Braunschweig. Das TU-Gebäude soll ein Vorzeigeprojekt des zirkulären Bauens sein. Wie Gustav Düsing und Max Hacke vorgingen und was das für Studierende bedeutet.

Es soll Menschen verbinden, Lernerfolge versprechen, ein architektonisches Highlight sein und bei all dem noch als Leuchtturm-Projekt in Sachen nachhaltiges Bauen dastehen, das über die ganze Region hinweg strahlt: Das neue, zentrale Studierendenhaus der TU Braunschweig wurde im Juni der Studierendenschaft übergeben. Von einem „bedeutenden Meilenstein“ sprach zu diesem Anlass TU-Präsidentin Angela Ittel. Jetzt haben die Architekten Gustav Düsing und Max Hacke den deutschen Architekturpreis für ihren Bau erhalten.

Für 5,2 Millionen Euro wurde das kastenförmige Gebäude von Februar 2020 bis November 2022 in Modulbauweise errichtet. Es steht inmitten der Altgebäude der TU und macht damit eine weitere architektonische Epoche erlebbar, so sieht es jedenfalls Joachim Schachtner, Staatssekretär im Wissenschaftsministerium. 160 Arbeitsplätze für die Studierenden stehen bereit; das Haus soll vor allem als flexibler Lernort genutzt werden, aber auch zum Austausch, als Treffpunkt und Veranstaltungsort dienen.

Die Bestandteile des Braunschweiger Studierendenhauses sind wiederverwendbar

Entwickelt von zwei ehemaligen Architekturstudierenden der TU, soll das Gebäude ein Vorzeigemodell für nachhaltiges, zirkuläres Bauen darstellen. Zentrale Punkte dabei: Alle Bauteile des vollverglasten Hauses sind wiederverwendbar, die Wärmeversorgung läuft über Fernwärme, die wiederum zu 80 Prozent aus regenerativen Quellen stammt. Im Sommer tragen zwei Erdsonden zur Kühlung bei.

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„Minimalinvasives Bauen wird immer notwendiger“, sagt Gustav Düsing, der das Studierendenhaus zusammen mit Max Hacke entworfen und umgesetzt hat. Beiden war wichtig, irreversible Schäden in der Umwelt auf das absolut notwendige zu begrenzen. So hat das Studierendenhaus zum Beispiel keinen Keller, eine dünne Bodenplatte und eine relativ geringe Grundfläche.

Klimaneutral bauen ist möglich, schränkt aber in den Möglichkeiten ein

Komplett klimaneutral waren und bleiben Bau und Betrieb des Hauses unterm Strich wohl nicht. Wäre das überhaupt möglich? „Im Prinzip ja“, sagt Gustav Düsing, „zum Beispiel mit Holz.“ Aber: Rein mit Holz wäre die Architektur des Hauses so nicht umsetzbar gewesen. Die dünnen Stahlträger – auch sie sind gleichförmige Module und geben dem Gebäude seine skeletthafte Struktur –, braucht es eben für das Konzept des Hauses als offener, einladender Treffpunkt.

Video- So sieht das TU-Studierendenhaus innen aus

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    Holz ist auch verbaut, das passt zum naturnahen Prinzip, genau wie der Umstand, dass man durch die gläserne Hülle und offene Raumgestaltung von fast überall die umgebenden Bäume sehen kann.

    Stahl: Aufwendig in der Produktion, dafür langlebig und vielseitig

    Und: Obwohl Stahl unter einem hohen Energieaufwand produziert werde, sei der Baustoff trotzdem nicht per se unnachhaltig. Denn im Gegensatz zu Betonelementen, die nach dem Abriss eines Gebäudes kaum wieder verwendet werden können, habe Stahl eine lange Lebensdauer und sei versatiler. „Dieses Haus könnte man abbauen und woanders hinstellen“, sagt Gustav Düsing, „auch in einer anderen Form, zum Beispiel als L.“

    TU-Präsidentin Angela Ittel (Mitte) überreichte der Studierendenschaft den symbolischen Schlüssel zum Studierendenhaus.
    TU-Präsidentin Angela Ittel (Mitte) überreichte der Studierendenschaft den symbolischen Schlüssel zum Studierendenhaus. © regios24 | Stefan Lohmann

    Ist das also die schöne neue Zukunft? „Ideal wäre es, gar nicht zu bauen, oder Bestandsgebäude zu erhalten“, räumt Düsing ein. Im Sinne des zirkulären Bauens, bei dem Baustoffe und -module immer wieder verwendet werden können, gebe es Bemühungen, eine Datenbank für recycelbare Bauteile aufzubauen, sagt Düsing. Darüber könnten Baufirmen Bestandteile aus anderen Gebäuden, die abmontiert werden sollen, recherchieren und für ihre Projekte einsetzen.

    Heizung und Kühlung laufen im Braunschweiger Studierendenhaus passiv

    Was ist mit dem drängenden Thema des Heizens? Im Studierendenhaus setzen die Architekten auch auf passive Wirkungsweisen. Im Sommer spenden die umliegenden Bäume sowie eine Überdachung Schatten, sagt Max Hacke. „Wir haben keine Lüftungsanlagen“, sagt er, vieles funktioniere über sich öffnende Fenster (das tun sie auch automatisch, wenn der CO2-Gehalt im Raum zu hoch wird) oder Lüftungsschlitze in den Fensterrahmen. Eine Klimaanlage gibt es nicht, zwei Erdsonden führen im Sommer überschüssige Wärme ins Erdreich ab.

    Im Winter soll neben der Fernwärme-Heizung auch die Sonne die Räume aufwärmen. „Wir rechnen damit, dass die CO2-Bilanz besser ausfällt als erwartet, weil diese Aspekte in unserer ursprünglichen Berechnung nicht aufgeführt waren“, sagt Max Hacke. Auch für das Architektenduo sei es spannend zu sehen, wie und ob ihre Pläne auch tatsächliche Wirkung zeigten.

    Wer seine Ruhe haben will, kann sie durch Vorhänge und Akustikdecken bekommen

    Für viele Studierenden dürfte die nachhaltige Ausrichtung ihres neuen Lernortes erfreulich sein. Aber kann man hier auch gut arbeiten? Die ersten Urteile von Helena Wichmann, Präsidentin des Studierendenparlamentes sowie Lilli Raudinat und Clara Sophia Weller aus der Fachgruppe Architektur fallen positiv aus. „Vieles schätzt man erst, wenn es fehlt“, sagt Helena Wichmann; nach der langen Corona-Phase freuten sich die Studierenden über den Ort des Austausches.

    Daneben schätze man auch, dass die Arbeitsplätze variabel seien; Möbel schnell und einfach umgestellt werden könnten. Spezielle Vorhänge schlucken den Schall, wenn man ein Séparée braucht. Teppich und Akustikdecken erfüllen denselben Effekt. Bei der Konzeption des Hauses waren auch die Studierenden beteiligt. „Wir freuen uns, dass unsere Stimmen gehört werden“, sagt Clara Sophie Weller.