Braunschweig. Schlieren und weniger Tee-Aroma: Die Kunden von Bischoffs Teeladen im Westlichen Ringgebiet sind vom neuen Wassermix von BS Energy nicht überzeugt.

Auch nach drei Monaten erhitzt der neue Braunschweiger Wassermix noch die Gemüter. Fast täglich erreichen die Redaktion Briefe, in denen Leser dem früheren, besonders weichen, annähernd reinen Harzwasser nachtrauern. Insbesondere Teetrinker stören sich an den Folgen des – durch Beimischung von Börßumer Brunnenwasser – kalkhaltigeren Leitungswassers. Längst nicht nur die Eheleute Andrea und Hans-Joachim Naether klagen in Mails über eine dünne Schicht, die auf dem Tee schwimmt und anschließend an der Tasse haften bleibt, wie sie mit Fotos belegen.

Umfrage unter Teefreunden in „Bischoffs Teeladen“ in Braunschweig

Ein guter Anlass, sich bei Teefreunden der Region umzuhören: Wie haben sie die Umstellung erlebt, wie reagieren sie? Wohl kein Ort ist dafür besser geeignet als „Bischoffs Teeladen“. In dem winzigen Geschäft am nördlichen Ende der Goslarschen Straße stapeln sich Blatt-, Früchte- und Kräutertees in Dosen, Papiersäcken und Deckelfässern bis unter die Decke. Hinter dem mächtigen, in Würde gealterten Tresen mit der großen mechanischen Waage steht Lennart Leiste. Der 27-Jährige, der das Geschäft vor gut zwei Jahren von seinem Stiefvater, dem Gründer und Namensgeber Jörg Bischoff, übernommen hat, lädt ein, auf einem der mit Kissen bestückten Teefässer Platz zu nehmen.

Auch er ist neugierig, was die Umfrage zutage fördern wird. Und hat selbst einiges zu berichten. Doch zunächst gibt es Tee: „Pi Lo Chun“ heißt der blumig duftende China-Import, den Leiste in einem henkellosen Steingut-Tässchen kredenzt. Eine „Schicht“ oder Teehaut, wie sie sich aus dem Zusammenspiel von Kalk im Wasser und den ätherischen Ölen des Tees bilden kann, ist zumindest hier und jetzt nicht zu erkennen.

Auf dem Foto unserer Leser Andrea und Hans-Joachim Naether ist ein öliger Film auf der Teeoberfläche deutlich sichtbar.
Auf dem Foto unserer Leser Andrea und Hans-Joachim Naether ist ein öliger Film auf der Teeoberfläche deutlich sichtbar. © privat | Hans-Joachim Naether
Auf dem Grüntee, den Lennart Leiste in seinem Teeladen ausschenkt, ist keine „Schicht“ zu erkennen.
Auf dem Grüntee, den Lennart Leiste in seinem Teeladen ausschenkt, ist keine „Schicht“ zu erkennen. © FMN | Andreas Eberhard

Doch für Leiste ist ohnehin der Geschmack entscheidend. „Und Mineralien und Kalk sind die Endgegner für das Geschmacksvolumen“, sagt er. Deshalb sei, wie er aus vielen Kundengesprächen wisse, die Wasserumstellung eine „Riesensache“ unter Teetrinkern. „Niemand von denen tut das Thema ab.“

Mineralien und Kalk sind die Endgegner für das Geschmacksvolumen
Lennart Leiste - Inhaber von „Bischoffs Teeladen“

Nicht so dramatisch sehen Evelyn Bär (22) und Nico Zäntsch (25) die Umstellung. Das junge Paar kommt aber auch nicht, um Tee zu kaufen. Es ist eher ein „geschäftlicher“ Besuch: Die beiden Studierenden, die sich mit Kommunikation und Marketing beschäftigen, helfen dem kleinen Laden, den sie sympathisch finden, bei der Außendarstellung. Und das, obwohl sie selbst am liebsten Kaffee trinken. „Und da merken wir rein gar nichts“, erzählt Zäntsch. Bär ergänzt: Ja, beim Trinkwasser, da sei ein „ganz subtiler Unterschied“ spürbar. Aber beide sind „nach wie vor zufrieden“ mit dem Braunschweiger Wasser. Aber wie sehen nun echte Teetrinker die Sache?

