Embsen. Beim vierstündigen Kursus des ADAC können ältere Autofahrer ihr Können hinter dem Steuer überprüfen.

Vor Klaus Weber liegt das Ziel, eine nasse, rutschige Piste. Vor ihm könnte auch die Antwort auf die Frage liegen, ob er es noch kann. Leise tuckert der Motor des Skoda Fabia vor sich hin. Weber blickt starr geradeaus, das Lenkrad hält er fest umklammert, dann gibt er Gas. 30, 40, 50 km/h. Als er bei Tempo 60 auf die Bremse tritt, schießen vier Fontänen vor dem Wagen in die Höhe. Ein riesiger Schwall Wasser ergießt sich auf die Windschutzscheibe. Weber, der eigentlich eine Vollbremsung machen und ausweichen sollte, ist mit Karacho in die Wasserwand gedonnert. „Das ist das Alter, da gibt’s kein Vertun“, sagt Weber. Er wirkt ein bisschen geknickt.

Als kritische Schwelle sehen Experten das 75. Lebensjahr

An einem nasskalten Frühlingstag nimmt Klaus Weber an einem Fahrsicherheitstraining des Automobil-Clubs ADAC im niedersächsischen Embsen teil. Das Programm, speziell für Senioren entwickelt, soll älteren Autofahrern helfen, sich im Verkehr besser einzuschätzen und auf brenzlige Situationen vorzubereiten. Außer Weber besuchen sieben weitere Autofahrer den Kursus, nicht alle ganz freiwillig. Einer von ihnen hat die 95 Euro für das Training ohne Druck von außen gezahlt. Er würde sein Auto „gern im Grenzbereich“ testen. Er zählt mit 68 Jahren aber auch zu den Jungen Wilden. Der älteste Teilnehmer ist 80 Jahre alt. Weber ist 79. Pauschal lasse sich nicht sagen, wie sehr das Alter die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt, sagt Torsten Milarg, Kursleiter und Fahrsicherheitstrainer beim ADAC. Zwar lasse die Hör- und Sehfähigkeit nach, ebenso das Reaktionsvermögen. Als kritische Schwelle gilt das 75. Lebensjahr. „Doch wie fit Ältere sind“, sagt er, „unterscheidet sich von Mensch zu Mensch grundlegend.“

Mit einem Funkgerät in der Hand steht Milarg jetzt an der ADAC-Sicherheitsstrecke und gibt Instruktionen durch. Die Senioren umkurven in ihren Autos rot-weiße Hütchen, das Tempo ist eher gemächlich, trotzdem landen einige Pylonen abseits der Strecke. „Fahren Sie ruhig etwas sportlicher“, ruft Milarg ihnen zu. „Achten Sie auf Ihre Haltung, stellen Sie die Sitze mal weit zurück, bleiben Sie aber aufrecht sitzen.“ Dann sollen die Senioren versuchen, beim Slalom nicht starr auf die Hütchen zu gucken. „Die Blickführung ist extrem wichtig“, sagt Milarg. „Wer auf das Hindernis guckt, fährt darauf zu; konzentriert man sich jedoch auf die Lücke, hat man bessere Chancen auszuweichen.“

Die Frage, wie das Alter die Fahrtüchtigkeit beeinflusst, beschäftigt Verkehrsexperten schon lange. Mediziner haben keinen Grund gefunden, Menschen ab einem bestimmten Alter die Fahrtüchtigkeit abzusprechen. Ältere Autofahrer verfügen über viel Erfahrung, sie fahren umsichtiger, selten zu schnell und verschätzen sich weniger beim Überholen. Studien zeigen aber auch, dass
sie komplexe Situationen langsamer erfassen und später reagieren als junge Fahrer. Und wenn über
75 Jahre alte Autofahrer in Unfälle verwickelt sind, sind sie in drei von vier Fällen die Verursacher. Selbst in der Hochrisikogruppe der Fahranfänger zwischen 18 und 21 Jahren liegt die Quote etwas niedriger.

Die Unfallforschung der Versicherer (UDV) fordert deshalb seit Jahren verpflichtende Fahrtests für Senioren ab 75 Jahren. Rund zwei Millionen Autofahrer in Deutschland wären von einer derartigen Regelung betroffen. Bisher scheiterten jedoch alle Initiativen. Der Verkehrsgerichtstag in Goslar hat Ende Januar einen erneuten Vorstoß der Versicherer mit Blick auf die „unzureichende Datengrundlage“ zurückgewiesen. Auch Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lehnt eine Testpflicht für Senioren ab. „Die absolute Zahl der von Senioren verursachten Unfälle könnte in den nächsten Jahren zum Problem werden“, sagt hingegen Unfallforscher Siegfried Brockmann. So werde sich der Anteil der über 80-Jährigen in den nächsten
30 Jahren verdoppeln.

Vier Stunden später sind die Senioren mit dem Programm durch. Klaus Weber sagt, er fühle sich nun „nicht mehr wie 80 am Steuer, sondern eher wie 70“.