Wolfsburg. Drei Pädagoginnen der Käferschule Reislingen haben sich zu Glückslehrerinnen ausbilden lassen. Das vermitteln sie in der Glücks-AG.

Glücklich sein, das möchte wohl jeder. Aber wie geht das, was muss man dafür tun, kann man das lernen? Ja, das kann man. Und am besten möglichst früh, sagen drei Lehrerinnen der Wolfsburger Käferschule, die sich zu Glückslehrerinnen ausbilden lassen haben. An der Reislinger Grundschule läuft seit vergangenem Herbst eine Glücks-AG.

Dienstagmittag, 12.45 Uhr: Die Glücks-AG in der Reislinger Grundschule beginnt. Zwei vierte Klassen sind sozusagen die Prototypen des neuen Formats. Einmal pro Woche läuft die Glücksstunde für die 9- bis 10-Jährigen. Als AG und nicht als Unterrichtsstunde, weil nichts bewertet werden soll. Es soll keine Zensuren geben. Jedenfalls hier in der Käferschule ist das so, in manchen Bundesländern und auch im europäischen Ausland steht das Fach Glück schon auf dem Lehrplan.

Käferschule in Wolfsburg-Reislingen: Kinder dürfen ehrlich sagen, wie es ihnen geht

Die Stunde von Glückslehrerin Katja Sossinka-Hennel beginnt mit einer kleinen Umfrage. Die Pädagogin legt drei große Bilder auf den Fußboden. Kinder sind darauf zu sehen, eines traurig, ein zweites wütend, ein drittes lacht. Die Viertklässler haben kleine bunte Steine, sollen je nachdem wie sich fühlen, ihren Stein auf ein Bild legen. Der Löwenanteil der Steine landet heute auf dem fröhlichen Gesicht.

Wie geht es mir heute? Die Kinder der Käferschule in Wolfsburg-Reislingen legen zum Auftakt Steine auf Gesichter, die lachen, weinen oder wütend sind.
Wie geht es mir heute? Die Kinder der Käferschule in Wolfsburg-Reislingen legen zum Auftakt Steine auf Gesichter, die lachen, weinen oder wütend sind. © regios24 | Sebastian Priebe

Und es folgen sogleich die Erklärungen dafür. „Ich bin glücklich, weil ich heute in Mathe alles konnte, weil wir schon Sport hatten, weil wir jetzt die Glücksstunde haben“, heißt es im kleinen Stuhlkreis, in dessen Mitte die Fotos mit den Beispielgesichtern liegen. Die meisten Kinder schließen sich dem Glücklichsein heute an, aber das könne auch anders sein, beruhigt Pädagogin Sossinka-Hennel. „Es geht um ihr echtes Gefühl in dem Moment. Die Kinder dürfen sagen, wenn sie wütend oder traurig sind.“ Heute findet die 16. Stunde im neuen Glücks-Format der Käferschule statt.

Ein Baum spielt im Glücksunterricht der Wolfsburger Grundschule eine große Rolle

„Machen wir heute den Baum weiter?“, fragt ein Junge. Ja, sicher. Der Baum wartet ja schon auf weitere Veränderungen. Doch dazu gleich mehr. Erst steht ein kleines Bewegungsspiel an. So eine Art Schere, Stein, Papier. Nur viel wuseliger, damit die Kinder sich im Klassenraum bewegen und mit wechselnden Spielpartnern beschäftigen. „Bewegung ist wichtig, und dass sie miteinander kommunizieren“, erklärt Klassenlehrerin Sossinka-Hennel.

Kinder der Käferschule in Wolfsburg-Reislingen beschreiben Stärken und Schwächen

Dann sitzt jedes Kind an seinem Platz, es geht weiter mit einem Regenbogen. Das Thema Wünsche und das, was ich für meine Wünsche tue, steht an. Jeder hat einen noch blassen Regenbogen vor sich auf dem Tisch liegen. Der soll nicht nur Farben, sondern auch Wünsche bekommen. Still ist es jetzt im Klassenraum. Ab und zu geht ein Kind zum großen Baum, der an einer Wand hängt. Und nimmt ein Blatt ab oder hängt ein neues auf. In die Wurzeln des Baumes haben die Mädchen und Jungen ihre Stärken hinein geschrieben. In der Krone hängen ihre Schwächen. „Die Wurzeln machen den Baum stark und halten ihn“, erklärt mir ein Mädchen. Tanzen können, gut rechnen können, in Sport gut sein, singen können steht in den Wurzeln. Ein Junge kommt und nimmt ein Blatt ab, das er in den Wochen zuvor aufgehängt hatte: „Ich kann mich nicht so gut beherrschen“, hatte darauf gestanden.