Das Paar Nico Zäntsch (25) und Evely Bär (22) sind von Haus aus Kaffeetrinker. Die beiden Medien-Studierenden unterstützen „Bischoffs Teeladen“ bei der Kommunikation.  
Das Paar Nico Zäntsch (25) und Evely Bär (22) sind von Haus aus Kaffeetrinker. Die beiden Medien-Studierenden unterstützen „Bischoffs Teeladen“ bei der Kommunikation.   © FMN | Andreas Eberhard

„Muffig und abgestanden“: Seit Februar steht der Wassersprudler still

Für Tobias Henke ist die Sache eindeutig: „Muffig und abgestanden“ kommt dem Kunden das neue Wasser vor. „Ich hätte das nicht für möglich gehalten“, sagt der 31-jährige Braunschweiger, der im Stadtteil Alt-Lehndorf wohnt. Er wurde von dem Wassermix-Wechsel überrascht, als er von einer Reise zurückkam. Die Ankündigung hatte er nicht mitbekommen. „Als ich ein Glas Wasser trank, dachte ich: Was ist das denn?“ Er habe daraufhin bei BS Energy angefragt, ob es Qualitätsprobleme oder gar einen Bakterienbefall gebe. Erst da habe er von dem neuen Mix erfahren.

Als ich ein Glas Wasser trank, dachte ich: Was ist das denn?
Tobias Henke - Teekäufer, über den neuen Wassermix in Braunschweig

Seitdem, berichtet er, sei sein Haushalt auf Flaschenwasser umgestiegen. Der Wassersprudler stehe seit Februar ungenutzt in der Küche. Beim Tee dagegen, den er weiter mit Leitungswasser zubereitet, fällt ihm der Wechsel weniger unangenehm auf. „Man hält’s aus“, sagt er. „Vielleicht liegt’s an der Sorte“, wirft Ladenbesitzer Leiste ein und deutet auf den kräftig aromatisierten Jasmintee, den Henke gerade verstaut. „Möglich“, sagt der. „Ich nehme jetzt aber auch mehr Teeblätter, damit’s intensiver wird.“ Außerdem denkt er nach eigenem Bekunden über den Kauf eines Wasserfilters nach.

Welchen Unterschied machen Wasserfilter?

Ja, Wasserfilter: auch so ein Thema. Eins, mit dem sich Leiste „noch nicht wirklich intensiv beschäftigt“ hat, wie er freimütig bekennt. Jedoch weiß er von vielen Kunden zu berichten, die sich einen zugelegt haben. „Die sagen mir alle: Es macht einen großen Unterschied.“ In sein Warenangebot aufnehmen möchte er die Filter trotzdem nicht. Die Plastik-Kannen mit Einsatz passen auch schlecht zum zeitentrückten Interieur des Ladens aus Holz, Orient-Teppichen, vielen Buddha-Statuetten und gerahmten schwarz-weißen Reisefotografien.

Die große mechanische Waage auf dem Tresen ist der Blickfang in „Bischoffs Teeladen“ in Braunschweig.
Die große mechanische Waage auf dem Tresen ist der Blickfang in „Bischoffs Teeladen“ in Braunschweig. © FMN | Andreas Eberhard

Leiste sieht seine Zuständigkeit vor allem bei der Wahl des richtigen Tees. Und bei der muss das Wasser berücksichtigt werden. Schon vor der Umstellung sei das ein Thema gewesen: „In Meine, wo das Wasser schon immer härter war, verkaufe ich auf dem Wochenmarkt seit langem vor allem kräftigere Tees wie Assam“, gibt er ein Beispiel.

Neuer Wassermix: Feine Aromen kommen nicht mehr zur Geltung

Auch in Braunschweig wird es zumindest ein Stück weit in diese Richtung gehen, vermutet er. Ein feiner, milder Grüntee wie die Sorte „Misty Green“ komme nun nicht mehr so gut zur Geltung wie früher: „Seine fruchtige Note im hinteren Zungenbereich hat durch die Umstellung stark abgebaut“, bedauert er. „Den würde ich jetzt eher Kunden empfehlen, die einen Filter haben.“ Der „Pi Lo Chan“ in der Tasse, dessen Geschmack im Mund lange anhält, hat dieses Problem spürbar nicht.

