Braunschweig. Der Vorstandsvorsitzende der Volksbank Brawo spricht über seine Anfänge, zähe Karstadt-Verhandlungen und das Amazon-Prinzip.

Mit rund 160.000 Kund:innen, 53.000 Mitgliedern und einer Bilanzsumme in Höhe von rund 6,09 Milliarden Euro zählt die Volksbank Brawo zu den großen Finanzakteuren unserer Region. Insgesamt 330 Gesellschaften gehören heute zur Unternehmensgruppe der Volksbank, der Brawo Group.

Ob die Brawo City am Wolfsburger Nordkopf, das Ringen um Galeria Karstadt in der Braunschweiger Innenstadt oder der Einstieg bei der Fitnessland-Gruppe – immer wieder sorgt die Genossenschaftsbank mit ihren Investitionen für Schlagzeilen. Das klassische Bankgeschäft scheint in den Hintergrund zu rücken. Kalkül?

Zeit einmal bei dem Mann nachzufragen, der seit rund 23 Jahren an der Spitze der Unternehmensgruppe steht. An einem wechselhaften Montagnachmittag treffen wir den Brawo-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Brinkmann zum Interview – fernab der Finanzwelt im United Kids Foundations-Wald (UKF-Wald) zwischen neu gepflanzten Buchen, Douglasien und der einen oder anderen verbliebenen Fichte ...

Herr Brinkmann, wir befinden uns im Wald der United Kids Foundations. Wie viele Bäume wurden hier gepflanzt?
Viel mehr als wir ursprünglich erhofft hatten. Wir werden bald die 100.000-Marke knacken, unser Ziel lag anfangs bei 50.000.

Wie erklären Sie sich den Zuspruch?
Man kann die Menschen schon zum Nachdenken und Handeln motivieren, wenn man überzeugend erklärt, warum man etwas macht.

Sind Sie persönlich, ist Ihre Bank ein besonders guter Geschichtenerzähler?
Ich habe mal im Marketing gelernt, dass es keinen Sinn ergibt, zu behaupten: Wir waschen weißer als weiß. Man sollte Menschen die Sehnsucht nach der Reise über das Meer vermitteln, anstatt sie aufzufordern, ein Boot zu bauen. Das würde ich mir auch bei unseren aktuellen politischen Debatten wünschen. Anstatt über Verbote für bestimmte Heizungsformen zu diskutieren, könnten wir doch auch die großen Chancen der Energiewende fokussieren. Etwas zu müssen, bewegt niemanden – etwas zu wollen schon eher. Der UKF-Wald bedeutet außerdem Engagement vor Ort, das den eigenen Lebensraum verbessert. Das ist etwas völlig anderes, als anonym zu spenden. Hier sehe ich noch viel mehr Möglichkeiten.

Was stellen Sie sich vor?
Wir haben letztes Jahr eine Kapitalverwaltungsgesellschaft gekauft, mit der wir eigene Fonds auflegen können. Meine Idee ist, dass es so etwas wie einen Regional-Fonds gibt, zum Beispiel für die Verbesserung der Kindergärten oder Schulen. Dort können Eltern und Großeltern einzahlen, dabei vielleicht auf ein bis zwei Prozent Rendite verzichten, mit ihrem Geld aber die Situation aktiv vor Ort verbessern. Auf diese Weise könnten wir die Kommunen vor Ort unterstützen und wären nicht alle gemeinsam davon abhängig, dass sie das mit ihrem Haushaltsplan hinkriegen.

Sehen Sie eine neue Rückbesinnung auf das Regionale?
Ich glaube, wir befinden uns inmitten einer Renaissance. Meine Tochter hat ein Auslandsjahr in Amerika gemacht. Mit den Japanern, Australiern und Südafrikanern, mit denen sie an der Uni war, pflegt sie Kontakt über soziale Netzwerke, so als würden sie in Braunschweig nur drei Straßen entfernt wohnen. Durch die Technik ist die Welt viel kleiner geworden, aber eben auch enorm komplex. Deshalb brauchen die Menschen mehr denn je einen Hafen, in den sie sich zurückziehen können. Für viele ist das die Familie, aber auch die Region ist ein Stück Heimat.

Glauben Sie wirklich, dass die Menschen bereit sind, für Engagement auf Rendite zu verzichten?
Das beweist doch seit Jahren unser Kindernetzwerk. Dort haben wir Menschen, die sich finanziell engagieren wollen, mit Kindern und Familien zusammengebracht, die diese Unterstützung benötigen. Das zu organisieren, ist die Kunst, weil die Parteien sich gegenseitig nicht kennen.

Was sagt es über die Leistungsfähigkeit unseres Staates aus, dass ein Genossenschaftsbanker sich Gedanken macht, wie er helfen kann, die staatlichen Kernaufgaben zu finanzieren?
Kennedy sagte einst: „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann – frage, was du für dein Land tun kannst.“ Ich glaube nicht, dass der Staat in der Lage ist, alles für alle Menschen zu regeln. Das hat in der DDR schon nicht funktioniert. Man muss der Gesellschaft aus meiner Sicht auch vermitteln, dass es ohne Engagement nicht geht. Ohne privates Ehrenamt gibt es keine Feuerwehren, keine Sportvereine.

