Utsunomiya. Honda galt einst als BMW der japanischen Marken – die Zeiten sind längst vorbei. Jetzt will der Hersteller wieder Terrain erobern.

„Ein komisches Gefühl, nicht?“, fragt Ingenieurin Inouki schmunzelnd. Der Honda Legend, der wie alle Versuchsträger auf dem Weg zum voll automatisierten Fahren mit Kameras, Radar und laserbasierter Lidar-Sensorik gespickt ist, fährt selbstständig auf der Teststrecke, er blinkt, überholt und bremst bis zum Stillstand, wenn ein Stau erkannt wird. Ein Rütteln des Sicherheitsgurts signalisiert dem untätigen Fahrer vor der Abfahrt, dass nun wieder menschliche Hände ins Lenkrad greifen sollten.

Wie die Mehrheit der Autohersteller arbeitet auch Honda am „Next Big Thing“ und will Kunden ab 2020 die Möglichkeit geben, sich auf Autobahnen vom Fahrzeug lenken zu lassen. Ab 2025 will man den zunehmend komplexen Stadtverkehr bewältigen. Was Honda auf der Versuchsstrecke beim Entwicklungszentrum in Utsunomiya, rund 100 Kilometer nördlich von Tokio zeigte, illustriert zwar den augenblicklichen Stand der Technologie. Doch für den japanischen Hersteller geht es um viel mehr. Nach Jahren der Stagnation will man endlich wieder mit Innovationen und attraktiven Modellen punkten.

2018 soll ein 215 PS starker Hybrid nach Deutschland kommen

Dabei hatte das Unternehmen schon 1999 mit dem Insight fast zeitgleich zum Toyota Prius einen Hybrid entwickelt und lange vorher Versuche mit batterieelektrischem und Wasserstoffantrieb unternommen. Diese Vorreiterrolle will sich Takahiro Hachigo mit dem Konzept „2030 Vision“ zurückholen. Für den Ingenieur, der seit 2015 als Präsident und CEO die Geschicke Hondas lenkt, bedeutet das Modelle, die für einzelne Märkte maßgeschneidert werden, die Weiterentwicklung von Autos mit einem Mix der alternativen Antriebe und intensive Forschung im Bereich Künstliche Intelligenz (KI), einem Baustein auf dem Weg zu einer komplett autonomen Mobilität. Um im japanischen Bild zu bleiben: Wie ein Teppanyaki-Koch muss Hachigo vor erwartungsvollem Publikum traditionsreiche japanische Messer schwingen, um präzise und schnell mit vielen Zutaten attraktive Gerichte zu präsentieren.

Zu diesen Zutaten, die Hondas Ingenieure in Utsunomiya in Aussicht stellen, zählt ein Hybridmotor mit der Bezeichnung i-MMD (Intelligent Multi Mode Drive), der aus einem 2,0-Liter-Vierzylinder und zwei Elektromotoren sowie einer 11-kWh-Lithium-Ionen-Batterie besteht. Anders als beim Prius oder beim Hyundai Ioniq kommt der i-MMD ganz ohne Getriebe aus. Dessen Funktionen werden von den drei Motoren übernommen. Das leichte und effiziente System soll laut Honda 215 PS leisten und über 315 Nm Drehmoment verfügen.

Bei einer kurzen Testfahrt mit einem im Van Odyssey montierten Prototypen überzeugte der
i-MMD mit sportlich nahtlosen Übergängen zwischen Elektroantrieb und Verbrenner und rapider Rekuperation aus der Bremsenergie. Fest steht, dass dieser Hybrid 2018 auch in Deutschland debütieren wird. Zwar schweigt Honda, aber man darf vermuten, dass die Premiere in der neuen Generation des SUV CR-V im nächsten Jahr stattfinden könnte. Parallel dazu zeigten die Entwickler eine neue Plattform, die sich mit strömungseffizienten Leichtbaukomponenten ebenfalls für kleinere Baureihen mit alternativen Antrieben eignen würde.

Nach Hachigos Plänen sollen bis 2025 zwei Drittel aller in Europa verkauften Autos einen Elektroantrieb haben. Kern der Offensive ist eine Forschungsabteilung im Entwicklungszentrum in Utsunomiya. 2018 will man ein Batterieauto für China produzieren. Selbst Toyota, das viele Jahre auf Hybrid-Technologie setzte, verantwortet nun ein Forschungs- und Entwicklungszentrum für elektrische Mobilität.