Tatort“. © rbb/ORF | Petro Domenigg
 Mit Christian Ulmen als Lessing (ohne Vornamen) bildet sie ein schräges Duo.
Mit Christian Ulmen als Lessing (ohne Vornamen) bildet sie ein schräges Duo. © MDR | Andreas Lander
Seit mehr als einem Vierteljahrhundert ermittelt schon am „Tatort“ Ludwigshafen. Damit ist die TV-Kommissarin, gespielt von Ulrike Folkerts, nach Angaben des Südwestrundfunks eine der ersten Ermittlerinnen – und heute die dienstälteste.
Seit mehr als einem Vierteljahrhundert ermittelt schon am „Tatort“ Ludwigshafen. Damit ist die TV-Kommissarin, gespielt von Ulrike Folkerts, nach Angaben des Südwestrundfunks eine der ersten Ermittlerinnen – und heute die dienstälteste. © SWR | Alexander Kluge
Für die Neu-Auflage des „Tatorts“ aus Dresden geht erstmals ein rein weibliches Ermittlerduo an den Start. Karin Gorniak und Henni Sieland, gespielt von Karin Hanczewski (r.) und Alwara Höfels (l.), sind seit dem 6. März 2016 das junge Team des MDR.
Für die Neu-Auflage des „Tatorts“ aus Dresden geht erstmals ein rein weibliches Ermittlerduo an den Start. Karin Gorniak und Henni Sieland, gespielt von Karin Hanczewski (r.) und Alwara Höfels (l.), sind seit dem 6. März 2016 das junge Team des MDR. © MDR | Andreas Wünschirs
Inga Lürsen ist seit 1997 als Hauptkommissarin in Bremen im Dienst. Gespielt wird die oft ruppige Ermittlerin von Sabine Postel. „Harte Schale, weicher Kern“ – so beschreibt die ARD ihre Rolle.
Inga Lürsen ist seit 1997 als Hauptkommissarin in Bremen im Dienst. Gespielt wird die oft ruppige Ermittlerin von Sabine Postel. „Harte Schale, weicher Kern“ – so beschreibt die ARD ihre Rolle. © Radio Bremen | Jörg Landsberg
Seit Dezember 2001 bildet Lürsen zusammen mit Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) das Ermittlerteam in den „Tatort“-Filmen von Radio Bremen.
Seit Dezember 2001 bildet Lürsen zusammen mit Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) das Ermittlerteam in den „Tatort“-Filmen von Radio Bremen. © Radio Bremen | Jörg Landsberg
Die Konstanzer Kommissarin Klara Blum gehört seit 2002 zu den „Tatort“-Ermittlerinnen. Gespielt wird Blum von Eva Mattes – allerdings nicht mehr lang: Am 4. Dezember 2016 lief die letzte Folge des Bodensee-„Tatorts“.
Die Konstanzer Kommissarin Klara Blum gehört seit 2002 zu den „Tatort“-Ermittlerinnen. Gespielt wird Blum von Eva Mattes – allerdings nicht mehr lang: Am 4. Dezember 2016 lief die letzte Folge des Bodensee-„Tatorts“. © SWR | Peter Hollenbach
Unterstützung erhält Blum von Hauptkommissar Kai Perlamm, gespielt von Sebastian Bezzel.
Unterstützung erhält Blum von Hauptkommissar Kai Perlamm, gespielt von Sebastian Bezzel. © SWR | Stephanie Schweigert
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