Vor Ort organisierte Selbsthilfe. Das war die Kernidee der genossenschaftlichen Gründerväter Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen …
Ja, wir sagen: Gemeinsam geht mehr. Das leben wir nicht nur, weil das unser Slogan ist, sondern auch, weil wir so ticken.

Sind Sie in erster Linie ein Bankmanager, der so erfolgreich ist, dass er sich engagieren kann – oder jemand, der im positiven Sinne gestalten möchte und zufälligerweise die Bank als Instrument dafür hat?
Beides gehört zusammen. Man kann nur sozial tätig werden, wenn man auch etwas im Geldbeutel hat. Die Grundvoraussetzung dafür, dass es den Menschen gut geht – unseren Mitarbeitern, den Kunden, den Menschen, die wir unterstützen – ist, dass das Unternehmen erfolgreich ist.

Dazu trägt in den letzten Jahren verstärkt Ihr Wandel von einer Bank zur Immobilien-Holding bei. Wie risikoreich ist diese Strategie?
Banken sind gegründet worden, um Risiken einzugehen. Unser Job ist es, diese zu managen, nicht sie auf null herunterzufahren. Denn dann dürften wir niemandem einen Kredit geben. Ein Kredit ist immer ein Risiko und gerade Corona hat uns wieder gelehrt, dass selbst Unternehmen, die immer erfolgreich waren, plötzlich in riesige Schwierigkeiten kommen können.

Welches Risiko bedeuten Immobilien?
Der Vorteil bei einem Investment in Immobilien ist, dass selbst wenn alles schief geht noch Substanz vorhanden ist – nämlich ein Gebäude. Für uns sind die Immobilien derzeit mehr als stabilisierend. Denn der Immobilienkaufpreis und die Kreditsumme sind fix, aber die Mieten steigen. Das bedeutet, dass unsere Immobilien noch rentabler geworden sind als ursprünglich geplant.

Was ist mit dem Mietausfallrisiko?
Einen Ausfall kann man immer im Portfolio haben. Wir haben Galeria Kaufhof – und das Horten-Gebäude in Braunschweig. Aber das ist wirklich granular, wenn man unsere gesamten Mieteinnahmen betrachtet. So eine geringe Ausfallquote hätten wir im Kreditgeschäft sehr gern!

Jürgen Brinkmann beim Interview im United-Kids-Foundations-Wald nahe Torfhaus im Harz.
Jürgen Brinkmann beim Interview im United-Kids-Foundations-Wald nahe Torfhaus im Harz. © FMN | Holger Isermann

Was ist Ihre Vision für das Horten-Gebäude?
Es gibt genügend Ein-Euro-Läden und Hotels, die in das Gebäude ziehen wollen, auch ein Lebensmittelhändler hat Interesse. Aber wenn wir das machen, bleibt es mindestens weitere 20 Jahre so bestehen und wir vergeben die Chance, etwas wirklich Großes zu gestalten.

Wie meinen Sie das?
Früher hat man Städte für Autos gebaut, jetzt braucht es Aufenthaltsorte für Menschen. Bäume, Spielplätze, Kneipen. Wo ist Braunschweigs Kneipenmeile, wie sie die Düsseldorfer haben, oder etwas Vergleichbares wie die Bremer Schlachte? Dazu braucht es Mut und man muss vielleicht auch mal aushalten, dass ein paar Autos mehr über den Ring fahren, weil sie nicht mehr über den Bohlweg dürfen.

Vermissen Sie diesen Mut in der Stadtverwaltung?
Ich habe im Moment einen guten Vergleich. In Wolfsburg merkt man wirklich, vom Oberbürgermeister bis zum letzten Mitarbeiter im Baudezernat, dass sie etwas verändern wollen. Deshalb engagieren wir uns dort auch so. Die Brawo Arkaden sind ein Projekt von 130 Millionen Euro, Brawo City wird noch wesentlich größer. Dieses unternehmerische Risiko würden wir in keiner anderen Stadt eingehen.

Sie haben in zahlreiche Shopping- und Fachmarktzentren in Deutschland investiert. Warum ist das in Zeiten des wachsenden E-Commerce eine gute Idee?
Wenn Sie genau hinschauen, haben wir keine Shoppingcenter gekauft. Wir nennen unseren Brawo Park so, weil es ein umgänglicher Begriff ist, aber eigentlich sind das alles Fachmarktzentren mit einem Lebensmittelhändler als Anker. Und wo Lebensmittler sind, sind auch die Menschen.

Im Fall Galeria Karstadt waren Sie ein Teil der Rettung. Können Sie uns einen Blick hinter die Kulissen der Verhandlungen geben?
Solche Gesprächspartner braucht kein Mensch.