Der Baum verändert sich von Woche zu Woche. Oben sind die Blätter mit den Schwächen, unten die Wurzeln mit den Stärken der Kinder der Käferschule in Wolfsburg-Reislingen.
Der Baum verändert sich von Woche zu Woche. Oben sind die Blätter mit den Schwächen, unten die Wurzeln mit den Stärken der Kinder der Käferschule in Wolfsburg-Reislingen. © regios24 | Sebastian Priebe

Die Wünsche der Viertklässler der Grundschule Reislingen reichen von Thaiboxer über viel Geld bis Frieden in der Welt

Die Regenbögen sind am Ende der Stunde nicht fertig, aber das müssen sie auch nicht. Sie werden weiter eine Rolle spielen. Stuhlkreis ist zum Ende wieder angesagt. „Was sind die Wünsche, die ihr habt?“, fragt Lehrerin Sossinka-Hennel. Es geht munter durcheinander. „Ich will später Thaiboxer sein. Ich will ganz viel Geld haben, mir alle Süßigkeiten kaufen können. Ich wünsche mir eine Katze oder einen Hund. Ich wünsche mir artige Kinder. Frieden soll sein, Frieden in der Welt“, heißt es aus der Schar. Ein Mädchen sagt: „Ich wünsche mir, dass ich immer mit meiner Freundin befreundet bin.“ Was sie dafür tun könne, fragt die Lehrerin. „Na, sie müsste bei uns einziehen“, heißt die spontane Antwort. Fröhliches Lachen, am meisten bei dem Mädchen selbst. Lachen ist wichtig, ebenso wie Bewegung.

Nächste Stunde der Glücks-AG an der Reislinger Käferschule: Wie können Hindernisse überwunden werden?

In der nächsten Stunde der Glücks-AG wird es um Hindernisse auf dem Weg zum Glück gehen. Und darum, was man tun kann, um sie möglicherweise überwinden zu können. Selbst aktiv werden ist der rote Faden, der sich durch alles zieht.

Auch die Wolfsburger Glückslehrer selbst entwickeln sich unterwegs immer weiter

Glückslehrer sein bedeute auch, dass man sich selbst immer weiter entwickele, wenn man dazu bereit ist, sagt Miriam Asche, die die Glücks-AG in der Parallelklasse leitet. „Es ist ein Weg, zu dem wir uns aufgemacht haben. Man lernt unglaublich viel unterwegs.“ Beim Thema Schwäche geben die Erwachsenen auch ihre Schwächen preis. Und begeben sich damit auf die Gratwanderung zwischen Respekt und Vertrauen, die die Beziehung zwischen Lehrkraft und Kindern ausmacht.

Andere Fächer können auch von der Glücks-AG an der Wolfsburger Grundschule profitieren

Von der Glücks-AG können auch andere Fächer profitieren, sagt Schulleiterin Ulrike Svetlik. „Es geht ja immer darum, etwas zu können oder noch nicht zu können. Um Stärken, Schwächen und Weiterentwicklung. Egal, ob in Mathe, Deutsch oder Sport.“ Und mittlerweile sei ausreichend belegt, dass Kinder in einer Atmosphäre, in der sie sich wohlfühlen, besser lernen können. Den letzten Impuls, sich als Glückslehrerin ausbilden zu lassen, hatte Rektorin Svetlik in der Pandemie bekommen. Mit all den Folgen sozialer Vereinsamung, krank zu werden, den Mut zu verlieren, so wie es Kindern und auch Lehrkräfte erlebten. Über ein Jahr geht die Ausbildung, die die drei Pädagoginnen absolviert haben. Einmal im Monat, jeweils Freitagnachmittag und Samstag, ging es für sie zur Glückslehrerausbildung. Unterricht fiel deshalb nicht aus.

Jetzt hoffen die drei Frauen, dass die Glücksstunden Schule machen. „Glück ist eine Haltung“, sagt Schulleiterin Svetlik. „Für die man selbst viel tun kann.“

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