Sechs Fakten zum Tee

Woher kommt der Tee? Das wichtigste Erzeugerland für Schwarz- und Grüntees ist nach Angaben des Deutschen Tee- und Kräuterteeverbands China. Die dortige Jahresproduktion, knapp die Hälfte der Weltproduktion (49,1 Prozent) betrug 2022 demnach über 3 Millionen Tonnen. China wird gefolgt von Indien (21,1 Prozent), Kenia (8,3 Prozent) und Sri Lanka (3,9 Prozent). 17,9 Prozent der Teeerzeugung stammen aus anderen Ländern.

Wer verdient am Tee? Laut einer Studie, die die Hilfsorganisation Oxfam bereits 2019 veröffentlichte, verdient am Teeverkauf vor allem der Einzelhandel. Von den knapp 3 Euro für ein handelsübliches Paket Schwarztee mit 50 Beuteln verbleiben demnach rund 2,60 Euro beim Supermarkt und dem Hersteller in Deutschland. Rund 20 Cent erhalten Zwischenhändler. 16 Cent geht an die Plantagenbesitzer. Die dortigen Arbeiter und Arbeiterinnen, die in der Regel für Hungerlöhne arbeiten, bekommen nur 4 Cent.

Wie nachhaltig ist die Teeproduktion? An der Verwendung von Pestiziden, am Verbrauch und der Verschmutzung von Wasser sowie an der Entwaldung ganzer Landstriche für den Anbau von Tee üben Umweltverbände scharfe Kritik. Auch die Vereinten Nationen bemängelten anlässlich des Internationalen Tages des Tees am 21. Mai 2023: „Insbesondere die Benutzung chemischer Pestizide schadet den Böden, dem Wasser, der Biodiversität und der Gesundheit der Plantagenarbeiterinnen und -arbeiter, die sich nicht ausreichend schützen können. Um Plantagen anzulegen, werden immer wieder Indigene Völker vertrieben und Wälder abgeholzt.“

Wie hoch ist der Anteil der Bioware? Trotz des höheren Preises hat der Anteil von Bio-Tees an der vekauften Gesamtmenge laut den Branchenverband in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. 2022 lag der Bio-Anteil demnach bei 15,6 Prozent.

Wer trinkt am meisten Tee? Deutschland lag 2022 beim Konsum von schwarzem und grünem Tee in Europa auf dem siebten Platz – mit einer Pro-Kopf-Menge von 27,8 Litern pro Jahr. Auf Platz eins lagen die Iren mit durchschnittlich 198 Litern, gefolgt von den Briten mit 167 Litern. Noch deutlich mehr Tee als die Iren trinken allerdings die Ostfriesen: Laut dem Deutschen Tee- und Kräuterteeverband sind es jährlich 300 Liter pro Kopf.

Loser Tee oder Beuteltee? Bei Schwarz- und Grüntees lag der Anteil des losen Tees im Jahr 2022 bei 55 Prozent. 45 Prozent wurde als Teebeutel gekauft. Bei Kräuter- und Früchtetees ist das Verhältnis weniger ausgeglichen. Hier gingen nur 10 Prozent in loser Form über den Ladentisch. 90 Prozent wurde in Beuteln verkauft.

Für Leiste bedeutet all das: Er muss den Einkauf seiner Ware anpassen. Mehr als 200 verschiedene Sorten Tee, schwarz und grün, probiert er dafür nach eigenen Angaben jährlich aus. Wichtig ist dabei, dass das passende Wasser zum Einsatz kommt. Deshalb lässt es sich die Teeproben in den Laden schicken. „Denn was hilft es uns, wenn ein Tee in Hamburg oder Bremen schmeckt – und hier nicht“, sagt er. „Das Braunschweiger Wasser ist unser Maßstab.“