Was haben Sie erlebt?
Wer zwei Insolvenzen mitzuverantworten hat, sollte vielleicht etwas weniger arrogant auftreten und ein bisschen Demut zeigen. Schnell wurde klar: Die Gesprächspartner interessiert Braunschweig überhaupt nicht. Ich fand es unmöglich, dass man die Kündigung der Mitarbeiter als Druckmittel genutzt hat. Wir wollten, dass Karstadt in den Standort investiert und eine Zukunft bekommt. Dafür brauchte es kreative Wege …

Wie sehen die aus?
Wenn Karstadt investiert, bezuschussen wir nachträglich 50 Prozent.

Für jede Million Euro gibt die Brawo also 500.000?
Genau. Wenn diese Investition nachweisbar ist.

Wenn wirtschaftliches Handeln wie regionales Engagement erscheint, werden Schlagzeilen wie „Die Brawo rettet Karstadt“ oder „Die Brawo rettet Wolters“ erzeugt – gutes Marketing, oder?
Das können andere Banken doch auch. Bei der letzten Berufsfindungsmesse in der Stadthalle hat unser Mitarbeiter Herr Michna aus dem Recruiting einen Brawo-Pulli getragen und wurde auf dem Weg in die Pause von einer Frau angesprochen und dabei gefragt, ob sie ihn mal in den Arm nehmen dürfe. „Ich möchte Danke sagen – für alles, was Sie für die Stadt tun.“ So etwas lässt sich nicht mit Geld bezahlen …

Ist das Kalkül oder ein Nebeneffekt?
Es heißt ja, durch den Erfolg wird der Zufall zur Strategie. Und ganz ehrlich: Wenn Sie mich vor fünf oder zehn Jahren gefragt hätten, was wir 2023 alles als Brawo machen, hätte ich Ihnen nur einen Bruchteil unseres heutigen Portfolios nennen können.

Gutes Stichwort. Man bekommt leicht den Eindruck, dass die Brawo mittlerweile überall ihre Finger im Spiel hat, man ihr gar nicht mehr entkommen kann …
Das find ich gut (lacht). Im Ernst: Fitnessland ist ein schönes Beispiel dafür, wie wir um die Ecke denken. Banken beklagen sich gegenwärtig gern darüber, dass sie zu geringe Frequenzen an ihren Standorten haben und in den jungen Zielgruppen nicht mehr genug Neukunden gewinnen. Wie begegnet man dieser Entwicklung? Man schließt Filialen, baut Mitarbeiter ab und befeuert die Abwärtsspirale weiter.

Wie machen Sie’s?
Die Volksbank hat 160.000 Kunden und Fitnessland hat 65.000. Altersgruppe: die Zukunft. Es muss uns also nur gelingen, aus Fitnessland- Volksbankkunden zu machen. Zum Beispiel in dem wir den jungen Leuten ein kostenloses Girokonto anbieten. Ich bin darauf gekommen, als ich mit Oliver Strauß, Geschäftsführer der Strauß und Lemke Gruppe, darüber gesprochen habe, dass die Kontaktbörse für junge Menschen früher der Club war – heute ist es das Fitnessstudio. Deshalb müssen wir dort präsent sein.

Wie viele dieser Geschäftsideen kommen von Ihnen?
Ich bin gar nicht gut darin, eigene Ideen zu entwickeln, aber ein Meister im Abkupfern.

Wer sind Ihre Vorbilder?
Die gibt es in dem Sinne gar nicht. Ich schaue mir an, was andere Kollegen und Branchen machen. Die Banken können zum Beispiel viel von Volkswagen lernen, von deren Preismodellen.

Lars Henner Santelmann, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Volkswagen Financial Services, sagte einmal im Standort38-Interview, er sei wie ein Schwamm. Er sauge alles auf, verarbeite das unbewusst und beim Zähneputzen käme ihm dann die Idee. Erkennen Sie sich wieder?
Definitiv. Ich lese auch viel, weil ich weiß, dass ich nicht Albert Einstein bin. Also muss ich daran arbeiten. Ich glaube, was wir besser können als andere, ist zuhören. Das würde ich für mich auch in Anspruch nehmen. Uns fällt immer eine Lösung ein. Das ist das Erfolgsrezept der Brawo Group.

Was ist Ihr neuester Erwerb?
Wir sind einer der größten Landwirte in Sachsen-Anhalt und haben in Energie- und Klimaböden investiert. Das ist eine besondere Geschichte, aber eigentlich exemplarisch.

Jetzt sind wir gespannt …
Ein Kunde aus Hildesheim rief an und sagte, Herr Brinkmann, es möchte Sie unbedingt jemand kennenlernen. Ich fragte warum, aber das wollte er nicht sagen. „Kommen Sie mal, mir zuliebe“, antwortete er nur. Das mache ich immer besonders gerne, weil ich weiß, da kommt meist etwas Neues. Vor Ort saßen zwei Herren, die eine super Idee hatten, nur funktionierte sie nicht. Also haben wir Projektarbeit gemacht und mittlerweile eine Lizenz erworben, sodass wir landwirtschaftliche Flächen kaufen können und jetzt groß in Solar- und Windparks einsteigen werden.

