Wolfsburg. Im VW-Konzern arbeiten Zukunftsforscher an den Ideen für die Autos von morgen. Dabei geht es längst nicht nur um E-Antriebe.

Die Zukunft bei VW hat immerhin schon mal ein Gesicht und trägt auch ein Namen: Sedric. Das Auto, das VWs Zukunftstüftler mit der Abkürzung für Self Driving Car versehen haben, sieht allerdings eher aus wie ein Teil eines U-Bahn-Waggons. Es fehlt der Platz für einen Fahrer, und auf die für ein Fahrzeug typischen A-, B- und C-Säulen haben die Ingenieure auch verzichtet. Die Räder sind abgedeckt und damit nicht sichtbar.

Sedric, sagt Peter Wouda, Chef von Volkswagen Design-Future-Europa in Potsdam, trage allein durch sein Aussehen für Passagiere die Botschaft nach außen: Wir werden gefahren. Selbstfahrende Autos zählen zu den bedeutenden, zukunftsweisenden Themen im Volkswagen-Konzern, aber auch Sedric ist dabei nur eine Momentaufnahme. Eine von vielen.

Die Studie war zuerst in Genf im März dieses Jahres und dann in weiterentwickelter Form in Frankfurt auf der IAA im September zu sehen. Sie würde nach ihrer Realisierung in erster Linie einen Nutzwert erfüllen. Auch künftig sollen Autos jedoch Emotionen erzeugen und sie sollen vor allem vielfältige Aufgaben erfüllen.

Aber Fahrzeuge wie Sedric dürfte es tatsächlich eines Tages geben, also Fahrzeuge, wie Wouda es nennt, mit „einer Willkommenskultur“: Die breiten Türen gehen auf, und wer möchte, lässt es sich vor allem auf den Plätzen in Fahrtrichtung gut gehen. In Autos dieser Art, die schon in fünf Jahren auf den Straßen zu finden sein könnten, werden zu einem zweiten Wohnzimmer – und damit zu bewegten Lebensbereichen. Der Clou dabei: Sie können auch von Passagieren genutzt werden, die keinen Führerschein besitzen. Dabei aber wird es nicht bleiben. Autos dürften langfristig, also in 25 bis 30 Jahren, Grenzen überschreiten, die die Vorstellungskraft von heute übersteigt.

Der Volkswagen-Konzern hat sich für diese Aufgabe gerüstet durch Mitarbeiter wie Designer Wouda, Wolfgang Müller-Pietrella, der eine ganze Abteilung unter sich hat, die sich mit Zukunftsforschung und Trendtransfer beschäftigt, und Chief Digital Officer Johann Jungwirth. Die Arbeitsbereiche sollen Ideen in höchst unterschiedlichen Richtungen entwickeln. Konzernchef Matthias Müller fordert diese ein.

„Wir wollen die Träume

unserer Käufer kennenlernen“

Vor zwei Jahren, unter Martin Winterkorn, wurden andere Prioritäten gesetzt. „Es ging um die Präzision des Blechs, die Güte der Flächen und Kanten“, sagt Wouda. Für die Ergebnisse dieser Arbeit würde man heute weltweit von der Konkurrenz bewundert. Wer Winterkorn jedoch mit Ideen gekommen sei, die abseits der aktuellen Fahrzeugentwicklung lagen, habe „bei bestimmten Themen auf die Finger“ bekommen.

Die Unternehmenskultur ist jetzt im Konzern eine andere. Wouda sagt: „Meine Arbeit hat sich komplett geändert.“ Die Türen würden offen stehen, und nicht nur die von Müller für seine Mitarbeiter, sondern auch für Kunden. Konkret bedeutet das, dass nicht erst das Endprodukt Kunden präsentiert wird. „Wir wollen die Träume unserer Käufer kennenlernen“, sagt Wouda. Und vielleicht auch verwirklichen.

Es hat sich trotz Dieselskandals in weiten Teilen des VW-Konzerns eine Aufbruchsstimmung breitgemacht. So hätten sich noch bis vor zwei Jahren die einzelnen Marken des Konzerns gegeneinander abgeschottet. In einer trüben Modellhalle seien die Fahrzeuge nach Marken sortiert worden. Und wer kam, sollte „nicht sehen, was die anderen machen“, sagt Wouda. Nun seien diese Bereiche für alle Mitarbeiter offen. Grenzen gibt es nicht mehr.

Der Fahrer von morgen werde auf den Batterien seines Autos sitzen, das höher gebaut sein wird, meint Wouda. So gesehen sind SUV, so kurios das auch scheinen mag, wenigstens von der Karosserie her Autos, die über die Gegenwart hinausreichen. BMW hat es für Wouda bereits vorgemacht mit der Entwicklung des i3. „Die haben Pionierarbeit geleistet“, sagt er. „Und dabei kann man eben auch auf die Nase fallen.“ Die Proportionen des i3 findet Wouda nicht gelungen. „Unsere neu entwickelten Elektroautos werden attraktiver aussehen.“

Die Vorderwagen würden kürzer werden, weil da ja „kein Motor untergebracht werden muss“. Die Räder würden weiter vorn montiert werden, dadurch würden sich neue Chancen für den dann größeren Innenraum und dessen Gestaltung ergeben. Und diese Autos sollen mehr können als heute. Wenn man einen Leihwagen am Flughafen übernimmt, sollte der schon wissen, welche Termine der Fahrer auf seiner Agenda habe und wo es hin geht. Ohne Eingabe. Zum Beispiel durch die Kopplung des elektronischen Terminkalenders.

Das Auto der Zukunft weiß, wer es fahren wird, sobald sich ein Fahrer nähert. Das gilt auch innerhalb der Familie. Ob Mann, Ehefrau oder Kinder einsteigen, das Auto weiß schon Bescheid.

Zukunftsforschung geht weit darüber hinaus, ob nun ein E-Motor den Wagen antreibt, es selbst fährt oder welches Design es hat. „Es war noch nie so spannend, Teil der Autoindustrie zu sein“, sagt Wouda. Und irgendwie kann man ihm Glauben schenken.