Frankfurt. Tyrann, Weichei, Selbstdarsteller? Das kann kein guter Chef sein. Drei Karrierecoaches erklären, worauf es bei guter Führung ankommt.

Angenommen, man dürfte sich seinen Traum-Chef basteln: Wie würde er aussehen? Cholerisch und immer mies gelaunt? Sicher nicht. Drei Karriereberater verraten, welche Eigenschaften einen guten Vorgesetzten ausmachen.

Eine Vision haben: „Es sollte jemand sein, der Menschen begeistern kann, der sich selber für etwas begeistert und andere mitzieht“, sagt Doris Brenner, Karriereberaterin aus Rödermark bei Frankfurt am Main. Nur wer seinen Mitarbeitern ein Ziel gibt, für das sie brennen, erreicht, dass sie mitmachen – freiwillig und engagiert.

Druck standhalten: Erwartungen von oben, Beschwerden von unten – jeder Vorgesetzte hängt in einer Sandwich-Position und muss das aushalten können. „Eine gute Führungskraft braucht eine gereifte Persönlichkeit und Stärke“, erläutert Brenner. Nur dann kann man Druck von oben abfedern, statt ihn an die Mitarbeiter weiterzugeben.

Mitarbeiter fördern: Viele Vorgesetzte halten ihre Mitarbeiter klein, verbuchen Erfolge nur für sich. „Das ist genau der falsche Weg“, sagt Brenner. Die Mitarbeiter fühlten sich nicht wertgeschätzt, würden demotiviert. „Man muss die Leute auch etwas werden lassen.“ Ein guter Chef unterstützt, lässt Freiheiten, überträgt Verantwortung, fördert und fordert – ohne zu überfordern.

Auf Stärken besinnen: „Wer versucht, Schwächen auszugleichen, erzeugt Mittelmaß“, sagt Alexander Groth, Führungskräfte-Coach aus der Nähe von Frankfurt am Main. „Gute Chefs konzentrieren sich auf die Stärken der einzelnen Mitarbeiter und bauen sie gezielt aus.“

Loben: „Viele kritisieren zu viel und geben zu wenig positives Feedback“, sagt Groth. Dabei sei Anerkennung nach einem Erfolg einer der stärksten Motivatoren.

Zuhören: Wer etwas loswerden darf, fühlt sich erleichtert. „Der Gedanke: „Mein Chef gibt mir Raum“ ist sehr wichtig“, sagt der Diplom-Psychologe und Karriereberater Jürgen Hesse. Es komme auf wahres Zuhören an, ergänzt Groth: „Man muss ehrlich verstehen wollen, was der Mitarbeiter sagt – statt in Gedanken schon das nächste Meeting zu planen.“

Fehler eingestehen: „Ein Chef darf Fehler machen“, sagt Hesse. Wichtig sei ein gutes Maß an Selbstreflexion. „Chefs, die sich auch mal zurücknehmen und Fehler eingestehen, steigen in der Achtung ihrer Mitarbeiter.“ Wer dauernd Fehler mache, sollte darauf nicht bauen.

Grenzen setzen: „Ein guter Vorgesetzter braucht Durchsetzungsvermögen, Geradlinigkeit, eine gewisse Härte“, sagt Doris Brenner. Wichtig sei das Wie, etwa bei Kündigungen. „Man muss sich auch mal von einem Mitarbeiter trennen, wenn es nicht funktioniert“, ergänzt Hesse. „Das sind die Spielregeln. Aber es sollte menschlich korrekt zugehen.“

Gerecht sein: Dazu ist Gespür und Bewusstsein für die Mitarbeiter gefragt. „Man kann nicht alle gleichbehandeln“, sagt Brenner. Jeder habe andere Stärken und Schwächen. „Ein guter Chef führt menschenbezogen.“ Das habe nichts mit Ungerechtigkeit zu tun: „Ich muss gucken, was der einzelne braucht“, erklärt sie.

Seine Rolle verstehen: Der Arbeitsplatz sei eine Reinszenierung der Familiensituation, sagt Hesse. „Führung ist etwas, das wir aus unserer Kindheit kennen. Wer über andere Leute bestimmt, sollte sich das psychologisch verdeutlichen.“ In der Gefühlswelt eines Erwachsenen sei noch viel vom Kind übrig. „Ein guter Chef ist sich seiner Rolle als Ersatzvater und -mutter bewusst. Er überlegt sich, was er an seinen Eltern gut fand – und geht pfleglich mit seinen ,Kindern’ um.“dpa