Wenn man mit Vertretern aus anderen Branchen spricht, in denen Sie inzwischen auch aktiv sind, sagen die: „Eigentlich fänden wir es gut, wenn die Brawo tun würde, wozu sie da ist, nämlich unser Geschäft zu refinanzieren …“
Ich finde auch nicht gut, dass Volkswagen die Financial Services hat. Gegenfrage: Was ist das Kerngeschäft, mit dem Amazon einmal gestartet ist?

Bücherverkauf.
Und dann?

Hat man das Sortiment diversifiziert …
Genau. Die Bankenbranche ist wie Amazon. Aber sie hat einen entscheidenden Fehler gemacht: Bücher sind alles, was mit Geld und Zinsen zu tun hat – Einlagen, Kredite. Das ist unser klassisches Geschäft. Dann sind wir ganz verwegen gewesen und haben CDs verkauft. Das heißt bei uns dann Bausparverträge, Versicherungen, Wertpapiere. Irgendwann haben wir festgestellt, es werden weniger Bücher verkauft, der iPod ist erfunden, niemand braucht mehr CDs. Und was hat die Bankenbranche gemacht? Sie hat die Standorte und die Mitarbeiter dem Umsatz angepasst. Amazon aber hat exakt das Gegenteil getan und gesagt: „Ich habe das Portal und die Kunden. Wenn die weniger Bücher und CDs kaufen, muss ich etwas anderes verkaufen.“

Was bedeutet das auf Sie übertragen?
Wir haben 160.000 Kunden, die uns vertrauen. Also haben wir überlegt, wo wir Kernkompetenzen haben. Und wer seit 100 Jahren Immobilien finanziert, dürfte sich in dem Bereich doch auskennen, oder? So haben wir uns vielen Themen genähert und haben uns sukzessive weiterentwickelt. Und immer, wenn ein Kunde eine Idee hatte, haben wir uns eine Lösung überlegt.

Wann haben Sie mit der Diversifizierung angefangen?
2008. Wir haben in der damaligen Finanzmarktkrise keinen Euro verloren, weil wir ein paar Wochen vor dem Lehmann-Gau alle Wertpapiere verkauft und unser Kapital auf Festgeldkonten geparkt haben. Jahrelang haben mich Kollegen gefragt, woher ich die Glaskugel hatte …

… und?
Wir waren wirklich an einem Punkt, wo wir nicht mehr verstanden haben, was gerade passiert und haben beschlossen, dass wir deshalb nicht mehr mitmachen. Sonst hätten wir sicherlich auch 30 oder 40 Millionen Euro verloren. Danach haben wir angefangen zu investieren und erleben heute trotz all der Krisen Jahr für Jahr Rekordergebnisse.

Wenn jemand uns gegenüber Ihre bank-fremden Aktivitäten kritisiert, folgt im gleichen Zuge meist der Hinweis, dass wir das aber nicht schreiben sollen. Die Angst vor öffentlicher Kritik ist ein Phänomen, was wir sonst vor allem im Zusammenhang mit Volkswagen kennen …
Ich glaube, dass wir in unserem Unternehmen eine sehr offene Kultur leben und auch mit Kritik konstruktiv und fair umgehen. Wir haben noch nie einen Anwalt eingeschaltet, weil jemand etwas gesagt hat, was uns nicht gefallen hat oder haben eine Unterlassungsklage angestrebt.

Rund 130 Millionen Euro möchte die Volksbank Brawo in die Wolfsburger Brawo Arkaden investieren.
Rund 130 Millionen Euro möchte die Volksbank Brawo in die Wolfsburger Brawo Arkaden investieren. © STRUCTURELAB architekten | Structurelab architekten

VW Financial ausgenommen, seit wann sind Sie die Nummer eins in der Region?
Das müssen andere beurteilen. Es gibt auch Geschäftsfelder, wo wir noch Potenzial haben, aber in Summe sind wir sehr gut aufgestellt in der Region.

Wie haben Sie das Wachstum erlebt?
Ich bin zum Jahreswechsel 1999/2000 gekommen. Damals gab es eine übermächtige Nord-LB, die Braunschweigische Staatsbank, wie einige damals noch sagten, und eine Volksbank mit einer schwierigen Historie. Denn man hatte vor etlichen Jahren ein Vorstandsmitglied ermordet und daraufhin alle Werbung am Gebäude abgeschraubt. Als ich zum Bewerbungsgespräch gekommen bin, habe ich aus dem Auto heraus meine Frau angerufen und gesagt, hier fange ich nicht an. Die Stadt ist fürchterlich, der Bahnhof eine Katastrophe und die Volksbank willst du gar nicht sehen.