Bischoffs Teeladen in Braunschweig. Kundin Sarah Horst
Bischoffs Teeladen in Braunschweig. Kundin Sarah Horst © FMN | Andreas Eberhard

Alles nur eine Frage des richten Tees? Nein, findet Kundin Sarah Horst, die enttäuscht ist vom neuen Wassermix. Die Naturwissenschaftlerin ist erst vor kurzem, nach der Umstellung, aus Bergisch-Gladbach zugezogen – ins Westliche Ringgebiet. Allerdings kannte die Teetrinkerin Braunschweig bereits aus der Zeit ihres Studiums an der TU. „Als ich wusste, dass ich hierher ziehe, dachte ich: Toll, endlich wieder richtig weiches Wasser!“ Aber stattdessen stören auch sie nun „Schlieren auf der Teeoberfläche, vor allem bei Schwarz- und Grüntees“. Durchaus folgerichtig greift sie zur Kräuter- und Früchte-Mischung „Sommerfrische“: Apfel, Minze, Zitronengras.

Als ich wusste, dass ich hierher ziehe, dachte ich: Toll, endlich wieder richtig weiches Wasser!
Sarah Horst - Kundin in „Bischoffs Teeladen“

Auch Sarah-Tabea Leiste (30), die Ehefrau des Ladeninhabers, die kurz vor Geschäftsschluss den Laden betritt, um ihren Mann abzuholen, kommt zu einem ähnlichen Urteil. Die Braunschweigerin ist im Östlichen Ringgebiet aufgewachsen und hat auch in Leiferde gewohnt – „immer mit Harzwasser“, wie sie betont. Doch sie kennt es auch anders. Auf der Ostseeinsel Usedom, wo sie zeitweilig lebte, sei das Wasser so hart gewesen, „dass es fast aus der Leitung bröckelte“. Das habe sie nicht gekannt: stumpfe Haare nach dem Duschen, monatliches Entkalken der Haushaltsgeräte.

Sarah-Tabea Leiste (30) ist die Ehefrau des Teeladen-Inhabers Lennart Leiste und ebenfalls passionierte Teetrinkerin.
Sarah-Tabea Leiste (30) ist die Ehefrau des Teeladen-Inhabers Lennart Leiste und ebenfalls passionierte Teetrinkerin. © FMN | Andreas Eberhard

Als sie dann zurück nach Braunschweig zog und zum ersten Mal den Hahn aufdrehte und einen Schluck nahm, sei ihr erster Gedanke gewesen: „Ich bin wieder zu Hause!“ Kein Wunder, dass auch sie dem „alten Wasser“ nachtrauert. „Es ist ganz anders geworden: mineralischer.“ Sie fühlt sich beim Trinken nun „ganz entfernt“ an Fachinger Mineralwasser erinnert. Aus ihrer Sicht ist das „definitiv eine Verschlechterung“, die sie besonders beim Teetrinken spürt – „derzeit vor allem Rooibusch- und Früchtetee, wegen der Schwangerschaft“.

Bittet man den Teeladen-Besitzer um ein Fazit, so hält dieser zunächst unaufgeregt fest: „Was man wahrnimmt, hängt vor allem davon ab, was man kennt und gewohnt ist.“ In Braunschweig habe es allerdings nun einmal über Jahrzehnte hinweg optimale Tee-Bedingungen gegeben. „Wer die nicht kannte, kann jetzt kaum nachspüren, was er verpasst.“

Braunschweiger Teehändler: Die Palette an Aromen ist kleiner geworden

Macht das Teetrinken in Braunschweig jetzt weniger Spaß? Dass Leiste ganz so weit nicht gehen will, kann man ihm als Teehändler nicht verdenken. „Doch, natürlich macht es noch Spaß“, sagt er, „aber die Palette an Aromen, die man auf der Zunge schmecken kann, ist kleiner geworden.“

Immerhin: Am Absatz von Bischoffs Teeladen hat die Wasserumstellung bisher nichts geändert, erklärt der Geschäftsinhaber. Aus echten Teeliebhabern werden offenbar nicht über Nacht Kaffeetrinker. Auch wenn die liebgewonnen Vorzüge des Braunschweiger Wassers nun weniger geworden sind.

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