Berlin. Heilerziehungspfleger begleiten Menschen mit Behinderung. Der Job ist anspruchsvoll.

Montag hatte Nicole einen schlechten Tag bei der Arbeit – und das Ergebnis sieht man zwei Tage später noch als Abdruck auf ihrem Arm. Sie hat sich selbst gebissen. Verspürt sie starken Stress, macht sie das manchmal zum Druckabbau. An Tagen wie diesen ist Heilerziehungspfleger Richard Fröbel (40) besonders gefragt. Kommt Nicole von der Arbeit in die betreute Wohngemeinschaft zurück, erzählt sie ihm von ihren Sorgen.

Richard arbeitet für den Berliner Träger RBO-Inmitten gGmbH. Zusammen mit einer Kollegin betreut er eine Wohngemeinschaft in Berlin-Lichtenberg mit fünf Menschen mit einer leichten, geistigen Lernbeeinträchtigung. Astrid, Nicole, Isabell, Gerry und Florian leben zum Teil schon seit rund zehn Jahren zusammen – so lange kennt Richard sie auch. Richard und seine Kollegin sind unter der Woche am Nachmittag und am Wochenende den ganzen Tag da.

Heilerziehungspfleger arbeiten nicht nur ambulant. Sie sind auch in Behindertenwerkstätten, Kliniken, Kitas und Wohnheimen tätig. Rund 7,6 Millionen Menschen mit Schwerbehinderung leben nach Angaben des Statistischen Bundesamts in Deutschland. Und viele brauchen Hilfe von Heilerziehungspflegern. Die Arbeit unterscheidet sich je nach Arbeitsplatz. Während bei Menschen mit mehreren Beeinträchtigungen, die zum Beispiel auch im Rollstuhl sitzen, häufig die Pflege im Vordergrund steht, geht es im ambulanten Bereich viel darum, die Selbstständigkeit zu fördern.

Die Voraussetzungen für die Ausbildung sind hoch. Wer sich dafür interessiert, braucht entweder eine in der Regel zweijährige berufliche Grundausbildung oder eine Hochschulzugangsberechtigung mit Vorpraktikumszeiten. Die Ausbildung variiert je nach Bundesland. Entweder besuchen angehende Heilerziehungspfleger zwei Jahre die Schule und machen hinterher ein Anerkennungsjahr. Alternativ dauert die Ausbildung drei Jahre – und die praktischen Anteile sind integriert.

„Man braucht für den Beruf auf jeden Fall Geduld“, sagt Richard. Isabell hat letztens trotz einer Spastik gelernt, ihre Fingernägel selbst zu schneiden. Das müsse man einfach immer wieder probieren, erzählt er. Und man muss zuverlässig sein. Die fünf Bewohner zählen auf ihn – bei Problemen bei der Arbeit, aber auch bei der Organisation der WG.

Wer sich für die Ausbildung entscheidet, wird sich im Wesentlichen mit drei Schwerpunkten befassen. Zum einen geht es um das Thema individuelle Teilhabe und Pädagogik: Wie bringt man jemandem bei, einen Einkaufszettel zu schreiben oder Essen zu kochen? Ein weiterer Schwerpunkt liegt im Thema Pflege und schließlich geht es um rechtlich-organisatorische Fragestellungen. Man sollte auf jeden Fall vorab ein Praktikum machen, um zu testen, ob der Beruf einem überhaupt liegt, sagt Frank-Michael Eschert, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Ausbildungsstätten für Heilerziehungspflege in Deutschland.

Reich wird man im dem Job nicht. „Berufseinsteiger verdienen etwa 2400 Euro brutto“, sagt Eschert. Zehn Jahre später sei man, je nach Tarifwerk, etwa bei 3100 Euro brutto. Richard Fröbel ist in seinem Beruf trotzdem froh. Seit zehn Jahren betreut er die Wohngemeinschaft, viele der Bewohner sind seit dem Start gleichgeblieben. Er sieht, wie sie selbstständiger werden. Florian wird im Laufe des nächsten Jahres ausziehen und alleine leben können. Richard und seine Kollegin haben wesentlichen Anteil daran. dpa