Trotzdem sind Sie geblieben …
Meine Frau hat mich damals überredet, zumindest meinen Marktwert zu testen, um beim nächsten Vorstellungsgespräch besser vorbereitet zu sein. Dann habe ich den Fehler gemacht und bin über die damalige Fußgängerbrücke vom Bahnhof zum Merkur gegangen. Auf der Hälfte der Strecke habe ich festgestellt, dass meine schönen schwarzen Lederschuhe bis oben hin voll Taubenkot waren. Kein guter Start – aber man wollte mich haben und mit etwas Abstand, habe ich das große Potenzial der Bank gesehen. Ich war mir sicher, dass wir daraus etwas machen können.

Wie sah damals die Marktlage aus?
Die Nord-LB hat uns zum Glück nicht richtig ernst genommen. Wir hatten nur 20 Prozent der Privatkunden, also haben wir uns aufs Firmenkunden- und später aufs Baufinanzierungsgeschäft konzentriert. Als ich mir den Zweig genauer angeschaut habe, ist mir unser Immobilienmakler aufgefallen, der weniger Umsatz gemacht, als er im Jahr brutto verdient hat (lacht). Es war also viel zu tun.

Man sagt, dass der BrawoPark nicht ohne Grund höher sei als das Hochhaus der Braunschweigischen Landessparkasse…
Deswegen sind wir fünf Jahre lang nicht in unseren Turm eingezogen, weil jeder gesagt hat, dass wir ihn nur gebaut hätten, um genauso hoch zu sitzen, wie die Kollegen von der BLSK. Schließlich sind wir als Vorstand am Berliner Platz als letzte Abteilung ausgezogen, weil schlichtweg kein Platz mehr war. Aktuell sitzen dort die Firmenkundenbetreuer – davon haben wir heute mehr beschäftigt als es bei meinem Start insgesamt Mitarbeiter im Firmenkundenbereich gab.

Wie kommen Sie darauf, dass man die Volksbank nicht ernstgenommen hat?
Es gab damals einen Bankenkreis, in dem man sich regelmäßig traf. Das erste Mal im Vorstandsbereich der Nord-LB – das werde ich meinen Lebtag nicht vergessen. Damals hatten sie noch einen Sternekoch, es gab ein Fünf-Gänge-Menü mit Kronleuchtern auf dem Tisch. Und ich hatte Respekt bis in die letzte Haarspitze. Zum Glück hatte ich meinen Vorstandskollegen Rüdiger Reineke dabei. Er hatte einen guten Draht zu einer hohen Führungskraft der Nord/LB. Die beiden haben sich ewig unterhalten und mich komplett ignoriert. Nach zwei Stunden drehte sein Gesprächspartner ganz leicht den Kopf zu mir und fragte: „Und wer sind Sie so? “ Ich bin Herr Brinkmann, der neue Vorstand von der Volksbank. Und dann sagte der: „Volksbank, das sind doch die da hinten am Bahnhof. “ Mit einem Satz hat er zum Ausdruck gebracht, wo wir standen.

Eine Demütigung?
Es hat mich gestört und gleichzeitig enorm motiviert. Ich erzähle mal ein bisschen was zu meiner Historie …

Gern!
Ich komme aus ganz einfachen Verhältnissen. Mein Vater war einer von vier Söhnen auf einem großen landwirtschaftlichen Betrieb. Er hat den Landwirtschaftsmeister gemacht und wollte den Betrieb übernehmen. Wäre das passiert, wäre ich heute Landwirt – und zwar mit Leidenschaft. Dann kam aber mein ältester Onkel zurück. Mein Vater musste sich also etwas Neues suchen – er ist Tischler geworden und ich habe ihn während meiner Bankausbildung am Wochenende tatkräftig unterstützt. Wir haben wirklich den halben Landkreis vertäfelt.

Hat die Handwerkerleidenschaft überdauert?
Ich heimwerke heute noch sehr gern, habe eine komplette Werkstatt, übrigens alles in Rot. Das traut mir keiner zu, oder? (lacht)

Wieso trotzdem die Bankausbildung?
Weil ich Ruhe haben wollte vor meiner Mutter, die ständig nervte, ich müsste mich mal irgendwo bewerben. Also habe ich die örtliche Volksbank angeschrieben. Es gab 160 Bewerber auf eine Stelle und die wollten mich haben. So bin ich Bänker geworden, ein reines Zufallsprodukt. Bei der Bank hatte ich auch die ersten Berührungspunkte mit einem Computer, ein IBM XT 286. Aber der war den Führungskräften vorbehalten. Also habe ich einen Deal mit dem Vorstandschef gemacht. „Ab 18 Uhr ist er Ihrer“, hat er gesagt. Ich habe nächtelang vor der Kiste gesessen und mir Programmieren beigebracht. Vielleicht bin ich deshalb heute Aufsichtsratsvorsitzender des IT-Dienstleisters für alle Volks- und Raiffeisenbanken, der ATRUVIA AG mit ca. 9.200 Mitarbeitenden.

Es heißt, Sie wollten gar nicht Direktor werden ...
Soll ich Ihnen das mal ehrlich sagen?

Bitte!
Man muss für die Bankdirektorausbildung verschiedene Seminare besuchen. Das war für mich eine unangenehme Erfahrung. Ich habe nie wieder eine Veranstaltung erlebt, bei der es so wenig Zusammenhalt gab. Das war Wettbewerb vom ersten Tag an. Und als ich die Prüfung bestanden hatte, habe ich allen in die Hand geschworen, dass ich nie wieder zu einer Fortbildung gehe, bei der es Zensuren gibt.

Aber?
Mein damaliger Vorstand hat mich heimlich zum Vorstandsseminar angemeldet und es mir erst vier Wochen vorher gesagt. Ich habe geantwortet, dass ich eher kündige, aber er hat mich überredet, indem er mir klar machte, dass es ab 30 schwieriger würde. Jetzt oder gar nicht. Und dann bin ich doch nach Montabaur, habe als Lehrgangsbester abgeschlossen und bei der Abschlussrede vor versammelter Mannschaft gesagt: Damit eins klar ist, und das meine ich todernst – Vorstand werde ich nie.

Warum?
Ich wollte nie in den Mittelpunkt. Inzwischen gehört das aber dazu. Als ich mich in Braunschweig beworben habe, gab es dort noch drei weitere Vorstände und ich sollte für die internen Abteilungen zuständig sein. Aber innerhalb kürzester Zeit ist einer nach dem anderen ausgestiegen und es gab kein Vertun mehr. Vorstandssprecher zu werden war nie mein Ziel, aber ich war schon immer pflichtbewusst. Es gibt Leute, die für ihr Leben gern im Rampenlicht stehen – ich nicht. Bei den ersten Pressekonferenzen und Kundenveranstaltungen war ich noch schweißgebadet.

Haben Sie deshalb die Direktor:innen eingeführt, die vor Ort die Fahne hochhalten?
Nein, das haben wir erst mit der Fusion eingeführt. Es ist Selbstschutz. Meine Frau und ich haben vor der Corona-Pandemie durchgerechnet, wie viele Hotelübernachtungen ich in dem Jahr hatte. Und bei 200 haben wir aufgehört zu zählen. Dafür verantwortlich sind diverse Aufsichtsratsämter im Verbund der Volks- und Raiffeisenbanken …

Ist Braunschweig trotzdem Ihre Heimat geworden?
Das Einzige, was mir in Braunschweig fehlt, ist das Wasser. Wenn man wie ich zwischen Hamburg und Bremen aufgewachsen ist, hat man in der Jugend die Hälfte der Wochenenden am oder im Wasser verbracht. Zudem bin ich früher intensiv geschwommen, war sogar einmal Deutscher Meister bei der Bundeswehr – 100 Meter Rücken.

TU-Präsident Jürgen Hesselbach hat man aufgrund der vielen gegründeten Forschungszentren in seiner Amtszeit als Baumeister in Erinnerung. Ist das ein Titel, der auch Ihnen gefallen würde, weil Sie wie kaum ein anderer zuvor die Stadt baulich geprägt haben?
Titel sind doch eher Schall und Rauch. Gebäude allerdings prägen langfristig das Stadtbild und ich möchte mit der Volksbank im Rahmen unserer Möglichkeiten für eine positive Wahrnehmung und eine prosperierende Entwicklung der Stadt sorgen. Medial erfährt gerade unser Immobiliengeschäft eine hohe Aufmerksamkeit, dagegen haben es andere Geschäftsbereiche leider ungleich schwerer, mit ihren tollen Leistungen ebenso wahrgenommen zu werden.

Da schwingt Kritik mit. Haben Sie sich deshalb an der Medien für die Region GmbH beteiligt, die das Portal Regionalheute betreibt?
Keineswegs, die Intention ist eine ganz andere. Kurz zur Einordnung: Neben unserem Bankgeschäft ist eine Säule unserer Unternehmensgruppe der Bereich Corporate Investment, also im Kern unsere Unternehmensbeteiligungen. Dabei schauen wir grundsätzlich gern auf etablierte Unternehmen, die expandieren wollen und exakt dafür unsere Unterstützung suchen. Oder etwas verkürzt und mit anderen Worten: Existenzgründer und App-Neuentwicklungen stehen hier nicht im Fokus. Die Basis bei diesen Beteiligungen ist das Vertrauen, das unsere Partner uns entgegenbringen. Wir suchen nicht, sondern werden gefunden, das ist etwas Besonderes. Wir haben tatsächlich noch kein einziges Unternehmen, an dem wir beteiligt sind, initiativ angesprochen.

Einfluss auf die Berichterstattung nehmen Sie aber nicht?
Nein, in keinem Fall.

Sehen Sie das Investment kein bisschen kritisch?
Warum sollte ich? Es ist richtig, dass man regional zusammenrückt - und zugleich ist die unabhängige Berichterstattung der Medien ein hohes Gut. Losgelöst vom Einzelfall sollte jeder Investor sehr verantwortungsbewusst mit Beteiligungen umgehen.

Wo sehen Sie eine Grenze Ihres regionalen Engagements?
In aller Offenheit: Je mehr desto besser, aber wir sind nur ein Teil des Ganzen.

Ihre Firmenstruktur prägt mittlerweile die Region. Wie stellen Sie sicher, dass mit diesem Einfluss verantwortungsvoll umgegangen wird?
Die Werte, die wir im Unternehmen leben, haben wir uns nicht im Vorstand ausgedacht, sie sind auch nicht verordnet, sondern über die Jahre fest im Unternehmen verankert. Wir behandeln alle Menschen fair und respektvoll. Auch ein Kunde, der z. B. insolvent ist, ist deshalb kein schlechter Mensch und kann vieles richtig gemacht haben. Das wissen wir spätestens seit Corona.

Es gibt eine relativ bekannte Karikatur zum Rücktritt von Reichskanzler Otto von Bismarck unter dem Titel „Der Lotse geht von Bord“. Glauben Sie, dass die Brawo in der Erfolgsspur bleibt, wenn Sie sich in den Ruhestand verabschieden?
Die Rolle des Vorstandschefs wird manchmal etwas zu hoch gehangen. Vielleicht ein Fußballvergleich: Wenn Sie einen richtig guten Trainer haben, holt der 110 Prozent aus den Spielern heraus, aber wenn das Spiel angepfiffen wird, muss die Mannschaft überzeugen. Und unsere Grundwerte, denen wir uns verschrieben haben, sind so im Brawo-Team verinnerlicht – das hängt sicher nicht mehr an mir.

Was ist denn heute Ihr Job?
Ich bin der Leitplankenbauer auf der Autobahn, aber die Mitarbeiter müssen schon selbst fahren und auf Unvorhergesehenes reagieren – den Baum auf der Straße oder das Unwetter. Diese Freiheit braucht es, da hilft kein Autopilot.

Sind Sie der Typ Jürgen Klopp oder José Mourinho?
Klopp. Es gibt ja viele, die behaupten, dass man Menschen nicht motivieren muss und es reicht, wenn man sie nicht jeden Tag demotiviert. Menschen haben von Natur aus einen eigenen Antrieb, und genau diesen gilt es zu fördern.

Ist für Sie vorstellbar, dass kein Trainer, sondern eine Trainerin bei der Brawo übernimmt? Was denken Sie über die Geschlechterdebatte?
Ich denke, dass man Frauen mit der Debatte keinen Gefallen tut. Als Mann kann ich mich zwischen 30 und 40 entscheiden – will ich der beste Familienvater der Welt werden, Karriere machen oder der Sportlichste unter der Sonne sein. Alles auf einmal ist schwierig. Und das trifft doch auf Frauen genauso zu. Im Bankenbereich war der Frauenanteil immer schon hoch, bei uns sind es rund 62 Prozent und das haben wir auch ohne Quote erreicht.

… in den Vorständen sieht es aber anders aus …
Das ist eine Frage von ein paar Jahren und dann kommen Frauen auch branchenweit in den Vorständen an. Wenn wir heute sagen, dass Gremien im Verbund der Volks-und Raiffeisenbanken ausgeglichener besetzt sein sollen, funktioniert das noch nicht. Ich habe neulich eine Bankvorständin angerufen, weil ich etwas von der Bank wollte, und diese hat mich nicht mit „Guten Tag“ begrüßt, sondern mit „Herr Brinkmann, ich nehme kein Mandat mehr an.“

Was raten Sie?
Etwas mehr Gelassenheit. Und wenn ein Elternteil mit drei Kindern neun Jahre Elternzeit nimmt und der andere Elternteil in der Zeit weiter Vollzeit arbeitet, wäre es auch unfair, wenn das Ergebnis nicht unterschiedliche Karrierestufen wären.

Nun sind drei Jahre Elternzeit pro Kind und Männer, die komplett weiterarbeiten, ja nicht mehr die Regel. Immer mehr Väter wollen genau das sein und ihre Kinder aufwachsen sehen. Was denken Sie von Führungskräften in Teilzeit?
Väter, die in Elternzeit gehen, sind auch bei uns inzwischen völlig normal. Die ersten hatten es sicherlich nicht leicht, aber das lag weniger am Vorstand als an den männlichen Kollegen. Mittlerweile hat es sich eingespielt. Unterschiedliche Bezahlung und Benachteiligung – das gibt es bei uns nicht.

Ist es vorstellbar, dass die Brawo sich mit weiteren Häusern in der Region zusammentut?
Vor 50 Jahren gab es fast 8.000 Volksbanken, jetzt noch ca. 700. Und diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Im Übrigen hat Größe bei Fusionen noch nie geschadet.

Der Brawo-Park. Im Business Center II (rechts) sitzt die Hauptverwaltung der Brawo Group.
Der Brawo-Park. Im Business Center II (rechts) sitzt die Hauptverwaltung der Brawo Group. © Media VA | Media VA

Wenn man mit Mitarbeiter:innen spricht, die schon länger bei der Brawo arbeiten, hört man, dass Sie schon immer große Visionen hatten, die vor zehn Jahren durchaus etwas größenwahnsinnig wirkten – dass viele davon heute aber Wirklichkeit sind. Welche Volksbank verlassen Sie, wenn Sie aufhören?
Ich hatte weder im Privaten noch im Beruflichen je eine Bucket List und habe nie den Druck verspürt, dieses oder jenes unbedingt noch schaffen zu müssen. Deshalb kann ich Ihnen das nicht sagen. Sicher ist nur, sie wird anders als heute.

Ist Wachstum ein Thema?
Ich werde mich hüten, zu sagen, dass Wachstum keine Rolle spielt. Beispielsweise bei den erneuerbaren Energien gibt es so viele Möglichkeiten, dass sich zu unseren vier großen Säulen (Finance, Real Estate, Corporate Investment und Corporate Social Responsibility) vielleicht eine fünfte gesellen könnte. Wir gehen mit offenen Augen durchs Leben und greifen zu, wenn sich Chancen ergeben.

Es gibt den Satz von erfolgreichen Unternehmern, dass Geld Chancen anzieht …
Das würde ich hundertprozentig unterschreiben. Die Bank ist unser größter Wettbewerbsvorteil. Unser Leiter Development war wirklich auf der ganzen Welt unterwegs und ich habe ihn mal gefragt, warum er mit seinem Know-how bei uns Projektentwicklung macht … und er hat geantwortet, dass ich gar nicht wisse, welchen Schatz wir haben.

Was meint er genau?
Früher musste er bei jedem Projekt erst einmal erklären, warum die Firma die richtige sei, klar machen, dass man die Finanzierung stemmen kann …

… und heute?
Legt er die Visitenkarte auf den Tisch und das Gespräch ist inhaltlich sofort eine Stunde weiter. Denn einer Bank unterstellt man grundsätzlich, dass sie immer flüssig ist. Außerdem können wir schnell agieren, denn wir müssen keine Bankanfragen oder langwidrigen Gutachten erstellen, können selbst entscheiden, wenn ein Objekt oder Projekt attraktiv erscheint. Das führt dazu, dass wir zuletzt zwei Aufsichtsratssitzungen im Dezember hatten, weil gerade auf Verkäuferwunsch noch einige Transaktionen vor dem Jahreswechsel beurkundet werden sollten. Wir schaffen es, dann noch kurzfristig einzusteigen. Unseren Solarpark haben wir vor vielen Jahren z. B. fünf Tage vor Heiligabend gekauft, damit haben wir uns selbst ein exzellentes Weihnachtsgeschenk gemacht.

Sagt das nicht mehr über die Dysfunktionalität des Bankensektors aus als über die Brawo?
Das sagt vor allem etwas über die Regulatorik in Europa aus.

Wenn Geld Chancen anzieht, werden die Reichen in der Folge immer reicher …
Es gibt eine Schieflage und ich würde mir auf jeden Fall mehr Anreize für die Schwächsten wünschen. Es ist in Deutschland mittlerweile zu einfach geworden, ohne Leistung durchzukommen. Am meisten Sorgen bereitet mir aber die klassische Mittelschicht, die Lohn- und Gehaltsempfänger, die ohne staatliche Unterstützung auskommen.

Was bedeutet das für Ihr Haus?
Die Banker sind ganz gut aufgestellt, aber wir haben in einigen Unternehmen auch niedrigere Lohngruppen, die trotzdem eine Familie durchbringen müssen. Diese Bevölkerungsgruppe wird aus meiner Sicht bei vielen politischen Entscheidungen eher vergessen. Das ist aus meiner Sicht gesellschaftlich eher bedenklich.

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, eine Wohnungsbaugenossenschaft zu gründen?
Ja, haben wir. Aber in dem Bereich sind wir in der Region ganz gut aufgestellt. Und auch hier gilt der Grundsatz, dass wir Kunden keine Konkurrenz machen wollen.

Wie blicken Sie auf die aktuelle Entwicklung der deutschen Wirtschaft?
Es bereitet mir Sorgen, dass wir im Moment die Deindustrialisierung wie einen unvermeidbaren Kollateralschaden der Energiewende betrachten. Unter den Top 100 Unternehmen der Welt ist mittlerweile kein einziges deutsches mehr. Wir haben das niedrigste Wachstum in der ganzen EU und von den 25 Industrienationen sind wir inzwischen auf Platz 23 abgerutscht. Vor diesem Hintergrund diskutieren wir über die Viertagewoche. das finde ich nicht nur schräg, sondern sehr bedenklich.

Was kommt denn Ihrer Meinung nach nicht bei der Poltik und den Menschen an?
Was mir wirklich fehlt, ist eine gute Erklärung der aktuellen Lage. Insgesamt nimmt die Politik die Menschen nicht gut genug mit. Vieles was wichtig ist, wird leider nicht gut genug erklärt und damit verstanden. Das sollten wir dringend ändern. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Menschen dann sehr wohl ins Denken kommen und ihr Verhalten ändern.